Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

20. Sonntag nach Trinitatis, 2. November 2003
Predigt übe
r Markus 10, 2-12, verfaßt von Christine Hubka
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Pharisäer traten zu Jesus und fragten ihn, ob ein Mann sich scheiden dürfe von seiner Frau; und sie versuchten ihn damit.
Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Was hat euch Mose geboten?
Sie sprachen: Mose hat zugelassen, einen Scheidebrief zu schreiben und sich zu scheiden.
Jesus aber sprach zu ihnen: Um eures Herzens Härte willen hat er euch dieses Gebot geschrieben;
aber von Beginn der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau.
Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen,
und die zwei werden ein Fleisch sein. So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch.[A]
Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.
Und daheim fragten ihn abermals seine Jünger danach.
Und er sprach zu ihnen: Wer sich scheidet von seiner Frau und heiratet eine andere, der bricht ihr gegenüber die Ehe;
und wenn sich eine Frau scheidet von ihrem Mann und heiratet einen andern, bricht sie ihre Ehe. Mk 10, 2 – 12

Neulich hab ich eine Familie kennen gelernt.
Eine richtig glückliche Familie.
Mutter, Vater und 3 Kinder.
Sie heißen
Gisi, Geri, Gini, Glubsch und Gugu.
Warum die so seltsame Namen haben,
die alle mit dem Buchstaben G beginnen?

Diese Familie findet ihr Glück
und pflegt ihre Gemeinschaft im Gasometer.
Aus ihrem Plakatkasten strahlen sie alle an,
die dort hineingehen.

Wie gesagt,
sie sind sehr glücklich.
Da macht es auch nichts,
wenn Papa Geri
manchmal lieber allein shoppen geht,
weil ihm seine Familie zu anstrengend wird.

Da ist ja dann immer noch Mama Gisi.
Von ihr erfahren wir,
dass sie zuständig ist für die schwierige Balance
zwischen Familien – Management
und eigenen Wünschen.

Was wir nicht erfahren:
Was wird passieren,
wenn Mama Gisi diese schwierige Balance
eines Tages nicht mehr schafft.
Wenn sie nicht mehr so strahlend von ihrem Platz
am Plakat und in dieser Bilderbuch Familie
herunter lächelt.
Was passiert, wenn auch ihr die Familie zu anstrengend wird.

Was passiert,
wenn Papa Geri auf seinem alleinsamen
Einkaufsbummel eine nette Gundula trifft,
die ausgeruht und unbelastet
und ganz und gar in Balance ist.

Wenn das passiert
könnte man meinen ist es entscheidend,
dass Papa Geri evangelisch ist.
Denn so heißt es ja hierzulande:
Bei den Evangelischen
darf man sich scheiden lassen.
Und zwischen den Zeilen schwingen dann
noch zwei Gedanken mit:
Der erste Gedanke:
Man darf dann auch wieder heiraten.
Der zweite Gedanke:
bei den Katholischen darf man das nicht.

Es kann aber passieren,
dass jetzt noch ein Gedanke
ü ber die Evangelischen dazu kommt:
Bei den Evangelischen gilt,
was in der Bibel steht.

Und was in der Bibel steht,
haben wir gerade gehört.
Oder wie Jesus die Sache sieht.
Denn in seiner Bibel ist tatsächlich gestanden,
dass es einem Mann frei steht,
sich von seiner Frau zu trennen,
wenn -
ich zitiere aus dem 5. Buch Mose:
wenn der Mann etwas Hässliches
an seiner Frau findet.

Stellt euch jetzt bitte folgende Szene vor:
Mama Gina steht genervt in der Küche.
Ihre Kittelschürze ist voll Flecken von Gugus Abendessen.
Papa Geri kommt vom Single – Shopping nach Hause. Es wird ihm nicht schwer fallen,
etwas Hässliches an ihr zu finden.

Ich denke, wir sind uns einig,
dass es nicht schwer ist,
bei einem anderen Menschen
„ etwas Hässliches“ zu finden.
Egal in welcher Beziehung
man zu diesem Menschen steht.

Die einzige Ausnahme ist die Zeit,
der ersten Verliebtheit.
Nur in dieser Zeit
werden Gedichte geschrieben
Wie wir es im Hohelied Salomos lesen:

„Die Glut der Liebe ist feurig
...
sodass auch viele Wasser
die Liebe nicht auslöschen
und Ströme sie nicht ertränken können.“

Wasserströme vielleicht nicht –
Aber die Zeit und die Erfahrungen,
die wir miteinander machen.

Wenn wir einen anderen Menschen ansehen
und etwas Hässliches an ihm finden,
haben wir die Möglichkeit,
das ganz verschieden zu interpretieren:

Die Interpretation, die zur Zeit Jesu unter Ehemännern gängig war,
wird auch heute
in allen möglichen Beziehungen angewendet -
nicht nur unter Ehepartnern:

Da sieht einer etwas Hässliches bei
Der Mitarbeiterin
Bei der Ehefrau
Beim Vertragspartner
Bei der Schülerin
und sagt:
Du bist schuld.

Die andere Interpretation bietet Jesus an.
Es die unbequeme:
Er sagt:
Wenn du einen Menschen,
Mann oder Frau ansiehst,
und etwas Hässliches an ihm, an ihr findest,
und sagst: du bist schuld.
Du allein.
Wenn du das tust
leidest du an Hartherzigkeit.
Herzens Sklerose nennt es Jesus.

Die Bibel erzählt genug Trennungsgeschichten.
Ein haben wir gehört:
Wenn Abraham und Lot sich trennen,
geht der Bruch mitten durch eine Familie,
die bis dahin zusammen gelebt und gewirtschaftet hat.
Und doch ist in der Erzählung zu spüren,
dass hier Gottes Wille geschieht.
Weil Menschen sich trennen
Ohne den anderen hässlich zu machen.

Es ist mir wichtig, dass wir das festhalten:

Jesus geht aber in seiner Botschaft von Gott noch weiter:
Auch er betet mit dem Psalm heute morgen:
Gott heilt, die zerbrochenen Herzens sind,
und verbindet ihre Wunden.

Und er glaubt,
dass es kein zerbrochenes Herzen gibt,
und keine Wunden,
die Gott nicht heilen will und heilen kann.
Sein Leben – sein Umgang mit den Menschen,
erzählt das auf vielerlei Weise.

Darum können wir uns auf ihn berufen
Wenn in unserer Kirche Geschiedene wieder getraut und für eine neue Beziehung
gesegnet werden.
Weil wir in der Nachfolge Jesu daran festhalten,
dass Gott in jeder Situation
einen neuen Anfang schenkt.

Dafür sei ihm Lob und Preis in Ewigkeit.

Christine Hubka
christine.hubka@gmx.at

 


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