Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

2. Sonntag nach Epiphanias, 19. Januar 2003
Predigt über Johannes 2, 1-11, verfaßt von Berthold Köber
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Jesus - unsere wahre Freude

Liebe Schwestern und Brüder!

Am 5. und 6. Januar feierten die alten Griechen das Fest des Gottes Dionysos. Die Mythologie erzählte, dass Dionysos die über Nacht leerstehenden Krüge mit Wein füllte.
Um dieses Weinwunders willen wurde er als der Gott der Lebensfreude und der -Fülle verehrt und ihm zu Ehren wurde sein Fest gefeiert. Darin drückte sich die Sehnsucht der damaligen Menschen nach Freude aus.

Wir können solche Sehnsucht nach Freude verstehen. Denn unsere heutige Zeit ist nicht besonders reich an Erfüllung und an Freude, und die Aussichten auf Freude sind angesichts der Prognosen für dieses noch junge Jahr und der immer neuen Ankündigungen von Kostensteigerungen und Sparzwängen, von noch größeren Arbeitslosenzahlen und drohendem Krieg nicht gerade günstig. Deshalb würden wir gerne Freude erleben, die uns das alles vergessen und uns unseres Lebens wieder froh werden läßt. Um Freude zu erleben, feiern wir gerade in diesen dunklen und trüben Wintermonaten Karneval. Je schwieriger die Zeiten, umso ausgelassener das Feiern. So sind wir auch heute auf der Suche nach Freude, wie die alten Griechen damals.

Dionysos konnte solche Freude schenken mit dem köstlichen Wein, der die Menschen in Rausch und Ekstase versetzte und sie in den Orgien und Ausschweifungen des Dionysos-Festes ihre Sorgen, Ängste und Nöte vergessen und sie sich ganz dem Augenblick hingeben ließ. Aber einmal ging der Wein dann doch zu Ende, war das Fest aus und die Freude vorüber. Dafür war die Ernüchterung, die darauf folgte, umso größer und das Leben umso trostloser und leerer. - Wo ist wirkliche Freude zu finden?

I.

Eine Hochzeit ist immer ein freudiges Ereignis. Zwei Menschen, die sich lieben, vereinen sich zu einem gemeinsamen Leben. Sie freuen sich auf eine schöne gemeinsame Zukunft und erhoffen sich Glück und Erfüllung. Ihre Verwandten und Freunde nehmen an dieser Freude Anteil und feiern das Ereignis mit gutem Essen und Trinken, mit Tanz und Gesang, Geselligkeit und Fröhlichkeit.

Von einer solchen Hochzeit ist auch in unserem Schriftwort die Rede. Jesus nimmt zusammen mit seinen Jüngern auch daran teil. Ja, damit beginnt er geradezu seine Wirksamkeit, wie uns der Evangelist Johannes berichtet. Das ist bestimmt kein Zufall, das ist vielmehr Programm. Jesus ist nicht nur bei den Leidenden und Traurigen, bei den Mühseligen und Beladenen und teilt deren Sorgen, Ängste und Nöte. Er ist auch bei den Feiernden und Fröhlichen. Origines hat nicht recht, wenn er lehrt, dass für das irdische Leben des Christen das Lachen ausgeschlossen sei. Denn Jesus ist kein finsterer und strenger Asket, wie nicht wenige Fromme ihn auch heute noch verstehen, er ist kein Miesmacher und Spielverderber, sondern freut sich mit den Menschen und feiert mit ihnen mit.

Das gilt auch für uns hier und heute. Jesus möchte, dass wir uns unseres Lebens freuen. Er bejaht das Leben und er gönnt uns die Freude. Darum dürfen wir als Christen mit gutem Gewissen feiern und fröhlich sein und uns miteinander freuen und dürfen dessen gewiß sein:
Jesus nimmt teil an unserer Freude.

II.

Eine Hochzeitsfeier ohne Wein können wir uns gar nicht vorstellen. Darf man aber als Christ überhaupt trinken? Nicht wenige Menschen verneinen das und scheuen sich sogar vor dem Schluck Wein aus dem Abendmahlskelch. Die Bibel dagegen spricht sehr unbefangen vom Wein. Sie preist ihn als gute Gabe Gottes, die des Menschen Herz erfreut, wie es völlig unbefangen das Psalmwort (Ps 104,15) bekennt. Der Wein hebt die Stimmung und das Wohlbefinden des Menschen und ist sogar seiner Gesundheit zuträglich, wie das schon Paulus sagt. Wein wurde schon von den Israeliten als ein Zeichen von Fülle und Segen verstanden. Jesus hat mit seinen Jüngern auch Wein getrunken und mit ihnen gefeiert, so dass ihn seine Gegner sogar als Fresser und Trinker schmähten.

Doch nun geht während der Hochzeitsfeier plötzlich der Wein aus. Die Gastgeber haben sich wohl verrechnet. Dadurch ist der Fortgang der Feier gefährdet. Das ist zugleich ein Bild dafür, wie schnell sich alles verzehrt, was Leben, Glück und Freude verspricht und wie rasch einen der Alltag einholt. Und was bleibt?

Für die Gastgeber ist das eine große Blamage. Verzweifelt wird nachgedacht, was da zu machen sei. Man denkt an Jesus; vielleicht könnte er helfen. Aber: wer bringt den Mut auf, ihn zu bitten? Wohl jemand, der ihm besonders nahesteht. Und das ist seine Mutter. So kommt sie zu ihm und bittet ihn um seine Hilfe.

Jesu schroffe Antwort ist nicht leicht zu verstehen. Die Mutter denkt an sofortige Hilfe. Jesus aber geht es um mehr. Er ist nicht gekommen, um den Menschen in kleinen Verlegenheiten zu helfen, wie es in einer Predigt hieß, der das Weinwunder Jesu anscheinend selbst große Verlegenheit bereitet. Er hilft nicht, damit es danach so weitergeht, wie vorher, als sei nichts geschehen. Jesus möchte nicht nur kleine und schnell vergängliche Freuden schenken, die alsbald vergessen sind. Ihm geht es um mehr. Das zeigt der Fortgang der Geschichte.

Da stehen sechs steinerne Wasserkrüge. Ihr Wasser diente nach damaligem jüdischen Brauch der rituellen Waschung vor dem Mahl. Jesus läßt diese Krüge mit Wasser füllen. Als der Speisemeister davon kostet, ist es köstlicher Wein, unvergleichlich besser als der erste, - und dazu noch in einer riesigen Menge. Das Fest kann umso fröhlicher weitergehen.

Was hier geschehen ist, ist zugleich ein Bild. Der geschenkte Wein ist Bild und Ausdruck für eine weitere wichtige Botschaft dieser Geschichte. Jesus nimmt nicht nur teil an unserer Freude. Jesus schenkt Freude.

III.

Die Hochzeitsgäste haben von alledem kaum etwas bemerkt. Wohl aber die Jünger: Da ist mehr geschehen, als was äußerlich wahrzunehmen war. Was da geschehen ist, weist über sich selbst hinaus. Es übertrifft die menschlichen Vorstellungen. Es ist ein Zeichen, das auf etwas ganz Neues hinweist, auf eine neue Wirklichkeit: Gott selbst ist da. In Jesus schenkt sich Gott selbst den Menschen. In Jesus nimmt Gott selbst Teil an unserem Leben.

Wo Gott bei den Menschen ist, da ist Freude. Von daher spricht die Bibel vom Kommen Gottes oft im Bild der Hochzeitsfeier. Wo Gott ist, da wird der Alltag zum Fest. Da wandelt sich das Leid zur Freude; Verzagtheit wird zur Zuversicht. Besonders deutlich wird das dort, wo Jesus die verschiedensten Menschen zu sich gerufen und Tischgemeinschaft mit ihnen gefeiert hat. Diese Tischgemeinschaft ist ein Zeichen der Nähe, der geschehenen Zuwendung und Liebe Gottes. Im Blick und im Vertrauen darauf beten wir bei Tisch: "Komm Herr Jesus, sei unser Gast..."

Auch wir sind zu dieser Tischgemeinschaft mit Jesus eingeladen - jedesmal, wenn wir das Heilige Abendmahl feiern. Hier erleben und erfahren wir die besondere Zuwendung und Nähe Jesu. Hier schenkt er sich selbst im Brot und im Wein. Diese Gemeinschaft mit ihm bedeutet Vergebung und Rettung; sie eröffnet Zukunft und neues Leben - mit ihm und miteinander - und führt zur Freude.

Kehren wir noch einmal kurz zur Hochzeit zu Kana zurück. Sechs steinerne Krügen voll köstlichen Weins sind da. Kluge Köpfe haben errechnet, dass so ein Krug um die 100 Liter faßte - das wären zusammen bei 600 Liter Wein. Das ist ein Vielfaches von dem, was auf einer großen Hochzeit getrunken wird. Wozu dann diese große Menge? Vom Kirchenvater Hieronymus wird diese kleine Anekdote erzählt. Ein Spötter fragte ihn, ob denn die Hochzeitsleute diese ungeheure Menge Weins ausgetrunken hätten. Darauf antwortete Hieronymus: "Nein, wir trinken alle noch davon." Darin kommt sehr prägnant zum Ausdruck, dass dieses Geschehen über sich hinausweist.

Wo Jesus ist, da ist die Fülle. Sie ist es, die alles überbietet und die auf die künftige Erfüllung weist. Dadurch wird die irdische Tischgemeinschaft mit Jesus zum Zeichen und zur Vorwegnahme der eschatologischen Tischgemeinschaft, dem Bild für das Leben in der Vollendung. Warum wird wohl auch dieses kommende Leben in unmittelbarer Gemeinschaft mit dem Herrn gerade im Bild der himmlischen Hochzeit dargestellt? Bestimmt deshalb, weil der Inhalt dieses verheißenen Lebens unvergängliche Freude und Erfüllung als Fülle ist.

So ist bei Jesus die wahre Freude zu finden. Er selbst ist die Freude. Darin wird seine Herrlichkeit offenbar.

Prof. Dr. Berthold Köber
Pfarrer am Altenberger Dom (bei Köln)
Uferweg 1
51519 Odenthal
Tel./Fax: 02174-894973
E-Mail: bwkoeber@hotmail.com


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