Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Christi Himmelfahrt, 29. Mai 2003
Predigt über Lukas 24, 44-53 (Konfirmation), verfaßt von Jørgen Demant (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

Die meisten von uns kennen den Ausdruck, man ist "im siebten Himmel".

Besseres kann man sich nicht wünschen. Im siebten Himmel sein heißt, sich in einem Zustand der Verrückung befinden. Man ist sich selbst entrückt. Aus einer Wirklichkeit, die einengt, einschnürt, zu kurz wird. Man ist in eine andere Welt versetzt, wo sich alles ausweitet wie eine Unendlichkeit von Glück, wie eine Ewigkeit von Zeit, wie wenn das Gute ewig währt.

Vielleicht fühlt sich der eine oder andere heute so, weil man vor Freude darüber strahlen darf, im Mittelpunkt zu stehen, Gegenstand der Freude, Bewunderung und der Dankbarkeit anderer zu sein. Vielleicht werden andere das erst später empfinden, wenn man sich zu Tische gesetzt und ein paar Gläser Wein getrunken hat und sich im Schoß der Familie oder unter Freunden wohlfühlt. Das heißt im siebten Himmel sein.

Im siebten Himmel sein heißt die vorbehaltlose Freude des Lebens, die Schönheit des Lebens, die Barmherzigkeit des Lebens spüren.

Wenn ich vom Zustand des siebten Himmels rede, dann nicht nur, weil er sich heute im Laufe des Tages einstellen könnte, sondern vor allem deshalb, weil wir heute den Himmelfahrtstag feiern. Wir haben die Erzählung vom Abschied Jesu von seinen Jüngern und von seiner Himmelfahrt gehört. Die Lebensgeschichte Jesu ist sozusagen fertig mit der Himmelfahrt. Jedenfalls die irdische Lebensgeschichte. Die Geschichte, die Weihnachten begann, als er in einem Stall in Bethlehem geboren wurde. Man nannte ihn den himmlischen Königssohn. Was für die Welt gut ist, kommt vom Himmel. Von Weihnachten bis Ostern hören wir dann die Geschichte von seinem Leben auf Erden. Wer er war, was er tat, wie er starb und auferstand. Aber hier kann die Geschichte nicht enden. Der himmlische Königssohn muß sozusagen dorthin zurückkehren, wo er herkommt: in den Himmel. Das feiern wir heute.

Der Ring schließt sich. Heute bekennen die Konfirmanden diesen für uns irdische Menschen so merkwürdigen Tag mit den Worten: aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters. Der Ring schließt sich. Aber bedeutet das auch: Nun hat der Himmel seine Lebensgeschichte gezeigt, und nun ist die Tür zum Himmel wieder zu? Er zeigte sich 33 Jahre lang vor ein paar Tausend Jahren, an einem Ort im mittleren Osten. Das ist ja eine interessante Geschichte. Für Historiker, die von einem palästinensichen Volk im römischen Reich erzählen wollen. Für Archäologen, die den Ort finden wollen, wo Jesus zum Himmel fuhr. Für Gesellschaftswissenschaftler, die das Verhältnis zwischen Palästinensern und Juden erforschen wollen. Es gibt Leute, die so denken.

Aber wir sitzen hier heute weder als Historiker, Archäologen noch als Gesellschaftswissenschaftler, um von dieser Lebensgeschichte zu hören, deren Ring sich an Himmelfahrt geschlossen hat. Wir sitzen hier wohl, weil diese Lebensgeschichte auch aus dem Abstand von 2000 Jahren zu unseren Herzen spricht. Wir sitzen hier wohl, weil Ihr als Eltern euch dazu bekennt, daß ihr mit dieser Lebensgeschichte verbunden seid. Deshalb habt ihr eure Kinder taufen lassen. Diese Geschichte gehört mit zu unserer Geschichte. Zu unserer Kultur, unserer Tradition, unseren Werten.

Wir sitzen hier wohl, weil wir den Wunsch der Konfirmanden respektieren, sich zu dieser Lebensgeschichte zu bekennen, weil sie je in ihrer Weise vielleicht fühlen, daß sie sich in dieser Geschichte wiederfinden können.

Und das können wir nur, weil die Lebensgeschichte Jesu einen Abschluß hat, der Himmelfahrt heißt. Daß seine Lebensgeschichte nicht nur mit einem Land verbunden ist, das etwa so groß ist wie Jütland, sondern mit der ganzen Welt. Aufgefahren in den Himmel, sitzend zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters - so kann diese Lebensgeschichte über die ganze Erde leuchten. Sie kann überall sein - von Jerusalem bis nach Svalbard, von Tokio bis nach Paris.

Sitzend im Himmel - so können wir nun immer selbst in den siebten Himmel kommen, oder auf einer rosa Wolke sitzen. Das tun wir u.a. im Gebet - wo wir beten: Gib uns den Himmel. Gib uns deinen Segen. Denn Christus ist dort zusammen mit Gott. Er kann seinen siebten Himmel hier als Zeichen des siebten Himmels herbringen: im Evangelium, das wir hören, durch die Taufe, durch die Konfirmation, die Hochzeit, bei der Beerdigung. Bei solchen Anlässen merken wir, daß Erde und Himmel einander nahe gekommen sind. Daß unsere Lebensgeschichte mit der Lebensgeschichte Jesu zusammengebracht wird. Die irdische Lebensgeschichte Jesu wurde in den Himmel eingeschrieben als Geschichte Gottes - und deshalb können wir uns in ihr wiederfinden.

Diese Begegnung zwischen Himmel und Erde nennen wir einen Segen. Als Jesus die Erde verließ, segnete er die Jünger. Und dieser Segen ist eines der wichtigsten Zeichen der Gegenwart Gottes unter uns geworden.

Und wie gesagt, wir werden nun das ganze Leben lang gesegnet: Es beginnt mit der Taufe, wo Gott uns als Kinder segnet. Was ist das für ein siebter Himmel, in den das Kind durch die Taufe kommt? Daß man Gott seinen Vater nennen darf! Wer kennt nicht das Glück, mit seinem Vater oder auch seiner Mutter zusammensein zu dürfen, die Geborgenheit zu merken, wenn die Eltern da sind und man mit ihnen zusammen ist: Man fühlt sich zuhause, wird von Armen der Geborgenheit getragen, wird auf dem Weg begleitet und merkt eine große warme Hand, die einen hält. Man sitzt auf der Schulter, hat Aussicht über die ganze Welt und denkt: Ja, das ist meine Welt, wie groß und schön ist sie! Das ist der Segen Nr. 1.

Im Segen Nr. 2 sind wir schon mitten drin, oder im Auftakt zu ihm. Gleich kommen die Konfirmanden zum Altar, sprechen das Glaubensbekenntnis, werden gesegnet mit den Worten: Gott stärke deinen Glauben und gebe dir Hoffnung. Wir beten darum, daß ihr nun so sehr an das Leben und seine Möglichkeiten glaubt, daß ihr es wagt, den eigenen Weg zu gehen. Daß die Hoffnung auf den Reichtum und die Schönheit des Lebens euch nicht genommen wird. Bei der Konfirmation gesegnet werden heißt, daß man an der Verheißung Gottes von einer hellen und offenen Zukunft festhalten kann.

Gesegnet werden heißt begleitet werden auf dem Weg. Eines Tages trefft ihr vielleicht den, der euch begleiten kann, bis daß der Tod euch scheidet. Bei der Hochzeit erbeten wir den Segen über den Übergang im Leben, wo wir aus einem Leben allein übergehen zu einem Leben zu zweit. Ein Segen, den man mit Leib und Seele spürt: Zwei Verliebte, die Hand in Hand ihren Weg gehen. Zwei Körper, die einander schützen. Daß man miteinander verbunden ist in einer Schicksalsgemeinschaft um Kinder, Familie, Arbeit. Mit all dem, was das bedeutet an hellen und guten Tagen - und all den Tagen, wo man am liebsten von allem weglaufen möchte.

Der Segen in einer Partnerschaft kommt nicht immer von der Liebe, die man hat, sondern daher, daß man sie gemeinsam kennenlernt. Romantische Liebe, auf einer rosa Wolke schweben - das erlebt man, aber man lebt nicht davon. Man lebt von der Liebe, die tiefer wird und wächst. Die Liebe, die man kennenlernt durch das gelebte Leben. Bis der Tod einen Trennstrich zieht durch der Liebe, die so viel Segen brachte, daß man sich gar kein Leben ohne den anderen vorstellen konnte, die Liebe wird verwandelt in die Trauer der Liebe, die ja gerade daher kommt, daß man sehr geliebt hat.

Wir feiern die Himmelfahrt Christi, um uns gemeinsam an die Segnungen unseres Lebens zu erinnern. Christus segnet uns vom siebten Himmel. Er läßt seine Sonne und seinen Himmel leuchten über uns mit Gnade, Liebe und Barmherzigkeit. Amen

Pfarrer Jørgen Demant
Hjortekærsvej 74
DK-45 88 40 Lyngby
Tel.: ++ 45 - 45 88 40 75
email: j.demant@wanadoo.dk

 


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