Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Letzter Sonntag des Kirchenjahres (Ewigkeitssonntag), 23. November 2003
Predigt übe
r Matthäus 25, 1-13, verfaßt von Gudrun Schwabe
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Von den klugen und törichten Jungfrauen

Eine beunruhigende Geschichte. Dabei ist eine Hochzeit eigentlich doch eine fröhliche Feier. Und so beginnt diese Geschichte auch: Die Braut wartet mit ihren Brautjungfern im Haus ihrer Eltern auf den Bräutigam, damit dieser sie in das neue Zuhause des Paares führen kann. Es wird später und später, dunkel wird es auch, und die Mädchen werden müde. Vielleicht haben sie einen langen Tag hinter sich. Fünf der Mädchen denken noch daran, kurz nach ihren Lampen zu sehen, bevor sie sich hinlegen und einschlafen. Um Mitternacht ist auf einmal Krach auf der Straße: Der Bräutigam kommt. Endlich. Die Mädchen springen auf und machen sich daran, die Lampen anzuzünden. Jetzt rächt es sich, die Lampen nicht vorbereitet zu haben, denn fünf von ihnen müssen erst zum Kaufmann gehen und Öl besorgen. Sie beeilen sich zwar, laufen schnell, trotzdem kommen sie zu spät. Der Hochzeitszug ist schon im Haus des Bräutigams und die Tür ist zu. Da stehen nun die fünf Mädchen vor der verschlossenen Tür, von drinnen sind Musik und Gelächter zu hören, vielleicht haben sie auch den Bratenduft in der Nase. Aber der Bräutigam lässt sie nicht hinein. Er schlägt ihnen die Tür vor der Nase zu und lässt sie draußen stehen. „Ich kenne euch nicht“ sagt er.

Sehr beunruhigend, diese Geschichte. Jesus erzählt sie, und sie passt so gar nicht zu vielem, was wir sonst im Neuen Testament an Geschichten von ihm lesen. Sie passt z.B. nicht zu der Geschichte von dem verlorenen Sohn, denn der hat auch einen Fehler gemacht, und sein Vater öffnet ihm dennoch die Tür und nimmt ihn wieder auf. Und welchen Fehler machen die fünf Mädchen in unserer Geschichte? Sie vergessen, Öl zu kaufen. Das ist doch fast eine Kleinigkeit im Gegensatz zum Sohn, der sein gesamtes Erbe verspielt. Was also ist so schlimm daran, kein Öl eingekauft zu haben, so schlimm, dass man dafür vor der Tür stehen gelassen wird?

Eine beunruhigende Geschichte. Denn hier geht es um ein Ereignis in der Zukunft und um die Zukunft der Menschen. Das Bild von der Hochzeit, vom Bräutigam, der die Seinen in sein Haus holt, ist ein Bild für den Eingang der Menschen in das Himmelreich. Gleich im ersten Satz der Geschichte wird darauf hingewiesen: „Das Himmelreich wird zehn Jungfrauen gleichen“. Aber die Geschichte schildert kein Haus mit einer Tür, die für alle offen steht. Das Eintreten in das Himmelreich ist demnach mit einem Urteil über die Menschen verbunden.

Jesus erzählt von diesem Urteil, das die Menschen teilt: In jene, die mit nach drinnen gehen dürfen, und jene, die draußen bleiben müssen. Und das macht mir schon Angst, denn woher weiß ich, wo ich stehen werde?

In der Geschichte ist der Maßstab dafür, ob die Mädchen mit nach drinnen gehen dürfen, deren Klugheit bzw. deren Torheit. Die klugen Mädchen bereiten ihre Lampen vor, sie sehen nach, ob Öl vorhanden ist. Die törichten Mädchen dagegen tun dies nicht. Warum, wird nicht erzählt. Vielleicht vergessen sie es einfach, oder sie verlassen sich blind darauf, dass schon Öl da sein wird. Es ist also die Vorbereitung, die die klugen und törichten Mädchen voneinander unterscheidet. Die Vorbereitung macht die klugen Mädchen klug, und die mangelnde Vorbereitung macht die törichten Mädchen töricht. Es ist die Vorbereitung, die am Ende darüber entscheidet, ob das Warten auf den Bräutigam Sinn gemacht hat oder nicht. Es geht um kluge Vorbereitung.

Ich würde an dieser Stelle gerne meine Predigt beenden, ich würde sie alle aus der Kirche in die Welt schicken und sagen: Bereitet euch vor. Seid klug. Tut etwas. Und dann, wenn die Tür hinter ihnen zugeschlagen ist und es still wird in der Kirche, würde ich vor den leeren Bänken stehen und mich fragen: Was hast du da eigentlich getan? Die sind jetzt da draußen, tun etwas und glauben, dass sei klug. Aber das ist nicht die Klugheit, von der Jesus spricht. Also, bleiben sie bitte in der Kirche sitzen und bereiten sie sich vor. Machen sie sich bewusst, was kluge Vorbereitung bedeutet. Es bedeutet, nämlich an die Zukunft zu denken. Die törichten Mädchen denken nur an das Jetzt und Hier. Die klugen Mädchen dagegen denken auch an das Danach.

Die Zukunft ist in dieser Geschichte das Himmelreich. Das, was nach dem Irdischen kommt, nämlich das Himmlische. Ganz explizit weist Jesus darauf hin, gleich zu Beginn der Geschichte. „Das Himmelreich wird zehn Jungfrauen gleichen“. Das, was da kommen wird, steht in einem ganz klaren Gegensatz zu dem, was jetzt ist. Das ist die Botschaft Jesu, das ist die Hoffnung auf das Zukünftige, die er verkündet. Dieses neue Reich bedeutet aber zugleich die Auflösung aller menschlichen Maßstäbe, die Zerstörung aller Kategorien, in die wir Menschen so gerne alles einteilen. Es bedeutet auch, dass Torheit und Klugheit nicht mehr sein werden, denn das sind zutiefst menschliche Kategorien. Und wenn wir an das Himmelreich als unsere Zukunft denken, müssen wir uns eingestehen, dass menschliche Kategorien auch versagen können. Wir müssen uns eingestehen, dass wir nicht mehr sicher sein können, was klug oder töricht sein wird im Himmelreich. Denn wer weiß schon, was Gott als klug oder töricht beurteilt.

Wenn ich meine Predigt an dieser Stelle beenden würde, würde ich sie alle im Gefühl der Hoffnungslosigkeit nach Hause schicken. Denn sie könnten mir mit Recht entgegenhalten: Wie können wir uns überhaupt vorbereiten? Was nützt es, sich über das Jetzt und Hier hinaus Gedanken über die Zukunft zu machen? Wir können doch sowieso nicht erkennen, was eine gute Vorbereitung wirklich bedeutet. Wir wissen doch nicht, welche Maßstäbe an uns gelegt werden.

Man kann sich auf die Zukunft also nicht mit klugen Taten vorbereiten. Dass man an die Zukunft denkt, ist allein auch noch keine kluge Vorbereitung. Klug wird die Vorbereitung wirklich erst, wenn wir uns deutlich machen, dass es auch anders kommen kann, als wir denken. Denn was passiert, wenn wir uns sicher fühlen? Wenn wir denken, dass wir an die Zukunft gedacht haben? Dass wir vorgesorgt haben? Wenn wir Öl für unsere Lampen gekauft haben? Im Grunde sind wir in unseren menschlichen Maßstäben hängen geblieben. Wir haben uns nicht von ihnen gelöst. Wir haben nicht bedacht, dass in der Zukunft vielleicht Anderes als die menschliche Klugheit zählt.

Jesus erzählt diese Geschichte von den törichten und klugen Jungfrauen, um zu verdeutlichen, dass es nicht genug ist, sich in der Gegenwart einzurichten. Er erzählt vom Himmelreich. Er stellt unserer Gegenwart eine neue Gegenwart gegenüber. Nämlich das Himmelreich.

Und wahrhaftig klug ist es, darauf zu hoffen und daran zu glauben. Es ist angebracht, sich auf die Suche danach einzulassen, sich vorzubereiten und sich immer wieder zu überprüfen nach unseren menschlichen Maßstäben. Denn hier auf der Erde haben wir nun einmal keine anderen. Es ist auch angebracht, zu wissen, dass wir nie sicher sein können, eben weil wir nur in menschlichen Kategorien denken.

Die wahre Klugheit bei aller unserer Vorbereitung aber ist die Hoffnung, die wir haben können: Gott misst mit anderen Maßstäben, als mit unseren.

Und deshalb können wir darauf hoffen, dass am Ende, wenn wir selbst vor der verschlossenen Tür stehen und uns sehr, sehr töricht fühlen und rufen „Herr, Herr, tu uns auf, dass dann die Tür aufgeht, und der Herr sagt: Wahrlich, ich sage dir: Ich kenne dich.

Amen

Gudrun Schwabe
gudzilla@genion.de


(zurück zum Seitenanfang)