Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

4. Sonntag im Advent, 21. Dezember 2003
Predigt übe
r Philipper 4, 4-7, verfaßt von Matthias Rein
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Gemeinde!

Ich gestehe: Aufforderungen dieser Art machen mich mißtrauisch.
"Freuet euch!" So haben wir eben gehört: "Freuet euch in dem Herrn!"
Das kann resigniert klingen, nach dem Motto: "So freut euch doch endlich mal!"
Ähnlich ergeht es mir mit der Aufforderung, nicht zu sorgen.
"Sorgt euch um nichts!", haben wir eben gehört.
Da ist es nicht weit zu dem hilflosen: "Nun laßt mal die Sorgen beiseite, auch wenn sie berechtigt sind! Wenigstens für ein paar Minuten!"

Wie steht es denn mit Deiner Freude?, so frage ich zurück.
Bist Du von Freude in dem Herrn erfüllt?
Welchen Grund hast Du, Dich zu freuen, Paulus, erzähl doch mal.

Nun komme ich ins Staunen:
Paulus freut sich tatsächlich, sein Philipper-Brief schwingt geradezu voll Freude.
"Ich freue mich und ich werde mich weiterhin freuen", so schreibt er immer wieder.
Und er hat gute Gründe, sich zu freuen.

Der erste Grund:
Paulus hat Post bekommen: einen Brief und ein großes Paket.
Die Gemeinde in Philippi hat ihm geschrieben, hat sich nach ihm erkundigt, macht sich Sorgen um ihn. Und sie haben ihm Gaben gesandt, Dinge, die er zum alltäglichen Leben braucht. Sie wollen ihm Gutes tun. Das alles ist per Schiff gekommen aus Griechenland, über 500km weit.
Paulus freut sich über diese Sendung. Das kann ich gut verstehen.

Paulus erreicht diese Sendung an einem ziemlich freudlosen Ort.
Er sitzt im Gefängnis. Und da bringt eine solche Überraschungssendung doppelte Freude.

In seinem Dankbrief an die Gemeinde in Philippi nennt er weitere Gründe für seine Freude:
Ich freue mich, so schreibt er, dass hier im Gefängnis bekannt wurde, warum ich hier bin. Ich trage meine Fesseln für Christus. Und so kann ich sogar hier im Gefängnis von meinem Glauben an Christus erzählen.

Ich freue mich darüber, dass durch meine Gefangenschaft Gemeindeglieder in der Stadt bestärkt wurden, mutig gemacht wurden. Sie sind kühner, sicherer, freimütiger geworden.

Ich freue mich über Euch, über euren Glauben, über eure Gemeinschaft, über die Freundschaft, die ihr zu mir haltet.

Ein fröhlicher Gefangener, dieser Paulus, das ist schon merkwürdig.

Die Sache mit dem Gefängnis ist nicht ohne.
Sein Prozeß soll beginnen. Ihm droht die Höchststrafe.
Es könnte sein, dass ich hier nicht lebend rauskomme, so schreibt er den Freunden in Philippi.
Das ist mir im Moment aber nicht so wichtig, wichtig ist, dass Christus verkündigt wird, dass die Menschen erfahren, wer ich bin und warum ich hier bin. Egal ob mir dies lebend gelingt oder ob es mit dem Sterben geschieht.

Paulus hat Lust, so schreibt er, aus der Welt zu scheiden. Vieles setzt ihm hart zu. Ich habe Lust, bei Christus zu sein.
Aber zugleich macht er Pläne für seinen nächsten Besuch bei den Philippern.
Es geht nicht um mich, ich will bei euch sein, damit ihr euch freut in Christus.

Paulus im Gefängnis, bedroht von der Todesstrafe, und doch voller innerer Freude, voller Fröhlichkeit und Zuversicht.

In einem Satz sagt er, worin seine Freude ihren tiefen Grund hat:
"Christus möchte ich erkennen", so schreibt er, "die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und ich möchte so seinem Tod gleichgestaltet werden, damit ich zur Auferstehung von den Toten gelange."
Die Auferstehung in Christus von den Toten - darauf schaut Paulus.
Das ist stärker als alle Gefängnismauer, als die Todesstrafe.
Christus ist auferstanden von den Toten - das ist der Grund der Freude, die in Paulus lebendig ist.

Und so hören wir von diesem, im Herzen fröhlichen Paulus aus dem Gefängnis: "Feuet euch, der Herr ist nahe!"
"Sorgt euch um nichts!", so hören wir von einem, dem die Todesstrafe droht, "bringt euren Dank und eure Bitten vor Gott!"
Ein Mensch voller Freude im Gefängnis sagt dies, und, so gebe ich zu, das beeindruckt mich.

Gefangen und doch voller Freude - ein Bild für uns, so denke ich.
Für uns kurz vor Weihnachten 2003.

Gefangen in vielerlei Zwängen - so erlebe ich Menschen um mich herum.
Einsame Menschen, Kranke, Arme.
Menschen, die sich bedroht fühlen von der Welt, von den harten Verhältnissen.
Gefangen in vielerlei Zwängen - so erlebe ich mich selbst oft genug, eingespannt in einen strenges Alltagskorsett, zerrieben oft, müde, erschöpft.
Aus einem Gefängnis kann ich mich nicht selbst befreien.
Das ist der Punkt.

Paulus weiß das auch. Er macht sich keine Illusionen über seine Lage. Er rechnet auch nicht mit einem Wunder, das ihn herauszaubert aus dem Gefängnis. Er ist Realist.

Und wie steht es mit der Freude bei uns?
Ja, es gibt Anlaß zur Freude.
Vor einigen Tagen bekam ich einen Brief von meinem Patenkind, pünktlich zum Nikolaustag ein Bild mit einem Nikolausstiefel. Darüber habe ich mich gefreut.

Oder über die Eltern, die trotz Regen zum Martinsumzug kamen. Viele von ihnen kennen die Martinsgeschichte nicht. Viele von ihnen sind keine Christen. Aber sie liessen sich anstecken von der Idee des Teilens und bewunderten Roß und Reiter.

Und ich denke an die gute Gemeinschaft von Kolleginnen und Kollegen, die ich kürzlich erlebt habe. Manchmal hat man ja den Eindruck, dass es unter kirchlichen Mitarbeitern mehr Streit gibt als sonst unter Kollegen. Erlebt habe ich erfreulicherweise anderes: Offenheit, Herzlichkeit, Kollegialiät und viel gemeinsames Lachen.

Ich halte mir diese Erfahrungen mit der Freude vor Augen und ich stelle fest: Diese Freude kann ich mir selbst nicht machen. Andere erfreuen mich, Freude ist ein Geschenk!

Aus dem Gefängnis komme ich nicht aus eigener Kraft, über die Freude kann ich nicht verfügen. - Da gibt es wohl eine innere Beziehung.

Sie merken, liebe Gemeinde, ohne Hilfe kommen wir nicht aus den Gefängnissen und aus der Freudlosigkeit.
Da muß einer Türen und Mauern aufbrechen.
Da muß einer Freude bringen, der wirklich Grund zum Freuen hat.
Und da sind wir beim Weihnachtsgeschehen.

Gott zieht in das Gefängnis, allerdings klein und hilflos.
Aber doch: Die Engel und die Hirten, Maria und Josef, die Weisen begreifen, dass dieses hilflose Kind einen Glanz in die Welt bringt, den die Welt nicht selbst erzeugen kann.

Wie kommen wir aus der Tristesse des Gefängnisalltags zur Freude über Gottes Nähe, zur Weihnachtsfreude?

Was wir brauchen, ist ein Geschenk.
Ja, tatsächlich, wir baruchen ein Geschenk, das uns erfreut.

Der Christus im eigenen Herzen ist schwach, so schreibt Dietrich Bonhoeffer, schwächer als der Christus in den Worten des Bruders und der Schwester. Der Christus in unserem Herzen ist ungewiß, jener aber, in ihren Worten ist gewiß.

Wir können uns die Weihnachtsfreude nicht selbst verschaffen, wir brauchen den Bruder, die Schwester, die sie uns zusprechen, die sie uns schenken.
Genau dies hat Paulus im Gefängnis erlebt. Die Gemeinde sprach ihm das Christuszeugnis zu und ließ ihn die Christusgemeinschaft spüren. Dieses Geschenk stärkte ihn und machte ihn froh.
Christen begegnen sich als Bringer der Heilsbotschaft, das ist das Ziel ihrer Gemeinschaft, so Bonhoeffer.

Zu Beginn der Adventszeit habe ich eine solche Zusage gehört.
Sie hat mich getroffen, sie hat mich bewegt und in die Freude auf Weihnachten, auf die Nähe Gottes eingestimmt.
Diese Zusage hat Hanns Dieter Hüsch aufgeschrieben Er ist Kabarettist und guter Christ vom Niederrhein, einer, der die Gefängnisse der Welt scharf sieht und doch lacht.
Diese Zusage heißt Dezember-Psalm:

Mit fester Freude
Lauf ich durch die Gegend
Mal durch die Stadt
Mal meinen Fluss entlang
Jesus kommt
Der Freund der Kinder und Tiere
Ich gehe völlig anders
Ich grüße freundlich
Möchte alle Welt berühren
Mach dich fein
Jesus kommt
Schmück dein Gesicht
Schmücke dein Haus
und deinen Garten
Mein Herz schlägt ungemein
Macht Sprünge
Mein Auge lacht und färbt sich voll
mit Glück
Jesus kommt
Alles wird gut

Nehmen wir dies als Geschenk, das uns erfreuen soll.
Jesus kommt in das Gefängnis und zerbricht es.
Alles wird gut.

Apropos Geschenke:
Warum bekommen zu Weihnachten alle Menschen Geschenke?, so fragte mich mein fünfjähriger Sohn. Es hat doch nur einer Geburtstag, Jesus!
Gut gefragt und schnell beantwortet: Wir wollen uns untereinander mit den Geschenken eine Freude machen. Diese Freude hat einen Grund:
Gott ist uns in Jesus unendlich nahe.

Vielleicht ist es ganz hilfreich, sich daran zu erinnern: Die Geschenke sollen dem anderen Freude machen.
Und falls Sie noch ein Geschenk suchen für einen Freud oder einen Verwandten und keine Idee haben: Was macht ihm oder ihr Freude? Vielleicht hilft Ihnen die Antwort beim Suchen.

Ich wünschen Ihnen, dass Ihnen das Freudemachen gelingt mit den Geschenken, die Sie sich für andere ausgedacht haben.

Amen

Dr. Matthias Rein
Studienleiter am Theologischen Studienseminar der VELKD
Bischof-Meiser-Str. 6
82049 Pullach
Tel. 089/74442428
eMail: Matthias.Rein@t-online.de

 


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