Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Letzter Sonntag des Kirchenjahres (Ewigkeitssonntag), 23. November 2003
Predigt übe
r Matthäus 25, 1-13, verfaßt von Christian-Erdmann Schott
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Mit Blick auf seine Wiederkunft am Ende der Zeit erzählte Jesus Christus dieses Gleichnis:

 1.„Dann wird das Himmelreich gleich sein zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen aus, dem Bräutigam entgegen.
2. Aber fünf unter ihnen waren töricht, und fünf waren klug.
3. Die törichten nahmen ihre Lampen; aber sie nahmen nicht Öl mit sich.
4. Die klugen aber nahmen Öl in ihren Gefäßen samt ihren Lampen.
5. Da nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein.
6. Zur Mitternacht aber ward ein Geschrei: Siehe, der Bräutigam kommt; gehet aus, ihm entgegen!
7. Da standen diese Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen fertig.
8. Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von euerm Öl, denn unsere Lampen verlöschen.
9. Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; gehet aber hin zu den Krämern und kaufet für euch selbst.
10. Und da sie hingingen, zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür ward verschlossen.
11. Zuletzt kamen auch die anderen Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf!
12. Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht.
13. Darum wachet! Denn ihr wisset weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird“.

Liebe Gemeinde!

Der heutige Sonntag trägt vier Bezeichnungen: Am volkstümlichsten ist die Bezeichnung Totensonntag. Wir denken an unsere Verstorbenen, besonders an die, die während des zu Ende gehenden Kirchenjahres heimgerufen worden sind. Manchmal war es eine Erlösung. Es gab aber auch Familien, die ganz unverhofft Abschied nehmen mussten von einem wichtigen Menschen. Für sie lebt die Trauer heute wieder auf. Ihnen gilt auch unser besonderes Mitgefühl. Am Totensonntag denken wir aber auch an unsern eigenen Tod; nicht, um uns zu ängstigen, sondern um das Wissen um unser Ende in unser Leben sinnvoll einzubeziehen: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ (Psalm 90,12).

Dieser Sonntag wird aber auch Letzter Sonntag im Kirchenjahr genannt, eben weil wir mit ihm in die letzte Woche vor dem Ersten Advent eintreten, mit dem dann ein neues Kirchenjahr beginnt. Er heißt auch Sonntag vom Jüngsten Tage. Das meint den Ausblick auf den letzten Tag der Welt, den letzten Tag allen irdischen Lebens, den Tag des Gerichtes Gottes. Schließlich trägt der heutige Tag auch den Namen Ewigkeitssonntag. Das meint: Unsere Jahre münden ein in die Ewigkeit Gottes. Sie fallen nicht ins Nichts, sondern zurück an Gott, in seine Hände.

Alle diese Aspekte ergänzen sich. Sie richten unsere Aufmerksamkeit auf eine Wahrheit, die unserem Lebensgefühl fremd geworden ist, - auf die wunderbare Wahrheit nämlich, dass dieses vergängliche Leben nicht alles ist, was Gott uns zugedacht hat, und wir arm dran sind, wenn wir uns ausschließlich auf das Irdisch-Vergängliche beziehen und von ihm bis in die letzten Winkel unseres Fühlens, Denkens, Hoffens beherrschen und bestimmen lassen

Dieser Letzte Sonntag im Kirchenjahr ist so wichtig, weil er unseren Blick über die Grenzen dieses Lebens hinaus auf die Zukunft richtet, die von Gott her auf uns zukommt. Diese Zukunft wird in unserem Gleichnis in schönen Farben gezeichnet – als ein großes Hochzeitsfest. Aber das Gleichnis zeigt auch, dass wir nicht immer in festlicher Erwartung sein können. Von allen zehn Jungfrauen, die auf das Eintreffen des Herrn warten, heißt es, dass sie einschliefen. Das wird ohne Kritik gesagt. Es ist sicher auch realistisch. Denn es ist gar nicht möglich, ununterbrochen, von früh bis abends an den wiederkommenden Herrn zu denken. Wir müssen schlafen, essen, arbeiten, uns auf unsere Aufgaben konzentrieren. Wir sollten uns auch nicht in eine ungesunde, hysterische Erwartungshaltung hineinsteigern, wie sie in manchen Sekten anzutreffen ist. Nein, wir können ruhig schlafen, uns auf das Heute konzentrieren.

Aber – wir sollten in unserem Herzen die Hoffnung, ja das Wissen tragen, dass noch etwas auf uns zukommt. Wir sollten die großen Perspektiven des Glaubens nicht vergessen. Das heißt Öl in der Lampe haben. Die Fünf, die diese Dimensionen kannten, sahen mehr als nur diese Welt. Sie rechneten mit Gott, an den sie glaubten. Es gibt viele Menschen, denen Gott einmal groß und wichtig geworden ist. Meist waren es besondere Anlässe, an denen sie ihn erfahren haben. Die einen haben diese Erfahrungen bewahrt. Sie haben sie in ihrem Inneren festgehalten und den Glauben nie aufgegeben. Sie hatten Öl in der Lampe. Sie hatten Reserven. Die anderen sind diesen Begegnungen mit Gott nicht weiter nachgegangen. Sie haben Gott wieder vergessen. Da blieb nichts in der Lampe.

Nun kommt der Bräutigam zu der wartenden Bräuten, das heißt: zu seiner Gemeinde. Die Klugen können auf ihre Reserven zurückgreifen. Sie wussten, dass dieser Tag kommen wird. Sie können dem Bräutigam entgegengehen. Die Frage ist allerdings: Warum geben sie den Törichten nicht ab? Ist ihre Ablehnung nicht egoistisch und unchristlich? Es ist beides nicht, - weil man vom Glauben nichts abgeben kann; so wie man auch ein Stück von seinem Leben oder von seiner Seele nicht hergeben kann.

Das haben viele Menschen schon schmerzlich erlebt, zum Beispiel Eltern, die gern möchten, dass ihre Kinder auch glauben. Sie würden ihnen gern von ihrem Glauben abgeben. Aber es ist nicht möglich. Auch in einer Ehe ist es nicht möglich. Wir können den Glauben bekennen, beschreiben, besingen als unsere persönliche und anderer Ergriffenheit durch Gott. Aber einem anderen Menschen Glauben geben oder abgeben, das können wir nicht. Nur Gott und der heilige Geist können den Glauben in die Herzen von Menschen hineingeben.

Die christliche Kirche hat dieses Gleichnis auf sich bezogen. Sie hat sich die Frage gestellt: Was müssen wir tun, damit wir zu den Klugen gehören? Eine einleuchtende Antwort findet sich in der mittelalterlichen Architektur. In den Domen in Straßburg, Köln, Magdeburg und Erfurt ist dieses Gleichnis in die Türen eingelassen. Diese Portale haben ja eine gewisse Tiefe. Sie macht es möglich, auf der einen Seite die fünf klugen und auf der anderen Seite die fünf törichten jungen Frauen darzustellen. Der Besucher dieser Gotteshäuser muss da hindurch, wenn er hineingeht und wenn er herausgeht. Er kann sich mahnen lassen: Höre, was du hier hörst, wirklich; nimm es in dein Herz und vergiss es nicht; sei nicht töricht. Sonst könnte es auch einmal für dich zu spät sein und du könntest von der Königsherrschaft Jesu Christi ausgeschlossen werden.

Aber damit stehen wir vor der nächsten Frage: Ist es von Christus nicht grausam, dass er die Törichten nicht in den Festsaal, in das Himmelreich hineinlässt? Ich weiß nicht, ob es grausam ist. Es ist doch nur die Bestätigung dessen, was die Törichten immer getan haben: Sie hat das alles nicht interessiert. Sie haben den Glauben nicht als Thema ihres Lebens festgehalten. So werden sie nun von Jesus Christus beim Wort genommen. Er nimmt sie ernst und zieht die Konsequenz. Ich gebe zu. Barmherzig ist es nicht und gnädig ist es auch nicht , - aber es ist gerecht. Hier werden wir Menschen ernst genommen. Im Grunde wollen wir das ja immer. Nun geschieht es.

In der Grundaussage ist dieses Gleichnis eingebettet in das biblische Gesamtzeugnis. Ich erinnere etwa an das Wort des Paulus: „Schaffet eure Seligkeit mit Furcht und Zittern“ (Phil. 2,12) oder an das eingangs genannte Psalmwort „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“. Wir können nicht sagen, wann die Wiederkunft sein wird: „Ihr wisset weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird“ (V. 13). Aber wir sollten das Wissen darum festhalten und diesen letzten Tag der Weltgeschichte nie ganz aus den Augen verlieren.

Das würde unsere Einstellung zum Leben ändern. Weil wir einen überzeitlichen Bezugspunkt haben, kann sich manches als gar nicht mehr so wichtig erweisen, was uns üblicherweise als höchst wichtig erscheint. Wir wissen dann, letztlich läuft alles auf Gott zu. Von diesem Ziel her kann uns das Kleine klein und das Große groß erscheinen. Wir werden klug im Sinne des 90. Psalms und im Sinne dieses Gleichnisses. Wir gewinnen Abstand, Durchblick, können auf manches gut und gern verzichten. Damit beginnt unser Leben sich schon hier zu verändern. Es ordnet sich auf Gott hin. Es ist noch in der Zeit, aber doch immer auch schon in der Nähe Gottes. Damit wird es zugleich befreit von dem, was man heute Fremdbestimmtheit, Trendabhängigkeit, Konsumterror nennt. Wir werden befreit zu einem selbstgestalteten, menschenwürdigen, originären Leben mit Gott.

Amen.

Pfarrer em. Dr. Christian-Erdmann Schott
Elsa-Braendstroem-Straße 21
55124 Mainz (Gonsenheim)
Tel.: 06131/690488
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