|
Epiphanias, 6. Januar 2003
Predigt über Matthäus 2, 1-12, verfaßt von Dörte Gebhard (-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de) |
Liebe Gemeinde, "Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs
Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Liebe Gemeinde, Bevor wir uns also hineindenken in die weit Reisenden nach Bethlehem und die anderen, die in Jerusalem lieber im Palast bleiben, müssen wir uns im Wegdenken üben. Liebgewordenes, vielleicht seit frühesten Kindertagen Vertrautes sollten wir - nur eine Predigt lang - weglassen, die Patina von diesem märchenhaften Bild einmal beherzt abkratzen, um tiefere Schichten freizulegen. Sie waren ganz sicher nicht zu dritt unterwegs. Und sie hießen nicht Kaspar, Melchior und Balthasar. Nichts davon steht da. Zu dritt hatte man auf dem weiten Weg aus dem Osten durch die Wüste ins Heilige Land kaum Aussichten auf gute Ankunft. Nur ganze Karawanen waren unterwegs, ganz gleich, ob sie aus Arabien oder von drei verschiedenen Kontinenten kamen, wie man bald darauf erzählte. Sodann waren es gewiß keine Könige. Damalige Herrscher waren Herodes und ähnliche Charaktere. Andere konnten sich in den rauhen römischen Zeiten nicht an der Macht halten. Und hat es das denn je gegeben? Könige auf einer friedlichen Wanderschaft, auf der Suche nach einem Größeren gar? Und was genau stellen Sie sich unter Heiligen Königen vor? Wie sollten sie gewesen sein? "Magier", so steht beim Evangelisten geschrieben, seien sie gewesen. Magier waren damals noch vieldeutigere Leute als heute, zuständig für Astrologie und Astronomie. Die Auskunft Magier' läßt alle Möglichkeiten offen, ernsthaftes wissenschaftliches Bemühen ebenso wie das sonderbare Geschäft der Horoskopmacher und Wahrsager. Die Jahrhunderte sind darüber vergangen, alles Mögliche in dieses Wort hinein- und herauszulesen. In Kiel hatte ich einen alten Professor, der mit den biblischen Schreibern auf Du und Du zu leben schien, der Vorlesungen lang Türme von den verschiedensten, auch widersprüchlichen Theorien kunstvoll vor uns aufschichtete und uns mit Pathos prophezeite: Auch die Generationen und Geschlechter nach uns werden noch fässerweise Tinte über diese Fragen vergießen!', nur um dann, ganz am Schluß, trocken zusammenzufassen: Mit einem Worte: Wir wissen es nicht.' Insbesondere bei den Magiern gilt diese Wahrheit: Mit einem Worte: Wir wissen es nicht.' Aber es deutet manches darauf hin, daß Matthäus die fremden Gäste eher dem ernsthaften Bereich der Sternenkunde zugeordnet hat. Wissenschaft und Macht der Welt sind in Frage gestellt durch das neugeborene Kind. So hat Luther einen guten Griff getan, wenn er Magier mit "Weise" übersetzt. Es ist also nicht viel übriggeblieben von den Heiligen Drei Königen,
nur soviel: Weise Heiden suchen Gott. Aber das ist genug, um in einer
Predigt nicht damit fertigzuwerden, nur drei Gedanken nachzugehen. Nach einer Antwort habe ich bei einem weisen Mann unserer Zeit gesucht,
bei Hans Georg Gadamer, dem Philosophen, der wahrhaftig das ganze 20.
Jahrhundert erlebte. 1900 geboren, verstarb er erst im vergangenen Jahr
mit 102 und lehrte mehr als 70 Jahre als Professor. Er sagt: Weisheit
ist eine Erwartungshaltung. Deshalb sind die Weisen weise. Nicht, weil sie längst alles wissen über die Gesetze der Sterne und die Umlaufbahnen der Planeten, sondern weil ihr Wissen Lücken hat, weil sie auch die große Schwärze zwischen den Sternen sehen. Weil sie ihre Grenzen kennen, machen sie sich auf den Weg, um zu fragen, ziehen los und ziehen weiter und nehmen auch Umwege in Kauf. Wissen und Weisheit wachsen nicht durch einsames Grübeln, sondern
wenn einzelne sich zusammen auf den Weg machen und die wesentlichen Fragen
im Leben nicht gleichgültig bleiben. Weise sind also zu fragen und zu suchen gewohnt, auch gewöhnt an
Irrtümer und Umwege, an Unverständnis der anderen und - in unseren
Tagen - auch an Desinteresse. "Was soll ich?" fragt einer, "Gott
suchen? Ach, Gott (!), ich hab schon genug zu tun ..." Zum Zeichen dafür haben die Weisen der Bibel mit Sternen zu tun. Diese Himmelslichter sind das Äußerste, Entfernteste, was wir sehen, aber nicht einfach greifen und fassen können. Sterne deuten darauf hin, daß keines Menschen Leben in dem aufgeht, was andere seinen Horizont nennen, was um ihn herum und sozusagen direkt vor Augen ist. Das alles ist nicht zu verachten, aber unser Dasein ist doch viel mehr als alles, was wir ahnen oder wissen, planen und schaffen. Und selbst bei unserem gelungenen Tun kennen wir das letzte Ende nie. Wir überlegen bestenfalls die Folgen, aber das Endgültige bleibt verborgen. Es ist Gottes Güte, daß wir nicht absolut alles wissen müssen
im Leben. Wir wissen von niemandem alles, nicht einmal von uns selbst.
Der allererste Anfang ist und bleibt im Dunklen für uns und das Ende
ist nicht absehbar. Auch ein Leben, das weit nach unserem begann und lange
vor unserem endete, kennen wir nie ganz, nur mehr oder weniger gut. Liebe Gemeinde, Wie fing die Geschichte mit den Heiden im Orient an? Wie fiel die Entscheidung für eine solche Herausforderung? Nach menschlichem Ermessen war diese Entdeckungsreise mit ungewissem Ausgang vollkommen unvernünftig, zu gefährlich und das Ergebnis zu ungewiß, die eigene Mathematik wohl auch zu fehlerhaft und ungenau, als daß man darauf sein Leben wagen sollte. Jede Möglichkeit, die Notwendigkeit für den Aufbruch logisch zu erklären, mußte scheitern. Die Anfechtungen unterwegs boten auch mehr als einen vernünftigen Grund, sofort wieder umzukehren, spätestens bei Herodes, der durch eine einzige Frage in unberechenbare Angst um seine Macht verfiel. Aber die Heiden halten durch. Ihre Weisheit verläßt sie nicht bei ihrer Suche nach Gott. Sie erkundigen sich nur und stellen eine Frage: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten. Sonst sagen sie nichts. Sie erklären nichts, sie rechtfertigen sich nicht, sie prahlen nicht mit ihrem Wissen. Sie sind still und hören und sehen genau hin und ziehen dann weiter. Gegenüber den Mächtigen und ihren Gefolgsleuten lassen sie ihre Vernunft walten, die unter Menschen von Nöten ist. Sie riechen die Machtgelüste des Herodes und gehorchen ihm nicht, kehren anderwärts heim. Nicht alle Wege führen schließlich über Jerusalem. Die genaue Unterscheidung zwischen göttlich-übervernünftigen
Dingen und menschlicher Klugheit macht auch das Christentum krisenfest
und haltbar durch die Zeiten. Das ist der letzte Gedanke, der die weite und merkwürdige Reise nach Bethlehem vorläufig enden läßt. Die Weisheit der Heiden besteht darin, sich führen zu lassen, nicht von vornherein schon zu wissen, wohin es gehen wird, wie es kommen wird, aber fest an die Wegweisung durch Gott zu glauben. Die weisen Heiden versuchen sich im Wegdenken, sie lassen beherzt alles weg, was Menschen ersinnen und aushecken. Sie gehorchen Gott mehr als den Menschen und dabei verlernen sie die unentwegte Beschäftigung mit sich selbst, die zuletzt immer enttäuscht, weil nichts übrigbleibt von Ruhm und Ehre, Geld und Glanz, Besitz und Schönheit oder was die Schätze dieser Welt sonst sein mögen. Das ist auch der tiefere Grund, weshalb wir nichts von ihnen wissen, weder Name noch Herkunft noch, wie ihr Leben weiterging nach der Begegnung mit Gott. Die Legende von der Gottsuche der Magier ist alles andere als ein Leitfaden zur Selbstverwirklichung. Darin liegt wohl der größte Unterschied zu heutigen Magiern oder solchen, die von sich behaupten, den Weg zur Erleuchtung zu kennen: Die weisen Heiden ziehen erhobenen Hauptes durch die Welt, aber nicht vor Stolz und Hochmut, sondern damit sie Gottes Stern nicht aus den Augen verlieren. Die weisen Heiden schlagen die Augen nieder und beugen sich tief, aber nicht vor Verzweiflung und Resignation, sondern weil sie voll Staunen Gottes Sohn anbeten, denn in Jesus Christus ist die Weisheit Gottes auf Erden erschienen. Wissen können wir das freilich nicht, aber unser Glaube daran möge wachsen! Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, stärke und bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. Erlöserkirche Bad Godesberg am 5. 1. 2003 Orgelvorspiel Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes AMEN. Psalm 100, 1-5 Laßt uns unsere Schuld bekennen Gnadenspruch: EHRE SEI GOTT IN DER HÖHE ... Kollektengebet Lesung aus dem Alten Testament: Jes 60, 1-6 Glaubensbekenntnis Fürbitten Wenn wir uns aufmachen, Gott, Wenn wir uns umschauen, Gott, Wenn wir unterwegs sind, Gott, Wenn wir unser Leben, unseren Alltag planen, Gott, In der Stille bitten wir für diejenigen, deren Freude und Leid uns am Herzen liegen: *** Vater unser - Segen Dr. Dörte Gebhard |
(zurück zum Seitenanfang) |