Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Rogate (5. Sonntag nach Ostern), 25. Mai 2003
Predigt über Johannes 16, 23b-28.33, verfaßt von Hanne Sander (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

Es ist ein wenig ärgerlich, daß die Texte aus dem Johannesevangelium schwer zugänglich sind. Sie folgen uns ja an allen Sonntagen zwischen Ostern und Pfingsten.

Johannes hat sich ja nicht nur vorgenommen, die direkte Geschichte über das Leben Jesu, seinen Tod und seine Auferstehung zu erzählen, er will vielmehr seine Zuhörer und Leser mit einbeziehen in Überlegungen über die Geschichte und eine Deutung der Geschichte. In dieser Hinsicht ist Johannes mehr innerlich und nachdenklich als die drei anderen Evangelisten, und seine Texte richten sich mehr an das Verstehen des Herzens als des Verstandes.

Und was er gerne will, was wir verstehen sollen, das schreibt er selbst kurz am Ende seines Evangeliums: "Dies ist geschrieben, daß ihr glaubet, Jesus sei der Christus, der Sohn Gottes, und daß ihr durch den Glauben das Leben habet in seinem Namen".

Hier nach Ostern - wo wir wieder vom Tod und der Auferstehung Jesu gehört haben oder hören konnten, werden wir also mit hineingenommen in eine Überlegung darüber, ob die Botschaft etwas in unserem Leben bedeutet und für die Art und Weise, wie wir uns zum Dasein und zu einander verhalten.

Macht es überhaupt einen Unterschied, ob wir glauben, daß Jesus der Christus ist, Sohn Gottes und auferstanden von den Toten, das heißt, glauben wir, daß Veränderung möglich ist vom Tod zum Leben, daß das Leben neu werden kann. Was denken wir, wenn wir Sonntag für Sonntag das Glaubensbekenntnis sprechen oder singen: " ... am dritten Tage auferstanden von den Toten .... sitzend zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters. Vor dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten" - und wenn wir bei jeder Taufe ja sagen, daß wir das glauben?

Oder wenn wir jedes Mal, wenn wir das Abendmahl feiern, (nach der dänischen Agende) beten: "Auferstandener Herr und Heiland, der Du selbst unter uns gegenwärtig bist mit dem ganzen Reichtum deiner Liebe" - so als wenn wir jedenfalls daran glauben, daß Jesus von den Toten auferstanden ist und daß er bei uns gegenwärtig ist.

Aber noch einmal: Wie können wir überhaupt von Auferstehung reden? Ein früherer Kollege hat das einmal so formuliert: "Auferstehung ist nicht in erster Linie eine Art Ereignis, das nach unserem konkreten Tod eintrifft, Auferstehung ist ein Wort für eine Erfahrung des Übergangs aus einem Zustand von Tödlichkeit, Lähmung, Hoffnungslosigkeit in einen Zustand von Aufleben, Hoffnung, Freude und neuer Einsicht. Die Auferstehung ist die Auferweckung des Geistes im Fleisch, d.h. in diesem persönlichen und körperlich lebendigen Leben, eine Gnade, die uns zuweilen widerfährt als eine große Gabe in der liebenden Begegnung zwischen Menschen und zwischen Gott und Mensch."

Ich stelle mir vor, daß solche Gedanken den alten Johannes bewegten, als er sein Evangelium schrieb - und umgekehrt, sein Evangelium veranlaßte zu solchen Gedanken. Wenn Johannes versucht, an den Abend des Gründonnerstag zurückzudenken, denkt er an diesen Abend als an den Abend, an dem sich Jesus von seinen Jüngern verabschiedete - dann stellt er nun all das, was er von diesem Tag weiß, zu einer langen Abschiedsrede zusammen. Jetzt im Nachhinein kann Johannes durchaus einen roten Faden in all dem sehen, was Jesus gesagt hat - aber die Auferstehung ist es, die Jesus als Sohn Gottes erscheinen läßt. Der Glaube an die Auferstehung ist das, was den Unterschied ausmacht zwischen vorher und nachher - wie im Text hier, wo es um das Gebet geht.

Denn wie soll man beten können, wenn nicht von der Hoffnung her, daß es jemanden gibt, an den man sich wenden kann. Wenn so viele darüber klagen, daß es schwer ist zu beten, oder wenn viele ganz aufgehört haben zu beten, dann wohl von den Gefühl her, in die leere Luft zu beten. Wenn das Gefühl, daß das oder der, dem unser Gebet gilt, keine richtige Wirklichkeit außerhalb unserer selbst hat, ja dann versiegt das Gebet wohl allmählich. Oder wenn das, was wir durch unser Leben erfahren haben, uns gelehrt hat, daß wir nicht das bekamen, was wir uns innerlich ersehnt und erhofft haben, ja was nützt es dann zu beten?

Mir fällt auf, wie Johannes betonen will, daß Jesus gerade in der Situation des Abschieds, wo er sich von seinen Jüngern trennen muß, so großes Gewicht auf das Gebet legt. Das unterstreicht ja gerade, daß Gebet Menschen zusammenknüpft und Gott und Menschen miteinander verbindet.

Dann ist Gebet vielleicht nicht so sehr eine Frage, wie man seine Wünsche erfüllt bekommt, sondern wie man miteinander in Verbindung bleibt. Es gibt vielleicht einen Grund, daß der Mensch, der alle seine Wünsche erfüllt bekommen hat und niemanden um etwas zu bitten braucht, sich allein fühlen wird. Oder der Mensch, der niemanden um etwas bitten will, um seine Unabhängigkeit zu bewahren, kann so unabhängig werden, daß er einsam wird. Aber das gilt auch umgekehrt. Der, der nicht um etwas gebeten wird, kann auch einsam werden, denn dann wird man ja wie einer behandelt, der nichts zu geben hat. Das gilt zwischen Menschen, und das gilt zwischen Gott und Menschen.

Gebet bindet uns also zusammen, Gebet kann Gespräch werden und eine neue Gegenwart, wo wir von einander etwas wollen, wie Gott etwas von uns will.

Und in Jesus hat Gott ein Gesicht und einen Namen bekommen, so daß wir uns an ihn wenden und zu ihm beten können im Namen Jesu und nicht in die leere Luft.

Das Leben, das wir in Jesus sehen, können wir deshalb als die Versicherung oder Bestätigung Gottes an uns sehen, daß es unserem Wunsch entgegenkommt, dort wieder eine Verbindung herzustellen, wo sie abgebrochen ist.

Das wird noch mehr betont, wenn wir singen:

Nun die Seele ist erstanden,
Christus ist für uns das Licht,
alltags ist sein Wort vorhanden
täglich Brot ist, was er spricht ...

Immer willst du bei uns bauen,
wenn wir deinem Wort vertrauen,
wie es lebt trotz Todesnacht,
wie es klingt, zu uns gesagt.

So ist es: Wir können ins Leben gerufen werden, zur Besinnung gerufen werden auf uns selbst in der Begegnung mit dem Leben und dem Wort Christi. Amen

(Das Liedzitat ist aus einem Lied von Grundtvig von 1836 aus dem dänischen Gesangbuch, Nr. 373, Str. 1 und 3), hier nach der Übersetzung der Grundtvigwerkstatt von 1983 wiedergegeben. Der dänische Originaltext lautet:

Nu står sjælen op af døde,
for os lyser Christus nu,
daglig kan vi Herren møde,
kommende hans røst i hu ...

Du er med os alle dag,
når vi dig på ordet tage,
som det lever, død til trods,
som det lyder, sagt til os.

Pfarrer Hanne Sander
Prins Valdemarsvej 62
DK-2820 Gentofte
Tel.: 39 65 52 72
e-mail: sa@km.dk


 


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