Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

2. Weihnachtstag, 26. Dezember 2002
Predigt über Johannes 1, 1-14, verfaßt von Wiegand Wagner
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

Liebe Gemeinde

Das Bibelwort für unsere Betrachtung heue steht am Anfang dies Johannesevangeliums. Ein Schlüssel - Wort. Ein Lied, fast ein Hymnus und aus einer großen Ferne scheint das zu kommen, was da gesagt wird. Hören Sie:

Textlesung Joh. 1, 1- 14
(evt. nach Klaus Berger / Chrstiane Nord: Das Neue Testament und frühchristliche Schriften)

Wort - Dunkel - Licht; Anfang und wieder und wieder: das Wort. Es wird nicht mühelos abgehen mit diesem Bibeltext, aber vielleicht hilft eine kleine praktische Erinnerung ins Betrachten hinein: Von dem Wüstenvater Antonius, einem der heitersten dieser Gestalten, wird erzählt, dass er lange die Einsamkeit gesucht hat. In die Wüste ist er dafür gegangen, abseits von allem Leben - um nahe bei Gott, nur bei Gott zu sein.

Das fanden nun die Menschen da in Ägypten so faszinierend, dass sie hinterhergingen, immer wieder, immer mehr einen zu bestaunen, der ganz mit sich und seinem Gott allein sein will. Immer weiter wurden die Wege, die unser Wüstenvater sich suchen musste, immer mehr kamen sie ihm hinterher. Er packte es nicht, mit seinem Gott allein zu bleiben. Zuletzt suchte er sich einen hohen schroffen Berg, der es ihm ermöglichte mit sehr wenigen Schülern allein zu sein. Dort stand oder saß der Heilige, betrachtete die Welt um diesen Berg am Rande der Wüste - nichts sonst.

Nun war das für einen interessierten griechischen Intellektuellen und Theologen, den späteren Bischof Athanasius, gar zu interessant. Er konnte sich natürlich nicht vorstellen, was der Antonius da den ganzen Tag tat - er hatte ja keine Bücher mit, schlimmer, er konnte nicht einmal lesen, wie kann so einer da stehen und stirbt nicht vor Langeweile.

Als dieser Mensch ihn besuchte, antwortete Antonius auf seine Frage: Sieh doch umher ich sehe und bedenke den ganzen Tag die großen Werke Gottes um mich: "Wenn ich Gottes Wort lesen will, brauche ich nur hinzuschauen. Offen liegt es vor mir jederzeit."

Ich weiß ja nicht, was unser kluger Grieche sich dabei gedacht hat. Man berichtet, dass er zwar mit Antonius Freund geworden sei, sich jedoch bis zu dessen Tod nicht damit anfreunden konnte, dass er sich als echter Sohn eines vermögenden Fellachen in der Wüste nicht einmal die Füße gewaschen hat. Also stell ich mir das Verstehen zwischen den beiden schwer vor.

Aber was ihn fasziniert hat, war der Abstand mit dem der Heilige da seine Welt aus der Einsamkeit betrachtete und etwas sah, was er, Athanasius, der Kopfarbeiter nicht sehen konnte. Wie Gott in dieser Welt da ist. So einen Abstand braucht es manchmal - es kann freilich nicht dabei nur bleiben, wie wir sehen werden.

In unserem feierlichen Lied aus dem Johannesevangelium weht dieser Abstand aus den ersten Worten: Im Anfang war das Wort. Und das Wort war bei Gott. Und Gott war das Wort.

Ein Kreisen um Gott - und um seine Schöpfung. Das ist erst einmal alles und will von uns betrachtet sein. Als er sprach, so steht es im ersten Buch Mose, da wurde Licht. Da bildete sich eine Feste über der Erde, da erhoben sich Blume, Baum Tier Mond und Sterne - als er sprach, da wurde es gut.

Wir stehen zwar nicht auf einem hohen Berg und haben auch nicht ganze Tage und Wochen, das zu betrachten - aber vielleicht spüren sie mit mir den langen Atem dieser Verse, mit denen das Johannesevangelium anhebt. -

Den, den Atem verschlägt es uns aber gleich: Das Licht scheint in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht angenommen. Das Wort Gottes, das Wort wird Leben und Licht und die Finsternis begreift, so etwas sollen wir glauben, begreift nicht, dass Tag wird.

Das kann einem Wüstenvater ja nicht passieren. Der sieht die Werke Gottes. Das kann auch einem Tier auf dem Feld oder im Wald nicht passieren. Es regt sich wenn die Finsternis weicht und spürt vielleicht die Werke Gottes.

Das, liebe Mitmenschen kann nur uns passieren: Dass das Licht sich erhebt und die Finsternis es nicht merkt. Das ist jetzt allerdings auch das Ende davon, diese Sätze so zu verstehen, wie ein großes Schöpfungsschauspiel.

Denn was hier geschieht, kann vermutlich nur in uns passieren: Finstere Verzweiflung, finstere Pläne schließen uns ein und wir merken nicht begreifen nicht, dass da ein Weg herausführt, ja dass da sogar ein Mensch ist, der uns hinausführen will - wir bleiben verschlossen wie wir sind, in uns selbst, in unserem Kummer oder unserem Stress. Es gibt so viele Finsternisse.

Unser Lied vom Geschehen des Wortes Gottes wird jetzt allerdings unterbrochen. Wir sollen anscheinend nicht ohne ein Zeichen bleiben, was hier vorgeht:

Da ist gleichsam ein Anker in der menschlichen Geschichte geworfen: Was ist denn gemeint: Ach Johannes. Es trat ein Mensch auf, von Gott gesandt, der hieß Johannes. ( Zit. V. 6-8) Nun wird manches deutlich. dieser Johannes und sein Kamelhaarmantel - mit ihm kommt manches mit:

Dessen Mutter Elisabeth. Und Maria, die sie besucht hat und schwanger war. Und da treffen wir auch das Licht wieder; das den Hirten aufscheint und die Magier aus dem Osten geleitet hat. Und Engel und "Ehre sei Gott in der Höhe". Und "Ein Kind ist geboren"

Mit diesem Zeichen können wir jetzt merken, was es mit dem Licht in der Finsternis auf sich hat. Weihnachten! Ja.

Wir haben mit dem was uns vom Wort gesagt ist - das Licht scheint in der Finsternis - eine Weihnachtsgeschichte gehört. Aber ohne Hirten, ohne Könige. - ??. !

Vielmehr haben wir sie mit einer Erfahrung zusammen gehört, die seit Johannes dem Evangelienerzähler viele Menschen gemacht haben und die auch wir gut verstehen können. Es kann Weihnachten werden und es kann das Licht in der Finsternis aufleuchten, aber wir merken es ja nicht. Für uns bleibt es dunkel.

Diese Erfahrung, liebe Gemeinde machen heute nicht nur Menschen, die fern vom Glauben sind. Diese Erfahrung kann leider jede und jeder von uns machen. Und heute teilen so viele Menschen diese Erfahrung, dass wir von Glück sagen können, wenn wir trotzdem manchmal das Licht aufgehen sehen. Wenn wir wissen, dass es da ist.das Licht: Gott mit seinem Wort. Jesus, der uns hinaus leiten will aus der Finsternis, die uns so oft umgibt.

Ich denke dabei nun nicht zuerst an die Finsternis, die davon kommt, dass Menschen böse sind. Das gibt es und damit leben wir. Aber ich vermute, dass viel mehr Menschen nicht böse sind oder sein wollen, sondern kein Licht, keine Perspektive und Zukunft sehen. Daraus kommt freilich auch Böses. Aber das ist nicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist, wenn wir, wenn viele den Weg nicht wissen und sehen, der vor uns ist. Ärgste Verwirrung!

Und viel mehr als "gegen das Böse" ist doch Jesus unser Christus da, um den Weg zu zeigen, den wir gehen können und sollen. Den Weg zu anderen Menschen, die auch den Ausweg suchen. Und zu Gott, der ihn finden lässt. Von ihm, Christus, ist die Rede, wann unser Lied nun wieder ansetzt: "Aber einer war wirklich das Licht, das jedem Menschen leuchtet." Auch wenn es eine Welt nicht erkennt und ihn nicht aufnehmen will oder kann.

Wir werden mit diesen Sätzen gerade hingeführt zu dem Hauptsatz unseres großen Liedes vom Licht und vom Wort und von Gott: Und das Wort erschien in einem Menschen. Und wohnte unter uns und wir sahen seine Klarheit. -
Mit Antonius haben wir vorhin über weites Land geschaut. Langer Atem war das Wichtigste. Das Wort war bei Gott und Gott war das Wort.

Jetzt zeigt sich, dass das nicht das Wichtigste ist, was Gottes Wort von uns will: den langen Atem haben um Ihn und sein Wort zu betrachten. Entscheidend für die ganze Geschichte, die mit diesem Lied beginnt, wird nun, dass Gott aus seinem langen Atem heraus, aus den großen Werken der Jahrhunderte heraus, bei uns Menschen ankommt. - Wohnt. Bleibt und mitgeht.

So. Jetzt ist der Schlüssel übergeben - keine andere Aufgabe hat dieses Lied vom Schicksal des Wortes Gottes von Anfang der Welt bis hin zu den Menschen. Einen Schlüssel zu geben für die große Geschichte von Jesus, der aus Nazareth kam und nach Jerusalem ging. Sie können es alles lesen, wenn Sie das Evangelium lesen. Aber vergessen Sie den Schlüssel nicht, den der Evangelienerzähler uns mit seinem Anfang gibt:

Gott hat nicht, wie ein Wüstenvater weit weg von allem sein wollen, er hat sich unter uns Wohnung gesucht. Ein leichtes Haus übrigens. Johannes braucht einen Ausdruck für Wohnen, den man auch mit ‚zelten' übersetzen kann. "Wohnte unter uns", das meint nicht z.B. die Stiftskirche in Loccum oder andere schwere Steinbauten, sondern meint uns dort, wo wir nach dem Gottesdienst hingehen. Wo Menschen leben.

Was heißt das ?

Dass es nicht finster bleiben muss. -
Ich weiß nicht, welche Finsternis Sie in diesen Tagen belastet, ich will darüber auch nicht spekulieren. Ich weiß nur, dass viele Menschen und auch ich Gott gleichsam am Wort nehmen können und sagen: Jetzt musst Du bei mir bleiben. Und dann langen Atem gewinnen. Das ist der Schlüssel. Zum Evangelium und zu dem Gott, der bei uns Wohnung nimmt.

Ich erzähle zum Abschluss von einer sehr alltäglichen Frau. Sie trifft einen Mann als sie unterwegs ist um Lebensmittel zu holen. Der will von Ihr etwas zu trinken haben und im Gespräch zeigt sich, dass er ihre Finsternis genau kennt. Sie hat es nicht gut mit Männern und kein Verhältnis will ihr gelingen. Und im Gespräch mit ihm spürt sie, dass er sie nicht verachtet sondern auf einen Ausweg weist: In Gottes Nähe kannst Du mit dem, was ausweglos scheint, leben lernen. Für unsere Frau ist das etwas Neues, das sie unbedingt erzählen muss. Gott so in Anspruch nehmen, dass deutlich wird: Er wohnt bei mir. Mit ihm kann ich mit meinen Sorgen leben lernen - und den Weg finden, den ich finden kann, den ich gehen soll. Gott wird mich aus der Nähe geleiten. Das ist das Evangelium. Ist was mit Jesus gemeint ist. Das feiern wir zu Weihnachten

Und der Friede Gottes, höher als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. AMEN

Wiegand Wagner
Wiegand.Wagner@evlka.de


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