|
6. Sonntag
nach Trinitatis, 27. Juli 2003
Predigt über Matthäus 28, 16-20, verfaßt von Karl W. Rennstich (-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de) |
Dogmatische und homiletische Entscheidung Liebe Gemeinde! Der junge Missionar war viel unterwegs auf schlechten Strassen. Oft hatte das Auto eine Panne. Reifenwechseln war die Regel. Doch immer wenn die Reifen gewechselt werden mussten, setzten sich die einheimischen Mitfahrer unter einen Baum und ließen den jungen Missionar allein in der Hitze arbeiten. Der Missionar wollte niemand verletzen und dachte, wenn die Leute mir helfen wollten, dann würden sie es tun. Er sagte deshalb kein Wort, sondern ärgerte sich nur. Eines Tages platzte ihm nach dem zweiten Reifenwechsel dann doch der Kragen und erschimpfte voller Zorn in seiner Heimatsprache – Schwäbisch! Die Leute konnten zwar die Worte nicht verstehen, sehr wohl aber, dass der Missionar wütend war. Warum er denn so zornig sei, erkundigte sich ein älterer Mitfahrer sehr besorgt. Als der junge Missionar den Grund seines Zorns erklärte und vorwurfsvoll hinzufügte: »Ihr wollt immer bloß mitfahren, aber nie helft ihr mir. Ich finde das nicht schön« brachte ihn die Antwort des alten Mannes aus dem Gleichgewicht: »Du hast uns ja noch nie gebeten, dir zu helfen«. Damals lernte der junge Missionar die wichtigste Lektion seines Lebens: Wer nicht bittet, kann nicht erwarten, dass Menschen und Gott ihm helfen. Von diesem Augenblick an musste der junge Missionar seine Reifen nie mehr allein wechseln. Die Mission Jesu beginnt immer mit der Bekehrung des Missionars. Das musste Petrus lernen und Paulus und nach ihnen alle anderen Missionare bis zum heutigen Tag. Hingehende Missionare im Sinne Jesu unterscheiden sich grundsätzlich von solchen, die ein Missionsbewusstsein an den Tag legen und stolz auf alle Hilfe verzichten. Die Arroganz ist die Erstgeborene der Dummheit und macht den Menschen unfähig zu lernen. Der Dumme weiß ja schon alles! Hingehende Missionare im Sine Jesu sind lernbegierige, fragende Menschen. Ihr wichtigster Satz ist: Was ist das? Religion ist Rückversicherung der Mächtigen. Soziale Gerechtigkeit im Namen Gottes war ursprünglich frohe Botschaft (Evangelium) für die Armen, sowohl in der christlichen als auch islamischen Glaubensbewegung. Es war deren religiöses Kennzeichen. Heute ist es ein Fremdwort bei vielen wohlhabenden und mächtigen Muslimen und Christen geworden. Unaufhaltbar erobert eine neue Kultur, die im Westen ihren Ausgang nahm, einer ganzen Welt. Ein Kennzeichen dieser neuen Kultur ist der mit religiösen Weihen geheiligte Egoismus. Der rigide Individualismus zeigt uns heute aber deutlich die Grenze unseres Seins. Wir haben die Freiheit halbiert, indem wir die Erinnerung entsorgten, dass zu den Maximen der Aufklärung neben Freiheit und Gleichheit auch Brüderlichkeit gehören sollte. Das wiederum sind die Grundwerte christlicher Freiheit nach dem Galaterbrief, der an die Kelten geschrieben wurde. So ist es nach Leonard Ragaz eigentlich selbstverständlich, dass die Französische Revolution im von Kelten bewohnten Frankreich ihren Ausgang nehmen musste. Die Folgen des Verlustes dieser dreifachen Freiheit von Gleichheit, Brüderlichkeit und Solidarität seien, meint der amerikanische Philosoph Dworkins, die Zunahme von Ungleichheit, die Aushöhlung des Gemeinsinns. Das autonome, (seiner!) Natur und der Gemeinschaft entfremdete Ich der neuzeitlichen Subjektivität, die nur das Rechnen und Machen gelten lässt, sei mit seinem Herrschaftswillen an die Grenze zur Selbstzerstörung gelangt. Die Kirche der ersten 300 Jahre war eine Kirche von Märtyrern. Es war von größter Bedeutung für das Überleben der Kirche, dass Christen und die Institution Kirche ihren Glauben im Sinne Jesu lebten. Die Kirche hatte keinen staatlichen Schutz. Sie war sich bewusst, dass sie eine Minderheit war. Doch diese Minderheit forderte immer wieder den Staat heraus. Der Untergang des heidnischen Reiches, der damit verbundene »Sieg des Christentums« und die Entstehung der christlichen Zivilisation hatte aber im Laufe der Zeit auch die fatale Konsequenzen, dass die Kirche ihre Macht missbrauchte. Viele Menschen wurden Christen, um an der Macht- und nicht an dem Weg Jesu- zu partizipieren. Der Glaube wurde zur billigen Gnade. Hoffnungslos ist heute nun wiederum der Staat oft religiösen Fanatikern oder nationalen Bewegungen ausgeliefert. Rücksichtslos greift die wirtschaftliche Ausbeutung um sich. Der Staat scheint immer mehr zum Selbstbedienungsladen für die Mächtigen zu werden. Was kann, was soll die Kirche tun? Die » Bekehrung der Kirche« hin zu Christus ist ihre wichtigste Arbeit, weil die Kirche nur so der Welt helfen kann. Wo der Glaube heute lebt- die dritte Kirche Ohne die moderne Missionsbewegung wäre das ökumenische Bewusstsein nicht möglich geworden, auch wenn nur ganz wenige westliche christliche Theologen es vorauszusehen vermochten. Heil, Heilung und heilende Gemeinschaft Den Zusammenhang von Heil und Heilung in der Wirklichkeit des afrikanischen (und darüber hinaus allen Lebens in der Welt) beschreibt Pfarrer Emanuel N. Arnim vom Nsawam- Heilungszentrum in Ghana. Sein Weg war keineswegs selbstverständlich. Er selber erzählt diese Entwicklung so: » Seit meiner Jugend geschah es, dass immer, wenn ich für die Kranken betete, diese allmählich Heilung erfuhren. Die Kraft zu heilen wurde sichtbar als der Herr mich dazu gebrauchte, meine Frau von Herzproblemen zu heilen. Meine Frau träumte, jemand hätte ihr mit einem Gewehr ins Herz geschossen. Wenige Tage später wurde der Traum zur Wirklichkeit. Weder einheimische Heilkräuter noch wissenschaftliche Medizin konnten ihr helfen. Vier Krankenhäuser, das Missionskrankenhaus in Agogo eingeschlossen, konnten die Krankheit nicht diagnostizieren. Immer wenn sie Essen zu sich nahm, das Salz enthielt, wurde die Krankheit so schlimm, dass sie die ganze Nacht aufrecht sitzen musste. Als ich am Trinity College studierte, befahl mir der Herr heimzugehen und sie mit Salz zu heilen. Ich gab ihr Salzlösungen, und nachdem sie getrunken hatte, war sie sofort geheilt. Das geschah 1980, und seither ist sie frei von ihrer Herzkrankheit«. Als Emanuel Anim als Gemeindepfarrer in den Kwahu- Bergen tätig war, wurde er von Gott berufen, zwei sterbenskranke Menschen mit Wasser und Salz zu heilen. Als diese entgegen ärztlicher Erwartung gesund wurden, verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Die Leute kamen in ihrer Not zu ihm. Seither sind unzähliche Menschen von allen erdenklichen Krankheiten und Leiden befreit worden. Alle Heilungen sind eingebettet in den Gottesdienst. Heilung umfasst den Menschen in körperlicher und geistig- seelischer Hinsicht. Deshalb sieht auch Pfarrer Anim in einem Dieb oder einem Alkoholiker ebenso eine Heilungsbedürftigen wie in einem körperlich oder seelisch kranken Menschen. Das Ziel der Heilung ist eine Veränderung des gesamten Lebens in der Verbindung mit Jesus. Hinter Pfarrer Anim stehen 22 Gemeindeglieder, die an jedem Freitag mit ihm heilen, beten und helfen. Pfarrer Anim spricht von zwei Arten der Heilung: »Die eine geschieht, wenn man Arznei und Heilpflanzen gebraucht. Gott gibt den Menschen den Verstand, um gewisse Geheimnisse zu erforschen und zu entdecken. Das ist der normale Weg einer Heilung. Daneben gibt es auch nach Anim Wunderheilung durch Gebete. Sie will Menschen helfen die Macht Gottes kennen zu lernen, damit sie wissen, dass Gott da ist, damit sie sein Wirken schätzen und seinen Namen verherrlichen«. Pfarrer Anim kennt aber auch die Gefahr des geistlichen Hochmuts und bekennt von sich: »Ich glaube«. Sagt er. »wenn ich prahlerisch werde, wird der Herr die Gabe der Heilung von mir nehmen. Ich möchte bescheiden bleiben und den Ruhm Jesus überlassen«. Amen Dogmatische und homiletische Entscheidung Das Evangelium kennt keine Grenzen. In der Geschichte der Ausbreitung
des christlichen Glaubens seit nunmehr 2000 Jahren begegnen uns Frauen
und Männer, die in ihrem Leben mühsam lernen mussten, geographische,
soziale, kulturelle und sprachliche Grenzen zu überschreiten. Als »Hauptsache Gottes« stellte sich für die junge muslimische Gemeinde der existentielle Kampf gegen diejenigen heraus, die den Islam verspotteten, ablehnten, seine Entwicklung behinderten und ihn sogar aktiv bekämpften: die Mekkaer. Im jihad kämpfte die umma, die muslimische Gemeinde gegen die Versuchung. Auch die Buddhisten haben einen solchen Auftrag. Der Buddhismus fragt
nach dem Werden des Menschen. Der Mensch ist in erster Linie ein „Ereignis";
er stehe in einem Prozeß. Wichtig sind die Handlungen des Menschen.
Menschen sind, was sie aus sich machen können, durch die Ausübung
ihrer eigenen Freiheit und Anstrengung. Dharma ist Inbegriff der natürlichen
wie der sittlichen Weltordnung. Die Evidenz des ethischen Maßstabes
erkennt der Mensch an dem erfahrbaren Zusammenhang von Tat und Folge.
Den Gesellschaftsbezug der Buddhalehre begründet der buddhistische
Lehrer Jayatilleke aus dem buddhistischen "Missionsbefehl",
der Aussendungsrede Buddhas, in der Buddha die Mönche auffordert: Sowohl Ferdinand Hahn als auch Martin Hengel kommen in ihren Untersuchungen über
Urchristentum und Mission zum Ergebnis, dass die Urchristenheit
eine missionierende Kirche gewesen ist und die gesamte Verkündigung, die Lehre und das Handeln
dem Ziel der Weitergabe des Glaubens untergeordnet war. Einen einheitlichen
Begriff »Mission« gibt es im Neuen Testament nicht, sondern wir
haben nach Rudolf Pesch eine mindestens hundert Begriffe umfassende Terminologie
im Neuen Testament zur Beschreibung der Mission. Prof. Dr. Karl W. Rennstich
|
(zurück zum Seitenanfang) |