Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres, 9. November 2003
Predigt übe
r Lukas 17, 20-24, verfaßt von Anna Polckova (Slowakei)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Brüder, liebe Schwestern,

das Reich Gottes ist nach den Zeugnissen der Evangelien ein sehr dankbares Thema. Es scheint, dass sich die Menschen mit diesem Thema beschäftigen. Es ist aktuell. Johannes der Täufer spricht: Tut Busse, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Mt :3,2

Im dreizehnten Kapitel des Evangeliums nach Matthäus redet Jesus vom Reich Gottes in den Gleichnissen. Das Himmelreich gleicht dem Sämann, der den guten Samen auf seinen Acker säte, oder dem Senfkorn oder dem Sauerteig. Das Himmelreich gleicht dem Kaufmann, der die kostbarste Perle suchte oder dem Netz, das ins Meer geworfen ist.

Jesus formuliert über Reich Gottes keine Definitionen. Er redet sehr einfach - damit ihn alle Leute verstehen. Er verwendet keine theologische Terminologie. Das Himmelreich beschreibt er mit verschiedenen Bildern, analogischen Situationen, die allen Menschen vertraulich bekannt sind. Die Fülle der Gleichnisse bietet den Raum an, verschiedene Aspekte zu veranschaulichen. Am Ende der Rede interessiert Jesus: „Habt ihr verstanden?“ Ist euch das klar?

Es geht Ihm darum, dass die Leute wirklich verstehen. Zum Schluss der Gleichnissen in Mt.13 spricht er: „darum gleicht jeder Schriftgelehrte, der ein Jünger des Himmelreiches geworden ist, einem Hausvater, der aus dem Schatz Neues und Altes herholt.

Es ist sehr interessant, dass sich Jesus in unserem Predigttext sowohl an die Pharisäer als auch an die Jünger wendet. Natürlich will Jesus auch bei uns Interesse erwecken. Verstehen wir es?

Wir möchten gerne sagen: „Jesus, auch wir haben viele Fragen. Es würde uns Freude machen, wenn Du uns widmen könntest. Wir sind neugierig. Auch wir warten auf die Gleichnisse und die Leute , die uns das Himmelreich zugänglich machen können. Wir wollen verstehen.“

Es ist wichtig, die Entscheidung zu treffen - sich selbst klar zu machen, ob wir Jesus verstehen wollen.

Wir können Fragen stellen – aber manchmal ist uns die Antwort egal. Manchmal wird eine Frage zum Vorwurf. Und den kann man nicht beantworten.

Die Pharisäer stellen die Grundfrage: WANN kommt das Himmelreich? WANN wandelt sich Alles zum Guten? Das ist eine uralte Frage. Der Psalmist im 13. Psalm betet:

„Herr, wie lange willst du mich so ganz vergessen? Wie lange verbirgst du dein Antlitz vor mir? Wie lange soll ich sorgen in meiner Seele und mich ängstigen in meinem Herzen täglich? Wie lange soll ich mein Feind ueber mich erheben? WIE LANGE?“

Und Jesus reagiert. Wieder individuell. Er spricht jeden so an, je nach dem - was er braucht. Er spricht erst die Pharisäer und dann die Jünger an.

1. Die Fragen der Pharisäer sind nicht immer ganz klar. Und gar nicht zufällig.

Man muss den Hintergrund der Erwartungen von „ Gerechten“ in Jesu Zeit kennen.

Die Pharisäer sind Leute, die sich für Gott entschieden haben und den Willen Gottes suchten. Sie sind ehrwürdige Herren, die mit Gott viel zu tun haben, sich mit seinem Wort beschäftigen. Sie kennen Prophetenworte und glauben, dass Gott, der Gott Israels sich offenbart. Wenn Jesus wahrhaftig Gottes Sohn wäre, sollte er noch mehr von Gott wissen und sagen!

Wer von uns ist nicht wirklich neugierig, wann Gottes Reich kommt? Wem von uns liegt nicht daran, wann Gottes Wille geschieht und er die Sachen in Ordnung bringt? Sehnen wir uns nicht nach der Erlösung von Krankheiten und Verurteilungen oder nach der Freiheit von den Gewissensbissen und der Schuld und nach der Gerechtigkeit, die uns nicht zugestanden wurde?

Wer von uns sehnt sich nicht nach Gottes Segen? Auch wir, die uns bei Gottes Wort und beim Beten treffen, um Gottes Geborgenheit zu spüren, möchten noch mehr erfahren – und dann sagen und fragen wir mit den Pharisäer: - Herr, du sprichst, du heilst, du gibst Kraft, aber wann kommt das Himmelreich?-

Jesus ignoriert unsere Fragen nicht! Es kann sein, dass Er uns auf Antworten warten lässt. Auch Momente der Stille sind sehr nützlich. Sei dienen zur Erkennung, was und warum wir es eigentlich wissen wollen. Es ist manchmal schwierig, Gottes Stille zu ertragen. Aber wir können uns darauf verlassen, dass Gott uns nicht zwecklos warten lässt. Die Antwort an Pharisäer lautet: „Das Himmelreich ist mitten unter euch.“

Die Pharisäer sollen erfahren: „Liebe Brüder im Kirchenamt, im aktiven Dienst! Nicht alles kann man forschen. Ihr analysiert und sucht nach den Informationen. Das Himmelreich kann man mit eurer wissenschaftlichen Forschung nicht begründen. Versucht mal das Geschehen, die Umstände und die Wunder in neuen Zusammenhängen zu sehen. Wozu stellt ihr die Fragen? Interessiert ihr euch überhaupt für Gottes Antwort? Oder habt ihr das Gefühl, dass es euch im Glaubensfragen alles klar ist und sucht ihr nur nach der Bestätigung ihrer theologischen Analysen, der Bestätigung von festgestellten moralischen Kategorien – des Guten und des Bösen?!“

Das möchten wir auch eigentlich erkennen – wir müssen wissen, wie und wann wir reagieren sollen! Die Kinder in der Schule fragen: ist dies und das Sünde...oder nicht?

Und wenn wir wie die Pharisäern bleiben, reicht uns nicht, wenn wir erkennen, WAS Gut und Böse ist, sondern stellen fest, WER gut und wer böse ist !? Wir wollen das klar haben.

Aber Jesus vermeidet solche Kategorisierung. Er benennt die Sünde, aber er stellt die Sünder nicht vor das Gericht!

ER wartet damit noch. Er gibt die Möglichkeit, er gibt den Raum. Wie viele Leute sich damit zufrieden geben würden, wenn Jesus JA oder NEIN sagte!

Aber Jesus ist nicht gekommen die Menschen zu richten. Er ist gekommen die Leute zu retten. Der Mensch muss im Herzen umkehren. Die Rettung kommt nicht, wenn sich die Umstände in der Welt verändern, sondern wenn dein Denken, Willen und Herz, lieber Mensch, umkehrt. Bei dir, bei jedem persönlich.

Dann kommt das Himmelreich in die Welt, wenn du Jesus erlaubst, die Antworten auf alltägliche Fragen zu geben. Das Himmelreich kommt in deine Familie, deine Beziehungen, Lebensumstände, wenn du erlaubst, dass Christus aus dir Gottes Kind schafft.

Die Pharisäer glauben nicht, dass das Himmelreich schon angekommen ist. Sie werden noch warten. Sie erwarten mehr – Befreiung von der römischen Regierung, erwarten, dass Jesus das Gesetz Mose zur absoluten Geltung bringt. Worauf richtet sich Jesus mit seiner Liebe? Die Pharisäer werfen vor: Er relativiiert alles! Und wir wollen das klar haben.

„Wann kommt das Himmelreich? WANN?“

Jesus spricht: „Gleich, wenn ihr eure Herzen, Ohren, Augen auf haltet dafür, was Gott unter euch schafft und wie.“

  1. Jesus richtet Antwort auch an seine Jüngern. Auch sie werden daran Interesse haben.

Die Jünger sind nicht die Menschen für theologische Debatten. Aber sie kennen Jesus. Nicht sie haben Christus gewählt, sondern sie sind auserwählt – von IHM! Die Jünger sind Leute, die wissen, dass Herr sich für sie entschieden hat. Sie sind mit Jesus auf dem Weg.

Sie sind nicht bloss auf die Informationen von Jesus angewiesen. Sie sehen mit eigenen Augen. Sie sind Menschen, die Jesus bei ihren Frustrationen ansprach, bei ihren prosaischen Aufgaben fand, aus verachteter Lebensweise herausgerufen hat. Die Jünger sind Leute, die sich zu neuem Lebensstil einladen ließen. Sie ahnen, dass das Leben mit Jesus eigenartig und faszinierend ist.

Sie wollen etwas anderes vom Himmelreich hören als die Pharisäer. Sie brauchen etwas für konkrete Situationen, für das Leben. Aber sie sind überzeugt, dass es nicht reicht, Jesus nur zuzuhören. Es ist nötig, Jesus zu erleben. Es ist wichtig, sich für die Jesus Nachfolge zu entscheiden. Es ist nötig, Schritte nach vorne zu wagen.

Jesus begleitet seine Auserwählten gern. Aber er verwöhnt sie nicht. Er führt sie in die Realität: „Es wird die Zeit kommen, in der ihr begehren werdet, zu sehen einen der Tage des Menschensohnes und werdet ihn nicht sehen. Es werden Zeiten kommen, wenn ich mit euch nicht mehr sein werde und vieles werdet ihr nicht gleich sehen können. Jetzt ist Gottes Macht euch sehr nahe. Jetzt seid ihr überzeugt, dass Gott Liebe ist, die euch aufrichtet, die Gott Mut gibt, wofür ihr nicht traut.

Aber es wird nicht immer so sein. Auch die Jünger müssen warten. Und manche sagen euch: sieht, kommt her, geht hin - hier ist Christus. Achtung, lässt euch nicht belügen! Unter Schafskleidern können sich reißende Wölfe verstecken. Hinter den lieben Gesten verbergen sich die Heuchler, die euch verführen und manipulieren wollen.

Vergesst nicht, was ihr gesehen, erlebt habt. Ich bin nah, in Reichweite. Nach Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe, wirklichen Werten und nach Himmelreich könnt ihr mich fragen. Lässt ihr euch nicht von Menschen verführen! Folgt nicht den Menschen nach!“

Wenn der Menschensohn kommt, wird es klar sein. Dann wird ER definitive Entscheidungen treffen.

Am Ende der Gleichnisse im Mt.13. stellt Jesus die Frage: „Habt ihr verstanden?

Darum, ein jeglicher Schriftgelehrter, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, gleicht einem Hausvater, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorholt.“ Mt13,52

Nicht jeder Schriftgelehrte wird zum Jünger. Es gibt Leute, die meinen, dass Jesus ihnen nichts anzubieten hat, es gibt Leute, die sich nicht belehren lassen. Der Mensch, dem alles klar ist, der genau weiß, was gut und schlecht ist, der niemanden verletzt, und nach den 10 Geboten lebt, wird schwer zum Jünger.

Aber es ist die Zeit der Gnade. Und die Gnade gibt den Raum, dass man sich trotz der Bemühungen beschenken und lieben lässt.

Bis Jesus in Macht und Herrlichkeit wiederkommt, hast du Zeit im Dienst des Jüngers zu stehen und in Menschen, die DIR Gott anvertraut hat, Sehnsucht nach dem Himmelreich zu erwecken. Vergesse nicht: Der Jünger ist Gottes Auserwählter. Er geht mit dem Herrn, stellt die Fragen, hört die Antworten.

„Lehre uns, Herr, ohne Unterlass, Dein Reich zu suchen. Und wenn Du es zeigst – gönne auch den anderen zu zeigen, was wir bei dir, in deinem Reich, in deiner Welt entdeckt haben. Lass es geschehen, dass uns Deine Kraft und Gunst zur Wahrheit und zum neuen Leben täglich motiviert. Wir brauchen Deine Gaben, um zu nehmen und zu geben. Wir wollen in deinem Deinem Reich leben. Jetzt und für alle Ewigkeit. Amen.

Anna Polckova
polckova@stonline.sk

 


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