Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

9. Sonntag nach Trinitatis, 17. August 2003
Predigt über Matthäus 25,14-30, verfaßt von Friedrich Malkemus
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

Liebe Gemeinde!

In diesen hochsommerlichen Tagen erholen sich viele Menschen an den Stränden und Ufern der Seen und der Meere.
Die Sandstrände sind besonders beliebt. Die Kinder und die Erwachsenen auch nützen diese Gelegenheit, den schönen beweglichen Sand zu formen. Phantastisch, welche Gestaltungskraft in den Erwachsenen und schon in den Kindern vorhanden ist! Eine Vielfalt von Burgen entsteht, Kanäle und Wasserfälle, Straßen und Häuser.
Ausgangspunkt aller Sandburgen und Bauten ist bloß der Sand, die eigene Phantasie und der freudige Gestaltungswille. - Und was kommt dabei heraus? Manche bauen so eindrucksvoll, dass Leute stehen bleiben, um zu staunen oder sogar mitzuhelfen.
Andere jedoch buddeln sich ganz einfach ein, umgeben sich mit einem Wall und liegen da drinnen in der Grube. Sie wollen geschützt sein vor den Einblicken der Menschen und dem brennenden Zugriff der Sonne. Sie ziehen sich zurück.
Aber die ersteren erfreuen sich und die Übrigen an dem Gelingen eines schönen Werkes.

So verstehe ich Jesu Gleichnis von den anvertrauten Talenten: Der eine versucht aus dem ihm Anvertrauten etwas Nützlich und Förderliches zu machen und bleibt dabei nicht ergebnislos. Der Andere vergräbt das ihm geliehene Gut und ruht nutz- und ergebnislos.
- Am Strand gibt es bestimmt eine ganz besonders gut gelungene Stadt- oder Burganlage aus Sand, die Aufsehen erregt. Aber da sind auch die vielen anderen Versuche, die gut gewollt, aber nich ganz so berühmt gelungen sind.

Was hast du gemacht aus dem dir anvertrauten Gut in deinem Leben? Denn das ist in unserem Gleichnis ganz deutlich. Der Herr gibt jedem eine Gabe. Keinem gibt er alle Gaben, keiner geht leer aus. Jawohl, jeder ist von dem Herrn begabt worden. Keiner darf herumstehen und mürrisch sagen: ich habe nichts, ich bin nichts, ich kann garnichts. Hier widerspricht Jesus und sagt: Auch du hast von Gott dir zugewiesene Gaben, du bist wertvoll und du bist geachtet vom Schöpfer her. Du kannst aus deinem Leben für dich, für die Mitmenschen, für deinen Schöpfer sehr wohl Nützliches tun ganz unbestritten.-Überlege nur eine Weile und entdecke deinen besonderen Beitrag in deinem einmaligen Leben. Suche auch nach dem Anfang für den nächsten Schritt!

Die Geringschätzung des eigenen Vermögens ist keine neutestamentliche Erfindung. Im Gegenteil, der Blick des Herrn erreicht jeden, gerade auch den am Wegesrand des pulsierenden Lebens: den Blinden, den Aussätzigen, die Lahmen, die Ausländer. Auf sie geht Jesus zu heilend und versöhnend und führt die sogenannten Randexistenzen wieder in die Mitte der Aufmerksamkeit und damit in die Gesellschaft.

Und was haben nun wir selbst damit zu tun? Nun wir übernehmen Jesu Denk- und Sichtweise. Im Blick auf uns selbst lernen wir hier: Auch uns sind von Gott herkommende Gaben zugeteilt. Mit ihnen können wir unseren Beitrag im Leben gestalten in einer für uns, aber auch für die Mitmenschen sehr nützlichen Weise. Gott sortiert uns nicht nach Intelligenzstufen. Er hat nicht vorgesehen, dass wir alle zu den Hochbegabten gerechnet werden, aber auf jeden Fall zu den Begabten. Bei diesen sind alle dabei! Wenn der alte Mensch nicht mehr gehen, aber durchaus noch gut lesen kann, dann kann es jetzt sein spezieller Beitrag sein, vom Gelesenen weiterzuerzählen und andere zu erfreuen.
Eine neunzig Jahre alte Frau hatte alle 14 Tage ein Gedicht auswendig erlernt und dann mit Freude anderen Leuten vorgetragen! Auch die nach menschlichen Vorstellungen geringen Begabungen sind Gaben, die es zu nutzen gilt. Ich kann und darf nie von einem anderen Menschen sagen: Dieser kann nichts! Der taugt nichts. Den kannst du vergessen!

Hier in der Nähe in Schwalmstadt Treysa im Hessischen Diakoniezentrum werden mehrfach Behinderte duch heilpädagogische Begleitung gefördert in ihrer modernen und schön gestalteten Station. Wenn hier eine seine Klötzchen auf dem Tisch sortiert und aufbaut und dabei große Freude hat und äußert, dann ist das zweifellos seine ihm eigene Gabe. Es ist sein Talent über ganz, ganz kleine Fortschritte ganz große Freude zu haben. Er ist eine eindrucksvolle Ermutigung für die Missmutigen, Undankbaren und Lustlosen.- Gott gibt keinen auf und will, dass du dich und andere auch nicht aufgibst.-

Wenn der Herr kommt und Rechenschaft fordert, dann will ernicht, dass einer kommt und sagt: Ich habe ja nichts gekonnt und darum nichts gewollt. Ich bin mir selbst halt genug! - Die Härte der Verantwortung wird hier sehr betont für jeden. Widersprechen wir allen Versuchungen zum Fatalismus, allen Geringschätzungen der eigenen oder anderen Personen. Jeder hat nach seiner Dynamik Kräfte bekommen, Gottesgaben! Mit ihnen kann jeder mittun!

Ziel des Gleichnisses ist die frohe Gemeinschaft am Tisch des Herrn, alle schön beeinander und nebeneinander. Hier leidet niemand an Minderwertigkeitskomplexen, jeder ist froh über seine Teilhabe am Reichtum der Güte Gottes.

Amen.

 

Liedvorschlag:
EG 295 Wohl denen, die da wandeln...
EG 302 Du meine Seele singe
EG 419 Hilf Herr meines Lebens

Gebet (aus den Liturgieentwürfen 36 der Beratungsstelle für Gottesdienstgestaltung der Kirchen von Hessen und Nassau 1982):

Herr, du hast gesagt:
Wem viel gegeben ist,
von dem wird man auch viel erwarten.
Wir danken dir für alles,
was du gibst,
und denken nach,
was du von uns erwartest:

  • wenn wir gesund sind an Leib und Seele,
    dass wir an die Kranken denken;
  • wenn wir Arbeit, Wohnung, Kleidung und Nahrung haben,
    dass wir das alles nicht selbstverständlich finden;
  • wenn wir genug Geld haben,
    dass wir davon abgeben;
  • dass frische Luft und klares Wasser auch noch Kindeskinder
    atmen und trinken können;
  • dass wir den Frieden und unsere Freiheit entwickeln, nicht verspielen
    und uns selbst einsetzen für die Rechte der anderen;
  • dass wir Ehepartner, Kinder, Eltern, Familie und Freundschaft
    als Geschenk des Himmels ansehen und nicht als Besitz betrachten.

Herr, einem jeden von uns hast du Talente anvertraut,
damit wir sie füreinander einsetzen können. Amen

Kirchenrat Friedrich Malkemus,
Dekan i. R.,
Wolfgang Zeller - Straße 13
Schwalmstadt - Ziegenhain
Tel. 0 66 91 / 7 16 42
Fax. 0 66 91 / 92 84 06


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