Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Christi Himmelfahrt, 29. Mai 2003
Predigt über Lukas 24, 44-53, verfaßt von Friedrich Weber
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

... aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters

Liebe Gemeinde!

Mit dem Fest der Himmelfahrt Christi konnte Friedrich II. wenig anfangen. 1773 ließ er es per Kabinettsbeschluss in Preußen abschaffen. Dass die Preußen 16 Jahre später wieder dieses Fest feiern durften, lag daran, dass nach Friedrichs Tod der englische Gesandte lächelnd fragte, ob die Allmacht Preußens wirklich bis in den Himmel reiche. Daraufhin wurde die Himmelfahrt Christi 1789 wieder per Kabinettsbeschluss genehmigt. Heute braucht es keiner Kabinettsorder mehr, um zumindest den Namen des Festes allmählich verschwinden zu lassen. Statt Himmelfahrtstag heißt es unter uns Vatertag. Sicher, auch dies ist ein Zeichen, dass viele Menschen mit diesem Fest im kirchlichen Sinne wenig anfangen können. Aber das hat Tradition, denn auch die frühe Christenheit feierte den Tag der Himmelfahrt Christi erst ab dem 4. Jahrhundert als selbständiges Fest. Zu selten - eigentlich nur bei Lukas - (Luk. 24 und Apg l) wird ausdrücklich von der Himmelfahrt Christi gesprochen.

40 Tage, so heißt es in der Apostelgeschichte l, sei der Auferstandene nach Ostern noch in leiblicher Gegenwart bei den Seinen. Am Ende des Lukas-Evangeliums heißt es: “Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel." (Luk. 24, 51) “Aufgefahren in den Himmel und sitzend zur Rechten Gottes", so bekennen wir Christen sonntäglich. So glauben wir es. Aber was hat es damit auf sich? Mit der scheinbaren Nebensache möchte ich beginnen, dem Hinweis auf die 40 Tage zwischen Ostern und Himmelfahrt, wie ihn nur Lukas überliefert. Ob diese Zahl zufällig gewählt wurde? Ist es nicht oft so, dass Zahlen in der Bibel einen tieferen Sinn haben?

Die Zahl drei beispielsweise weist auf die Trinität, die zehn auf die Gebote, die zwölf auf die Stämme Israels und die Jünger Jesu. Die Belege ließen sich noch erheblich verdichten.

Was hat es mit der Zahl 40 auf sich? - Ob wir uns erinnern?

40 Tage verwüstete die Sintflut die damals bewohnte Erde, vernichtete Mensch und Tier und ließ nur den Gott gehorsamen Noah, mit seiner Familie und den Tieren in der Arche zu einem neuen Anfang hin überleben.

40 Jahre war das Volk Israel in der Wüste unterwegs. Die Fleischtöpfe Ägyptens in goldener Erinnerung, Kanaan, das verheißene Land noch in dunkler Ferne. Wie oft brach Zweifel durch, wo Gewissheit hätte herrschen sollen. Aber diese 40 Jahre in der Wüste, in der Hitze des Tages und der Kälte der Nacht, in der Öde und Verlassenheit, ließen die Israeliten zu ihrem Glaubensbekenntnis finden: ,,Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein. Und du sollst den Herrn, deinen Gott lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft." (5. Mos. 6, 4 und 5).

40 Tage und Nächte war Moses auf dem Berg Sinai. Das. Volk betete währenddessen den goldenen Stier an, ehe er mit den 10 Geboten, dem Geschenk Gottes an sein Volk, der Bundesurkunde, zurückkehrte.

40 Jahre nahezu währte jeweils die Zeit der Herrschaft der Richter im alten Israel, Zeit des Gelingens und Versagens, und 40 Tage und Nächte war Jesus dem Versucher in der Einsamkeit der Wüste ausgesetzt, hat er das Leiden und die Anfechtung ausgekostet - Ob es deutlich wird?

Immer, wenn die Zahl 40 im Spiel ist, geht es um die Erprobung des Glaubens zwischen dem Erleben von Anfechtung und Gewissheit. Es geht um das Leben ohne Gott und um die neue Zuversicht auf Gott. Es gibt eben nicht nur in den Wüsten des Lebens das Versagen und Scheitern, sondern inmitten des Chaos von Angst und Not die gute und heilende Nähe Gottes.

40 Tage nach Ostern die Himmelfahrt Christi. Das könnte heißen: Der Glaube an den Auferstandenen hat mit dieser Wüstenwanderung zu tun. Mit einem Wandern zwischen dem Erleben eigener Hilflosigkeit und Gehaltenwerden, hat es zu tun, mit dem Verzweifeln und dem Geborgensein, mit dem Fallen und dem Aufgefangenwerden. Der Glaube an den Auferstandenen hat es zu tun mit diesem Wechselbad von Tag und Nacht, von Hoffnung und Verzweiflung, von Anfechtung und Befreiung. Zwischen Ostern und Himmelfahrt lag für die Jünger damals der Weg von Jerusalem nach Emmaus, ein Weg der Enttäuschung und der Verlorenheit. Der Weg zurück aus dem Leben mit Jesus in die Traurigkeit des Lebens ohne ihn. Es lag aber auch auf diesem Weg die Wandlung, die Erfahrung, dass da einer ist, ganz plötzlich, unversehens, der sie an seine Hand nimmt, mit ihnen geht, sie vorsichtig, behutsam aus der Trauer in die Freude, aus der Resignation in die neue Zukunft leitet. Nur, und das ist das Neue, das Andere, nach den 40 Tagen, nach diesem Datum der Himmelfahrt, müssen seine Jünger alleine laufen lernen.

Himmelfahrt, so sagte ein Kollege, ist der Termin der Konfirmation der Kirche. Überspitzt meinte er das, denn Konfirmation heißt ja nun nicht unbedingt, dass die Kirche nun in allem genau Bescheid weiß, dass unsere Kirche nun ganz unangefochten ihren Weg des Glaubens gehen könne, womöglich nun alles wisse. Konfirmation heißt ja in Wirklichkeit nichts anderes, als dass man nun alleine geht, eigene Schritte tut, dabei aber auch um die Gefahr des Scheiterns weiß. Himmelfahrt Christi, so wie sie nur an diesen wenigen Stellen im Neuen Testament geschildert wird, will darum deutlich machen: Jetzt müsst ihr euren Weg als Kirche auch alleine gehen können. Euren Weg des Glaubens, euren Weg zwischen Scheitern und Gelingen, euren Weg zwischen Fülle und Leere.

Die Zyniker und Spötter, die das risikoreiche Handeln in Kriegszeiten mit dem Ausdruck 'Himmelfahrtskommando' belegten, womit sie meinten, dass ein falscher Schritt einem gewissermaßen in den Himmel katapultieren, also umbringen könne, haben gerade mit dieser Bezeichnung des Lebensrisikos als Himmelfahrtskommando etwas Wichtiges erkannt. Christliches Leben, so möchte ich den Zusammenhang sehen, steht unter dem Kommando dessen, der zum Himmel gefahren ist. Es steht unter dem Befehl und Auftrag dessen, der zum Vater zurückkehrt, der damit zugleich die Grenzen, die ihm bisher gesetzt waren, in seinem Volk Israel und jener alten Welt überschreitet, sie weit hinter sich lässt, und seinen Einfluss nun auf alle, alle Menschen dieser Schöpfung ausdehnt. Unter dem Anspruch dieses Herrn stehen Christen mit ihrem ganzen Leben. Insofern bilden sie ein Himmelfahrtskommando, als sie auf den zum Himmel Gefahrenen hören. Ihr Leben ist nicht mehr der Zufälligkeit ausgeliefert, ihr Wandel nicht der Willkür eigenen Ermessens, ihr Handeln nicht der Beliebigkeit der jeweiligen Situation, sondern in dem allen stehen sie unter dem Wort ihres Herrn. Dabei wissen sie allerdings, dass sie dieser Herr nicht nur in Anspruch nimmt, schon gar nicht sie durch diese Welt kommandiert, sondern dass in allem Anspruch zugleich sein Zuspruch mitklingt.

Es ist so, wie es der Beter des 23. Psalms betet: “Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal" - Zeit des Anspruchs, Zeit des Himmelfahrtskommandos -, “so fürchte ich doch kein Unglück, denn du bist bei mir." Großartiger kann das keiner sagen, verständlicher wohl auch nicht. Das muss so stehen bleiben, so nachgesprochen werden, so geglaubt werden. Wann? Immer dann, wenn uns der Weg in dieser Welt schwer wird, wenn wir zwischen Hoffen und Bangen im Krankenhaus liegen und der Diagnose entgegensehen, wenn wir in der Schule nicht mehr weiter wissen. Auch dann, wenn uns die Zeugnisse, die in 6 Wochen bevorstehen, mehr Angst als Freude bereiten.

,,Finsteres Tal" aber auch im Großen. Denken wir daran, dass immer noch Gewalt und Ungerechtigkeit regieren, da wo Liebe und Frieden herrschen könnten. Aber es gilt: ,,... fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir." Der auferstandene und zum Himmel gefahrene Christus ist bei uns alle Zeit und überall.

Manchmal berichten mir Gemeindemitglieder davon, dass sie von diesem Christus und seinem Heil so gar nichts mehr spüren können in ihrem Leben, dass sie glauben wollen, aber nicht können, dass sie vertrauen möchten, aber nur Verzagen in sich finden, dass der Himmel über ihnen gleichsam verschlossen ist, dass sie wie unter einer Wolkendecke leben. Wir haben es ja im Frühjahr erlebt, was das heißt, wenn die Sonne nicht mehr scheinen mag über Wochen hin. So sieht es mitunter im Menschen aus. Solchen Menschen kann ich dann nur sagen: So, wie hinter der verschlossenen Wolkendecke die Sonne scheint, so und noch viel heller steht der Auferstandene hinter und über deinem Leben. Nicht alles ist im Moment immer verständlich, nicht alles scheint aufzugehen, vieles bleibt im Widerspruch bestehen und doch, der Himmel über dir ist offen und in diesem Himmel, in dieser wunderbaren Welt Gottes, ist einer ganz und gar für dich da.

“Aufgefahren in den Himmel und sitzend zur Rechten Gottes". Die Jünger damals haben es deutlich gespürt, vielleicht sogar zunächst darunter gelitten: Die Zeit der irdischen Gegenwart, der leiblichen Gegenwart Jesu ist zu Ende. Sie sind nun ein Stück alleingelassen auf dieser Erde aber sie wissen: dieses Ende ist ein neuer Anfang. Sie selber sind nun unterwegs auf seinen Befehl hin. Unterwegs bis an die Enden der Erde um Zeugnis zu geben all denen, die von ihm noch nichts wissen. Wenn ihnen dabei und davor bang wurde, dann erinnerten sie sich, dass er ihnen gesagt hatte: “Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und meine Zeugen sein." (Apg l) Ob das nicht auch uns gilt? Natürlich gilt das auch uns. Auch wir brauchen nicht in einen leeren Himmel zu starren. Auch wir wissen, Christus ist dort, aber nicht nur dort, sondern in seinem Wort und Sakrament überall da, wo wir Christen ihm nachzufolgen suchen. Darum, alleine darum, sind wir Menschen, die Hoffnung haben für diese Welt, die sich an ihr freuen können und dankbar sind, dass sie diese Freude, die in Christus ihren Grund hat, weitersagen und weiterleben dürfen.

Amen

Landesbischof. Dr. Friedrich Weber
Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig
E-Mail: landesbischof@luth-braunschweig.de

 

 

 


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