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Ewigkeitssonntag,
24. November 2002
Predigt über 2. Petrus 3, 8-13, verfaßt von Doris Teicher (-> zu den aktuellen Predigten / www.online-predigten.de) |
Liebe Gemeinde! Worauf Warten Sie eigentlich? Worauf warten Sie eigentlich? (Plakat aufdecken) Wenn das Warten nicht mehr zeitgemäß zu sein scheint, dann warten wir erst recht nicht auf einen neuen Himmel und eine neue Erde. Sie etwa? Wenn ich ehrlich bin, ich auch nicht. Umfragen haben ergeben, dass die Erwartung, die Welt werde vernichtet und danach neu geschaffen, heute so gut wie keine Rolle mehr spielt. Der ´Tag des Herrn`, an dem Christus, der Weltenrichter, wiederkommt, scheint kein wichtiges Datum mehr in unserer Lebensplanung zu sein. Zwar beten wir im Vaterunser: Dein Reich komme. Aber wenn es sich morgen plötzlich erfüllen würde, das neue Reich, dann wären wir doch alle höchst überrascht. "Jetzt passt es mir aber gerade gar nicht. Ich habe heute Abend noch was vor. Geht's nicht morgen, bitteschön". Und warum auch nicht überrascht sein? Das Bedürfnis, im Jetzt leben zu wollen und nicht ans Hinterher zu denken, ist durchaus berechtigt. Finde ich. Allein die Naturkatastrophen, die wir zur Zeit erleben, lassen vielleicht doch wieder mehr an einen Weltuntergang denken. Für viele Fischer im Nordwesten Spaniens hat ihr Weltuntergang einen Namen "Prestige". Der untergegangene Öltanker. Und viele Menschen in den Überschwemmungsgebieten Deutschlands kämpfen noch immer mit den Folgen des Hochwassers. Zu denken gibt auch die Krisenstimmung an den Börsen, wo Tausende Kleinanleger ihre Rente verloren haben. Und wie steht es mit der nüchternen naturwissenschaftlichen Erkenntnis, dass die Erde sowieso ihrem Untergang zusteuert? Die lässt kaum jemanden warten. Wieso auch? Dauert ja noch ein paar hundert Millionen Jahre. Sind wir aber mit diesem Denken moderne Spötter, die nicht mehr daran glauben, dass der Tag Gottes jederzeit kommen könnte; die keine Hoffnung mehr haben auf bessere Zeiten, auf einen neuen Himmel und eine neue Erde? (Antwort: ja, aber eigentlich doch "Nein", wir hoffen doch.) Zweifel am Tag des Herrn gab es schon immer. Sie wurden noch gefördert,
nachdem die ersten Christen die Wiederkunft des Herrn nicht erlebt hatten.
Sie waren verunsichert und ließen sich verunsichern durch sog. Spötter,
die in ihren Gemeinden waren. PREDIGTTEXT Der Briefschreiber ist gegen jede andere Meinung davon überzeugt, dass es sich lohnt zu warten, wenn wir dabei fromm sind. Dabei zeichnet er ein Weltuntergangsszenario nach, dass mir Angst und Bange wird, und fragt dann: "Wenn nun alles so vergehen wird, wie müßt ihr dann dastehen in heiligem Wandel und Frömmigkeit?" Es scheint mir nicht mehr sehr zeitgemäß zu sein, mit Gerichtsandrohung und Strafe zu einen heiligen Lebenswandel zu motivieren. Gleichzeitig redet er aber auch von Geduld: "Gott hat Geduld und Nachsicht mit euch. Er will nicht, dass jemand verloren werde." Gott wartet, dass alle umkehren und Buße tun. Das klingt viel beruhigender. Gott weiß, worauf er wartet! Und er wartet absichtlich, denn er hat Zeit. Und er hat eine andere Zeitvorstellung als wir. Für ihn sind 1000 Jahre wie 1 Tag. Es ist nicht so, dass er unzuverlässig wäre oder seine Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde nicht einhalten würde. Er hat Geduld. Er wartet absichtlich. Und wir? Warten wir vielleicht doch insgeheim? Auf Dinge, die wir nicht
in der Hand haben? Wenn die Antworten auf dem Plakat lauten würden:
Auf Frieden, Gesundheit, Gerechtigkeit, auf Spuren Gottes in unserem Leben,
dann könnten viele von uns zustimmen. Vielleicht drücken wir
es eben anders aus, das, worauf wir warten! Vielleicht wollen wir nicht
erst auf das Jenseits vertröstet werden, sondern haben Hoffnung,
dass auch in diesem Leben etwas neu wird, dass sich der neue Himmel und
die neue Erde jetzt schon zeigen! Ich meine, es bedeutet nicht, Spinnweben anzusetzen, oder im Wartehäuschen einzuschlafen. In freier Interpretation des Satzes: "Ein Tag vor dem Herrn ist wie 1000 Jahre" liegt für mich die Bedeutung des Wartens: Wir sollen so warten und so leben, dass schon 1 Tag vor und mit Gott so erfüllt ist wie 1000 Jahre. Das könnte also heißen: Lebe so, dass du einen Tag als dein ganzes Leben betrachtest. So erfüllt soll er sein. Erfüllt leben, darum geht es. Und darum geht es auch beim Warten,
das für mich Ausdruck des heiligen Wandels und der Frömmigkeit
ist. Das Warten gehört zum heiligen Wandel, weil beim Warten das
Heilige, das Ewige, das Göttliche hereinbrechen kann. Gerade weil
ich beim Warten offen werde für heiligen Momente und mich von ihnen
anstecken lasse, darum wird mein Leben erfüllt. Aufmerksam werden
für die kleinen Lichtblicke und friedvollen Augenblicke, die vom
neuen Himmel und der neuen Erde erzählen. Dazu gehört auch,
zu erkennen, dass es uns gut geht. Dass wir keine Tankerkatastrophe vor
der Haustür haben. Dass unsere Häuser nicht weggespült
wurden. In unserem Alltag wertzuschätzen, was wir haben. Das entspricht
nicht nur dem Bedürfnis, das Leben jetzt bewußt leben zu wollen,
sondern baut darauf. Man kann zwar nicht sagen, wie der neue Himmel genau aussieht. Da hat jeder andere Vorstellungen. Aber oft ist es das, was unserem Leben einen tieferen Sinn gibt. Oder es ist das, was fehlt, um unserem Leben Sinn zu geben. Vielleicht kann man von dieser Ewigkeit, von diesem Neuen, auch hören. Wenn ich z.B. Glockenläuten höre, dann scheint es mir oft, als ob die Ewigkeit für einen Moment erfahrbar ist. Es scheint für Augenblicke so friedlich und so feierlich. Festhalten kann ich sie nicht, aber ich kann innehalten, meine Ohren öffnen und den Anzeichen von diesem neuen Himmel und der neuen Erde lauschen. Gewissermaßen könnte man die Kirche als ein Wartehäuschen bezeichnen, als ein Wartehäuschen neben vielen anderen. Nicht dass dort die Ewigkeit "irgendwie" schneller ankommt. Nicht, dass sie dort schon ganz verwirklicht wäre. Nein, aber das Wartehäuschen Kirche neben anderen bietet Raum zum Warten, zum Offen werden. Das Wartehäuschen Kirche läd ein zum Perspektivenwechsel und zu einer Sicht auf das Neue, Göttliche. Wie gestalte ich also mein Leben, dass ich die Ewigkeit bemerke, die
schon jetzt angefangen hat? Wie lebe ich in der Hoffnung, dass immer wieder
etwas neu wird? Die scheinbar banalen Antworten auf die Frage des Plakates markieren
eine Steigerung für das aktive Warten: Also: Worauf warten Sie eigentlich noch? "Und eins sei euch dabei nicht verborgen, Ihr Lieben": Auch Er wartet. Er, der da war, und der da ist und der da kommt. Denn Er hat Geduld mit euch. AMEN Doris Teicher |
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