Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Gründonnerstag, 17. April 2003
Predigt über Johannes 13,1-15, verfaßt von Christian Tegtmeier
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

„Mit gutem Beispiel vorangehen!“ Wer hätte das nicht schon einmal gehört oder gesagt. Und unsere Erfahrung bestätigt die Richtigkeit dieses Aussage. So wie in der Schule oder während der Lehre der Lehrer oder Meister durch sorgfältige Anleitung und Begleitung den Schüler befähigt, das gesteckte Ziel zu erreichen oder ein bestimmtes Werkstück zu erstellen, will es Jesus uns und seine Jünger ebenso lehren. Auch er sagt: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr so wie ich es getan habe, auch tun könnt.“ Und dieser Vorgabe, diesem Vorbild in der Praxis des Glaubens, in der gelebten Frömmigkeit also möchten und sollen wir folgen.
Um welches Beispiel geht es? Worin sind wir befähigt und in der Lage, ihm, dem Meister und Lehrer des Glaubens, zu folgen?

Nur der Evangelist Johannes berichtet von dieser Begebenheit aus dem Leben Jesu kurz vor Ostern. Nach dem gemeinsamen Mahl wechselt der Meister seine Kleider und wäscht seinen Jüngern die Füße. Das ist für alle eine ungewöhnliche und überraschende Tat. Der Meister dient seinen Schülern – und nicht umgekehrt. Was sonst die Schüler ihrem Lehrmeister, die Diener für ihren Herrn zu leisten haben, was zu ihren ureigensten Pflichten gehört, vollzieht beim letzten Mahl Jesus Christus selbst. Er tut dies ohne vorherige Ankündigung, ohne Worte, eher schweigend, aber bestimmt. Und er tut es als der, der jetzt ganz unten bei den Menschen ist, einer wie das Gros, die Menge und ist doch schon zugleich der, der dann bei seinem Vater, ihm zur Rechten des Thrones sitzen wird. Noch einmal klingt der Wechsel an, den die weihnachtliche Botschaft uns ankündigt:

„Er wechselt mit uns wunderlich, Fleisch und Blut nimmt er an und gibt uns in seins Vaters Reich die klare Gottheit dran.
Er wird ein Knecht und ich ein Herr, das mag ein Wechsel sein!“

„Unerhört! So geht das nicht!“ fällt Petrus ein. „ Das ist nicht richtig. Der, der mit unserem Vater besonders verbunden ist, der uns lehrt und unterweist, zu dem wir aufblicken und der über uns steht, wie wir meinen, dieser Jesus wäscht uns die Füße. Das können, nein, das wollen wir nicht zulassen – er darf sich nicht sich erniedrigen und demütigen, soll uns nicht dienen. Wir haben zu dienen, wir haben es für ihn zu tun. Und wir hätten und müßten…..“

Worte, die verklingen, eine Vorstellung, die berechtigt sein mag, die aber jetzt keinen Wert hat, da Jesus sie nicht weiter annimmt und bedenkt. Denn ihm ist jetzt etwas anderes wichtig: eine Gemeinschaft, in der jeder jedem dient und hilft, in der sich sichtbar und spürbar mitteilt, was er schon benannt hat, wenn er auf die Menge sah und sie als guter Hirte zu seiner Herde machte: im Bild vom Weinstock und den Reben oder dort, wo vom Leib und den Gliedern gesprochen wurde. Um diese Gemeinschaft, die aus Liebe, Güte und Barmherzigkeit dem Nächsten dient und sich bedienen lässt, geht es ihm.

Drei Gedanken haben mich besonders berührt und beschäftigt, liebe Gemeinde:

*die Worte „reinigen“, „waschen“ und „zu meinem Gedächtnis“
*der verwunderte Petrus, der in einem zweiten Einwand sein Recht vorbringen will, und
*die lapidare Bemerkung „Wer glaubt, wird selig.“

ad 1) Die Worte vom „waschen“, „reinigen“ und „zu meinem Gedächtnis“ erinnern mich an eine andere Begebenheit aus dem Leben Jesu, eine Begebenheit, die sich zeitlich mit dem Geschehen der Fußwaschung verbindet: mit dem heiligen Abendmahl. Dort lese, höre und bemerke ich die gleichen Worte, denn es heißt: „…mein Blut vergossen zur Vergebung der Sünden…“ und ….“solches tut, so oft ihr’s trinket, zu meinem Gedächtnis.“

Mir scheint, daß Jesus zum Ende seines Lebens für den engsten Kreis seiner Freunde, für die, die nicht nur ihre Sympathie bekennen und Glauben vorgeben, sondern für die, die bekennen, Zeichen setzen will: Zeichen seiner Verbundenheit, seiner Liebe und Zeichen für seinen Einsatz. Wo er sich für die Menschen einbringt, ihnen dient, z.B. mit der Fußwaschung, reinigt er sie, macht sie frei von der Last des Lebens, von Sünde und Schuld, von Gottesferne und der erlittenen Schmach durch andere. So wird darin sein Dienst, sein Einsatz uns, zum Wohle deutlich.

ad 2) Da ist der verwunderte Petrus, der in einem weiteren Einwand sein Recht vorbringt. Vielleicht ist Petrus nicht nur mit eigenem Anliegen dabei, möglicherweise spricht er auch für die anderen Jünger, wenn er zu bedenken gibt: Soll das mit den Füßen reichen? Müßtest du uns nicht auch die Hände und den Kopf waschen? Müßten wir nicht ganz und gar von dir gereinigt werden? Reicht ein Teil für das Ganze? - Petrus begegnet mir als einer, der nicht mit dem zufrieden ist, worin ihm sein Meister dient. Noch reicht es nicht aus, noch weiß er es seinem Lehrer gegenüber besser. Noch will er es verbessert wissen, bevor er sagen kann: „Gut gemacht mein Lieber, jetzt erkenne ich deine Kompetenz an!“ Petrus ist also ein Mensch, der Gott berichtigt, korrigiert, es ganz genau nimmt. Bei Gott darf um Himmels Willen nichts fehlen.

Für Jesus hingegen reicht ein Teil, ein Teil für das Ganze - pars pro toto – wie die Leute sagen. Wer dabei dann den Glauben an ihn hat, der ist gerettet, weil sich der Sinn und die Absicht, die in der Geste der Fußwaschung liegen mit der Vergebung der Sünden im Abendmahl verbinden.

ad 3) Ja, soweit reicht die Liebe Jesu: wer glaubt, der wird selig. Sie umgreift jeden, der voller Vertrauen seiner Einladung folgt, sie umgreift auch den, der zum Verrat entschlossen ist. Wer öffentlich für Jesus eintritt, hat bereits Teil an der neuen Welt. Selbstlos, aufopfernd verschenkt er sich, läßt erfahren, was jetzt bereits beginnt und morgen endet: am Passahabend seinen Anfang nimmt und bis zum Abend der Kreuzigung reicht: Kreuz und Lieben, Urteil und Vergebung, beides zusammen in Jesus Christus.

Wer hier glaubt, der wird selig werden! Wer hingegen nicht glaubt, den läßt auch Christi Liebe unberührt, so wie Judas Ischariot, der trotz aller Zuwendung und Liebe andere Plänen, Wünschen und Absichten folgt.
„ Denn er wusste, dass ihn einer verraten werden. Deswegen sagte er, daß nicht jeder rein sei.“

Von selbst und ohne meine innere Zuwendung und Offenheit kann diese Liebe, Gottes Güte , mich nicht erreichen. Es wäre ein Irrtum zu meinen, wenn Gottes Liebe mich umfaßt, dann bin ich seiner Gnade ein für alle Male sicher. Im Gegenteil, ein Geschenk will auch mit offenen Händen und frohem Herzen angenommen werden, sonst bleibt es kein Geschenk. Am Beispiel des Verräters wird das deutlich: ein jeder darf, kann und soll um Gottes Willen teilhaben an seiner Liebe, an seinem Dienst für den anderen. Wer sich verschließt, wer sich im Herzen verweigert und ablehnend die Geste zurückweist, hat nicht teil an der Gnade. Gott läßt ihm je neu und je anders die Chance zur Umkehr, nur muß ich sie ergreifen, um gerettet zu werden.
„ Wer es glaubt, der wird selig. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich es auch getan habe.“

Christian Tegtmeier
Pfarrer in Kirchberg
Telefon: 05381-8602
E-Mail: gabriele.tegtmeier@t-online.de


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