Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

2. Sonntag nach Epiphanias, 19. Januar 2003
Predigt über Johannes 2, 1-11, verfaßt von Elisabeth Tobaben
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Liebe Gemeinde!

Weihnachten liegt noch gar nicht so lange zurück mit den vertrauten Geschichten von dem Kind in der Krippe, den Sternen und Hirten!
Und nun: eine in diesem Jahr so lange Epiphaniaszeit, die noch einmal eine Fülle von Begegnungsgeschichten mit sich bringt:
Die Weisen aus dem Morgenland kommen nach Jerusalem und sagen: "Wir haben seinen Stern gesehen und sind gekommen, um ihn anzubeten!"
Und uns beschäftigte die Frage: Woran haben sie eigentlich erkannt, dass sie das richtige Kind vor sich hatten?
Den weisen Sterndeutern erging ihnen genau wie den Hirten, dem greisen Simeon und Hannah im Tempel, sie sind ganz sicher, dass sie den von Gott gesandten Retter gefunden haben.
Und die Schriftgelehrten, die im Tempel mit dem zwölfjährigen Jesus fachsimpeln, auch sie sind zumindest erstaunt über seine Intelligenz und seine tiefsinnigen Fragen.
Und dann gibt es die anderen, die, die dieses Kind für eine extreme Gefahr halten und die junge Familie sofort in die Flucht treiben.
Gott kommt in unsere Welt - und sofort scheiden sich die Geister!
Das ist bis heute so geblieben.
Die einen sagen - wie Eltern zu einem Religionslehrer in Ostberlin: "Glaubst du den Mumpitz eigentlich wirklich noch selber, den du unsern Kindern da erzählst?" ( Chrismon plus 01/03, S. 38)
Andere erleben: da habe ich eine biblische Geschichte vielleicht schon zigtausendmal gehört oder gelesen, und plötzlich sagt sie mir etwas, mir geht ein Licht auf!
Gott hat sich mir zu erkennen gegeben.
Heute nun haben wir es mit einer Erzählung zu tun, in der der erwachsene Jesus sich zu erkennen gibt - und sich zugleich aber irgendwie auch wieder verbirgt - hinter einem Zeichen, das er tut bei einer Hochzeit zu Kanaa in Galiläa:

Johannes 2
1. Am dritten Tag fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt, und die Mutter Jesu war dabei.
2. Auch Jesus und seine Jünger waren zur Hochzeit eingeladen.
3. Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr.
4. Jesus erwiderte ihr: Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.
5. Seine Mutter sagte zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut!
6. Es standen dort sechs steinerne Wasserkrüge, wie es der Reinigungsvorschrift der Juden entsprch; jeder fasste ungefähr 100 Liter.
7. Jesus sagte zu den Dienern. Füllt die Krüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis zum Rand.
8. Er sagte zu ihnen: Schöpft jetzt, und bringt es dem, der für das Festmahl verantwortlich ist. Sie brachten es ihm.
9. Er kostete das Wasser, das zu Wein geworden war. Er wußte nicht, woher der Wein kam; die Diener aber, die das Wasser geschöpft hatten, wußten es. Da ließ er den Bräutigam rufen
10. und sagte zu ihm: Jeder setzt zuerst den guten Wein vor und erst, wenn die Gäste zuviel getrunken haben, den weniger guten. Du jedoch hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten.
11. So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn.

Am 5. und 6. Januar wurde in der Antike das Dionysos-Fest gefeiert, ein Fest zu Ehren des Gottes der Fruchtbarkeit, der Lebensfreude und des Weines.
Von ihm wird erzählt, dass immer dann, wenn er sich als Gott zu erkennen geben wollte, Wasser in Wein verwandelte.
Die Gemeinden, für die Johannes sein Evangelium schreibt, dürften wohl diese Tradition, dieses Fest gekannt haben, da hört man solch eine Jesus-Erzählung natürlich ganz anders, hellhörig für die Zwischentöne.
Mag sein, dass sie ganz schnell geahnt haben, was Johannes ihnen da über Jesus mitteilen wollte, dass sie gesagt haben: "Ach, guck mal, die ist ja wie..."
Da zeigt sich etwas durch dieses erste Zeichen, das der noch unbekannt Mann aus Nazareth da tut.
Doch Zeichen sind von Natur aus mehrdeutig, man kann sich von ihnen überzeugen lassen, muß man aber nicht.
Wenn Jesus Zeichen verwendet, um seine Botschaft, seine Überzeugung zu erklären, um auf Gott hinzuweisen, von dem er kommt, dann gibt er uns damit eine ungeheure Freiheit.
Niemand ist gezwungen, an ihn zu glauben (oder gar auf eine ganz bestimmte Art und Weise zu glauben).Man könnte den sprichwörtlich gewordenen Satz anfügen: "Wer Ohren hat zu hören, der höre!"
Sicherlich hat es viele gegeben, die sich nur an der hervorragenden Weinsorte gefreut haben: 'Ist doch egal, wo es herkommt, Hauptsache, es schmeckt'.
In diese Kategorie gehören vielleicht auch jene, die erstmal über den Bräutigam herziehen und es unmöglich finden, dass er diese so viel bessere Sorte bis zuletzt zurückgehalten habe.
Für Jesus und seine Zeichen-Aktion scheinen sie sich nicht besonders zu interessieren, sie schütteln die Köpfe über den Bruch der gesellschaftlichen Konventionen, wie kann der Bräutigam nur, das tut man nicht, er gute Wein kommt zuerst, Punktum.
Zeichen. Sie kommen gar nicht auf die Idee, zu fragen, was dahintersteckt .
Sie sehen, was vor Augen ist, dringen aber nicht zu tieferen Erkenntnissen durch.
Eine interessante Rolle spielt auch Maria in dieser Hinsicht in der Geschichte.
Sie ahnt bereits, dass ihr Ältester nun einen ganz besonderen Weg einschlagen wird, sie hat an diesem Tag offenbar grenzenloses Vertrauen zu ihm - wie es vielleicht nur eine Mutter haben kann.
"Was er euch sagt, das tut!" rät sie den Dienern.
Sie scheint schon etwas mehr durchschaut zu haben.
Oft ist gefragt worden: warum nur diese gigantischen Weinmengen?
Sechs Steinkrüge mit jeweils 100 Litern - das ergibt dann immerhin 600 Liter Wein!
Das ist irrsinnig viel, auch wenn man bedenkt, dass eine orientalische Hochzeit mindestens 7 Tage dauert.
Ist ein Wunder nur dann ein Wunder, wenn es möglichst riesig und gewaltig ausfällt?
Und dazu geschieht es ja auch noch in einem "Notfall", der ja eingentlich gar kein richtiger Notfall ist, schließlich hätte das Brautpaar ja aufpassen können, besser kalkulieren oder wenigstens gleich ein Fass nachbestellen, als sich die Pleite abzeichnet, das merkt man doch eigentlich rechtzeitig, wenn der Wein bald alle ist.
'Aber ist dazu gleich ein Wunder nötig?
Wo jemand aus einer wirklichen, echten, lebensbedrohlichen Notlage befreit wird, in extremer Gefahr, einer Krankheit oder Naturkatastrophe , da ist auch der sogenannte moderne Mensch ja gern mal bereit, eine solche Erfahrung für sich als Wunder zu deuten.
Aber die Hochzeit in Kana hätte ja zur Not auch ohne Wein zu Ende gefeiert werden können, ohne dass einer ernstlichen Schaden genommen hätte, mal abgesehen von der Blamage für das Brautpaar.
Vielleicht wären sogar im Gegenteil einige Gäste vor einem kräftigen Rausch bewahrt geblieben?
"Luxuswunder" hat man die Geschichte darum auch schon manchmal genannt.
Ist es also vielleicht sogar ein anstößiges Wunder?
Eins, das Jesus nach heutiger Einschätzung lieber hätte bleiben lassen sollen?
Denkt er denn gar nicht an die Gefahren des Alkohols?
Ich halte das allerdings für einen typisch protestantischer Einwand.
Alles, was mit unbeschwerten Festen und Feiern zu tun hat, kriegt bei uns ja nur allzu leicht den Anstrich des Verwerflichen, ja sogar Verbotenen.
Mir fällt auf, dass wir wenn wir Gemeindefeste feiern, in der Regel zunächst einen "guten Zweck" suchen, dem ein Ertrag zu Gute kommt .
Ich will das gewiß nicht madig machen, diese Praxis hat ja auch ihren guten Sinn, aber vielleicht könnte die "Hochzeit zu Kana" uns auch anregen, einmal über unsere evangelische Fest- und Feierkultur nachzudenken!
Aber noch einmal: Geht es denn überhaupt um die Beseitigung der "Notlage" ?
Vergessen wir bitte nicht: wir haben es mit einem Zeichen zu tun!
Und jetzt könnte man fragen: Ist ein Zeichen denn deutlicher oder eindeutiger, wenn es in extremen Schwierigkeiten geschieht?
Oder ist diese Sehnsucht auch mit dem Wunsch verbunden, sich herumzudrücken um eine eigene Einschätzung?
Wie? Ich soll mich auf Jesus verlassen? Na, da müßte er sich aber doch mal ganz eindeutig und ohne irgendwelche mehrdeutigen Alternativen zu erkennen geben!
Johannes erzählt die Geschichte mit einem eindeutigen Zielpunkt: Er offenbarte seine Herrlichkeit! (V.11)
Im Klartext hieße das doch: Ich bin der, auf den ihr schon so lange gehofft habt, dem ihr euer Leben anvertrauen könnt, der Heil und Rettung bringt.
Er wirbt einfach um Vertrauen, um Glauben, aber er stülpt ihn niemandem einfach über, finden und entwickeln darf ihn jeder und jede für sich selbst.
Bei einigen wird dieser Glaube auch schon konstatiert: "...und seine Jünger glaubten an ihn".(V.11),
Tun sie das wirklich jetzt erst, nachdem sie das Zeichen gesehen haben?
Aufgebrochen und mit ihm losgezogen waren sie doch vorher schon, auf sein Wort hin, seinen Ruf: "Komm, folge mir nach!"
Irgendetwas muß doch da schon mit ihnen geschehen sein, sondt hätten sie sich diesem Aufruf doch verschlossen, wären zu Hause geblieben.
Man könnte vermuten, dass es so etwas wie Stufen des Glaubens gibt, eine Entwicklung von vorsichtigen Anfängen bis zur Gewißheit.
Es ist auch sein Thema, durch das ganze Evangelium hindurch spricht Johannes von diesem Riss, der durch die Menge geht, die einen, die alles für Unfug halten, und die andern, die alles zurücklassen und Jesus nachfolgen.
Und zum Glauben möchte Johannes auch seine Leserinnen und Leser einladen, darum erzählt er schließlich seine Geschichten.
Doch es ist wohl auch so, dass dieser Riss manchmal mitten durch einen Menschen hindurchgeht.
Eben war gerade noch die zuversichtliche Gewißheit des Glaubens so greifbar, und dann wird die andere Seite stark, die das alles nicht fassen kann und voller Zweifel und Verzweiflung steckt.
Und Morgen?
Dass Jesus sein erstes Zeichen auf einem Fest vollbringt und noch dazu mit einem so riesigen Überfluß, das hat nun wiederum natürlich auch ganz viel mit dem Inhalt seiner Botschaft, seines ganzen Lebens zu tun!
Oft beschreibt er auch das Reich Gottes mit einem großen Fest, spricht davon, dass er mit denen, die zu ihm gehören, zu Tisch sitzen will - im Himmelreich.
Und so wollen unsere Feste eigentlich ein Vorschein sein von Paradies, ein Stück "Himmel auf Erden".
"Ich will euch die Fülle des Lebens geben" wird Jesus später sagen.
Und um diese Fülle geht es auch auf der Hochzeit in Kana.
Eine Hochzeit ist immerhin ein Fest, auf dem zwei Menschen ihre Liebe feiern und ihren Entschluß, zusammenzugehören, und dazu gehört auch überschwengliche Festfreude, Festessen - und Wein!
Das Fest ist gerettet, weil Jesus eingreift und hilft;
Er macht das Fest selber damit zum Zeichen, zum Zeichen der Liebe, die von Gott kommt.
Und er macht es durchsichtig für das große Fest am Ende aller Zeiten , zu dem er selbst uns einlädt.
Amen.

Elisabeth Tobaben
Ev. Luth. Inselkirchengemeinde
Wilhelmstr.42, 26571 JUIST
tel 04935-9109-10 fax-42
E-Mail elija@t-online.de

 


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