Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

2. Weihnachtstag, 26. Dezember 2002
Predigt über Johannes 1, 1-14, verfaßt von Katharina Coblenz-Arfken
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

Liebe Gemeinde,

wieder erfreuen wir uns an den Lichtern der Weihnacht. Die Krippe steht vor uns, die Bilder vom Krippenspiel am Heiligen Abend sind in uns lebendig.

Weihnachten ist doch das Fest, an dem wir Menschen versuchen, aufeinander zu zugehen, um einander Freude zu bereiten. "Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen" sangen die Engel im Chor bei den Hirten auf dem Felde. Und es ist das Fest, das wohl am meisten mit Erinnerungen verbunden ist.

Da stand der große die Zimmerdecke berührende Tannenbaum in der Erkerecke im Wohnzimmer, geschmückt mit Lichtern, die elektrischen Kerzen in der Mitte von wegen der Brandgefahr, die lebendigen am Rand.

Die Lichter waren schon heruntergebrannt an jenem Weihnachtsabend 1970 als ich für meine Eltern noch ein besonderes Geschenk in mir trug. Ich wollte ihnen meine Entscheidung mitteilen, Theologie zu studieren. Eigentlich hatte ich mich längst für ein Pädagogikstudium Mathe Physik an der TU in Dresden beworben Aber die ganze atheistische Erziehung in der Schule ödete mich an. Ich wollte wissen, was es mit Gott auf sich hatte. Mein Vater war Pfarrer. Als Familie sahen wir diesen Beruf eher kritisch. Und - Pfarrer in der DDR war das letzte was Karrierechancen betraf. So hatte ich lange gezögert, es meinen Eltern zu sagen. Mutter reagierte fröhlich, nahm mich in die Arme und lachte "Da wissen wir wenigstens wohin mit Vaters Büchern." Mein Vater sagte nur "Hast Du dir das wirklich überlegt? Es ist sehr schwer." und er mag an die Jahre des Berufs gedacht haben als mit steigendem Wohlstand und atheistischer Propaganda die Kirchen wieder leer wurden.

Aber die Freude überwog, dass wenigstens eins seiner sechs Kinder in dieser Fußspur folgte, so daß er noch am Mittagstisch am 1. Feiertag das griechische Neue Testament holte und meinte, nun müsse griechisch gelernt werden, am besten auswendig und er begann:

"En arche en ho logos kai ho logos en pros ton theon, kai theos en ho logos…"

"Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort…"

Meine Mutter, mein Freund, alle mussten sie mitlernen. Mich faszinierte der Klang dieser Worte und der Inhalt. So ist der heutige Predigttext mir dadurch besonders ans Herz gewachsen.

Johannes beginnt das, was er als gute Nachricht für alle Welt mit seinem Evangelium weitersagen will, mit einem Prolog. Er nimmt ein altes Lied von der Weisheit auf und dichtet es auf Christus um. Wie bei einer Ouvertüre erklingt in diesem Hymnus schon das Hauptmotiv seines Evangeliums.

1. Am Anfang war das Wort
und das Wort war bei Gott
und Gott war das Wort.
2. Dieses war im Anfang bei Gott.
3. Alles ist durch es entstanden
und ohne es ist nichts entstanden, was geworden ist.
4. In ihm war das Leben
und das Leben war das Licht der Menschen.
5. Und das Licht scheint in die Finsternis
und die Finsternis hat es nicht angenommen.
9. Er war das wahre Licht,
das alle Menschen erleuchtet,
die in die Welt kommen.
10. Es war in der Welt
und die Welt ist durch ihn gemacht,
aber die Welt erkannte ihn nicht.
11. Er kam in sein Eigentum,
aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.
12. Aber allen, die ihn aufnahmen,
gab er Macht, Gottes Kinder zu werden,
an seinen Namen zu glauben,
13. welche weder aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches,
noch aus dem Willen eines Mannes,
sondern aus Gott geboren sind.
14. Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns
und wir sahen seinen Lichtglanz,
einen Lichtglanz, wie ihn der einzige (Sohn) bei Gott hat,
voll Gnade und Wahrheit.

Liebe Gemeinde, dieser Text erscheint mir immer wie ein schwerer kunstvoller Vorhang, der sich hinter der Krippe öffnet und uns teilhaben lässt am Wunder des Weltgeschehens. Ich darf dahinter schauen. Hinter den Sinn kommen.

Als ich den Text in einer Gruppe zitierte - kam promt die Frage "Was, sollen wir das jetzt auswendig lernen?" Das wohl nicht, aber ich denke, es ist gut, wenn wir ihn buchstabieren, damit sich der Vorhang zur Seite schiebt. Wir sind eingeladen auf den Anfang zu schauen - jenseits von Zeit und Raum.

Die Frage, was die Welt im Innersten zusammenhält, hat Menschen, seit sie denken, beschäftigt. "Am Anfang" - so setzt das Lied ein und Johannes deutet damit die Geschichte Jesu, indem er an die Schöpfungsgeschichte anknüpft, wie sie auf der ersten Seite der Bibel nachzulesen ist: "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde und er sprach: Es werde Licht…"

Genau das hat Johannes aufgenommen, wenn er sagt, "Am Anfang war das Wort" - und mir klingt dabei immer die Stelle im Faust von Goethe nach, die bei uns in sozialistischen Zeiten mit Vorliebe zitiert wurde:…"Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen, am Anfang war die Tat"

Dabei ist schon von der Urbedeutung des Wortes "Logos" ein größerer Horizont gespannt.

Wir erleben, wie Worte Beziehungen schaffen. Worte können lebendig machen oder töten, die Atmosphäre vergiften oder entspannen, Worte können langweilen oder fesseln, verbieten oder erlauben, den Krieg erklären oder Frieden bringen…Sicher können wir das griechische
Wort "Logos" auch als die Urkraft allen Seins verstehen, wie immer Menschen sie benennen mögen. Hier ist Gott von Anfang an als Leben schaffende Macht geschaut.

Und wir, jeder und jede von uns, ist mit dieser liebenden Macht verbunden.

So, wie ich bin, darf ich das spüren und annehmen. Ich muß nicht erst selbst mächtig werden.

Muß mich auch nicht beweisen oder verteidigen. Es bedarf auch nicht erst eines Welt -verbesserungsprogrammes. Denn die größten Greultaten der Menschheit wurden im Namen des Heils verübt. Hitler wollte ein gesundes Volk, Stalin ein Paradies der Arbeiterklasse, Bush die Beseitigung der Terroristen. Heilsfanatiker hat es aber auch unter den Christen gegeben und gibt es bis heute. Ich erinnere an die Kreuzzüge, wie paradox - sie wollten die Stätten der Geburt Jesu mit Waffen wieder erobern, oder die Inquisition, in deren Prozessen alle, die nicht in die herrschende Lehre passten, hingerichtet wurden.

Das ist die Dunkelheit, die weltweit die Erde umspannt, Kriege, die nicht aufhören wollen.

Genau das hat Johannes gemeint, wenn er schreibt: Das Licht scheint in die Finsternis und die Finsternis hat es nicht ergriffen.

Je länger ich diesem Text nachspüre, merke ich, wie diese beiden Seiten miteinander ringen: Licht und Finsternis. Es kommt auf mich an, auf welche Seite ich mich stelle, wovon ich mich ansprechen lasse.

Gott wurde Mensch, darum kreist ja dieses Lied, d.h. er wurde geboren wie die meisten Kinder in der Nacht. Maria überstand die Wehen und mit der Geburt brach die Freunde auf, die übergroße Freude über das Kind. Das Leben, klein und schutzbedürftig - war da, um geliebt zu werden. Da ist es licht.

In diesem Kind ist Gottes Liebe da. Wenn wir das begreifen oder besser, in uns aufnehmen, dann sind auch wir Gottes Kinder. Dann wissen wir eigentlich erst, wer wir wirklich sind. Längst schon angenommem und geliebt. Der Liederdichter Paul Gerhardt bringt es auf den Punkt: "Eh` ich durch deine Hand gemacht,

da hast Du schon bei dir bedacht,
wie du mein wolltest werden."

Ich denke, das ist die große Sehnsucht, die uns Menschen miteinander verbindet, die in uns auch Weihnachten immer wieder aufbricht - die Sehnsucht nach dieser großen Geborgenheit.. Von da aus erscheint die Welt in einem ganz anderen Licht.

Der Geizhals und Menschenverächter in Charles Dickens Weihnachtsgeschichte wird auf einmal freigiebig. Er erlässt seinem Schuldner die Schuld und kann sich plötzlich wieder freuen.

Wie könnten wir uns als Völker der ersten Welt freuen, wenn wir den Ländern der Dritten Welt wenigstens die Zinsen erließen. Dann würde es auch in der großen Politik Weihnachten werden. Aber das beginnt in unseren Herzen. Lassen wir uns ansprechen, lassen wir uns von diesem Wort bestimmen, dieser Liebe, die uns ganz meint und durch nichts zu rauben ist, die aber, wo wir sie leben und weitergeben, Freude verbreitet?

Schließen möchte ich mit einem Weihnachtsgedicht:

In der Dunkelheit der Nacht
wird ein Kind zur Welt gebracht ,
kommt in eine Welt voll Streit,
in unsagbar großes Leid.

In der Dunkelheit der Nacht
hat Gott Frieden uns gebracht.
Wehrlos kam er in die Welt,
verzichtete auf Macht und Geld.

In der Dunkelheit der Nacht
ist das Leben neu erwacht.
Gott zeigt uns, wie er uns liebt,
Leben, Licht und Hoffnung gibt.

In der Dunkelheit der Nacht
Hat Gott selbst uns angelacht,
dass er unsre Ängste stillt
und das Herz mit Freude füllt.

Amen

Dr. Katharina Coblenz-Arfken
Dragonerstr. 17
Hohnstedt
37154 Northeim
Tel.: 05551-51105
E-mail: arfkencoblenz@aol.com

 


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