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2. Sonntag nach Epiphanias,
18. Januar 2004 |
( Der Predigttext wird, verteilt auf 4 Stellen, während der Predigt von einem Vorleser/einer Vorleserin vorgetragen. Wenn es der Raum erlaubt, könnte die Lesung aus der zum Gottesdienst versammelten Gemeinde erfolgen … Wenn im Eröffnungsteil des Gottesdienstes das „Hohelied der Liebe“ aus 1. Kor. 13 gebetet wurde, wird der Predigttext, der aus lauter Imperativen besteht und zur Gesetzlichkeit verführen könnte, von dem Hymnus getragen. I. II. Heute kommt die Fortsetzung. Die Liebe sei ohne Falsch. Hasst das Böse, hängt dem Guten an. Liebe ohne Falsch. Die Formulierung eignet sich gut als Überschrift, auch als Zusammenfassung, bevor überhaupt irgendetwas Konkretes gesagt wird. Denn alles, was Menschen tun, wird falsch, wenn sie mit Liebe spielen, aus ihr ein Rechenkunststück machen oder für sie die doppelte Buchführung brauchen. Eigentlich gut, dass Paulus so anfängt. Denn die Liebe, die er vor Augen hat, kommt von Gott. Sie trägt sein Bild. Ist seine Marke. Paulus hat sich viel Mühe gegeben, sie zu beschreiben. Der ganze Brief - an die Geliebten Gottes und berufenen Heiligen - ist eine einzigartige Hommage auf die Liebe Gottes. Leicht zu verstehen war der Brief von Anfang an nicht. Aber wenn etwas herüberkam und die Funken sprühen liess, dann: Gottes Liebe ist ohne Falsch. Sie ist echt. Ohne Vorbedingungen, ohne Nachsätze, auch ohne bitteren Nachgeschmack. Früher sagten die Leute: echter Schmuck – und meinten nicht den Tand, echter Kaffee – und meinten nicht den Muckefuck. Nicht dass der Ersatz schlecht gewesen wäre, aber es war nicht das Original. Ein feines Gespür drückte sich in den Worten aus. „Echt“ war so etwas wie ein Maßstab, eine Markierung. Die echte Liebe öffnet das Herz, lässt sich vom Bösen weder vereinnahmen noch beeindrucken - und äußert sich in Ehrerbietung dem anderen gegenüber. Paulus konnte auf alte Formulierungen zurückgreifen. Sie waren auch den Menschen bekannt, an die er in Rom dachte. Aber mit der Liebe Gottes vor Augen bekommen seine Worte einen besonderen Schliff. Das alte Wort „Ehrerbietung“ legt seinen ganzen Reichtum offen: dem anderen Menschen Ehre zu geben und zu lassen. Darf es jetzt noch Streit und Ärger, Enttäuschung und Frust, um Gottes Willen – oder auf III. Bedenken? Einreden? Widerworte? Paulus, der sich und die Menschen gut kannte, liess den Rückfragen nicht das letzte Wort. Er würdigte sie nicht einmal eines Blickes, obwohl er von ihnen wusste. Den Skeptikern schien längst ausgemacht, das es Liebe „ohne Falsch“ nicht geben kann – „echt“ sei nur der Knopf im Ohr – beim Steifftier Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Nach dem Gesetz der Trägheit – ich meine nicht das aus dem Lehrbuch – bleibt vieles liegen, wird vieles zurückgestellt, gerät vieles in Vergessenheit. Man/frau will sich nicht den Mund verbrennen, die Pfoten nicht am heissen Eisen verbrennen, nicht allein im Regen stehen. Besonders wenn es um Konflikte geht! Paulus weiss, was die Gemeinde in Rom bewegt: Sie ist von einer feindlichen Umgebung eingerahmt, sie fühlt sich wie in einem Schmelztigel, sie sieht die Zerreißproben auf sich zukommen. Und Paulus erzählt den Römern, dass man in der ganzen Welt von ihrem Glauben spricht (Röm. 1) ! Weil der Glaube keine Handarbeit ist, sondern Geschenk – Paulus sagt sogar: eine Zuteilung nach Maß! (Röm. 12,3) – können Menschen fröhlich Hoffnung teilen, aber auch geduldig Trübsal – ein anderes Wort für Anfechtung oder Zweifel – gemeinsam tragen. Paulus schreibt in seinem Brief sogar: seid so! Und zwischen den Zeilen war zu lesen: ihr könnt gar nicht anders. Gewissheit, Vertrauen, ja Gelassenheit liegt in den Worten. An einer Stelle wird ganz deutlich, woher diese „Freiheit“ kommt und von wem sie getragen wird: von Gott selbst. Paulus bindet Hoffnung, Trübsal und Gebet zusammen: seid beharrlich im Gebet! Selbst wenn die Worte fehlen, Kopf und Herz wie ausgestorben wirken: Im Gebet wird die Liebe von ihm, Gott, erbeten und gewährt. IV, Liebe „ohne Falsch“. Langsam werden die Konturen deutlich. Von Gott erbeten, lässt sie Menschen Leben teilen – die Hoffnungen und die Anfechtungen. Dabei stehen beide Begriffe für das ganze Leben, für alles, was Menschen begegnet und widerfährt. Paulus sieht die Gemeinde vor sich. Er will unbedingt nach Rom. Er verspricht zu kommen. Er ist traurig, so weit weg zu sein. Klar ist ihm, dass viele Menschen nach dieser Gemeinde sehen – und von ihr auch viel erwarten, sie beim Wort nehmen, ja, auf Herz und Nieren prüfen. Nehmt euch der Nöte der Heiligen an. Übt Gastfreundschaft. Neugierig verfolge ich den Gedankengang des Paulus. Was so zusammenhanglos aussah – eine Komposition! In der Mitte steht: Segnet, die euch verfolgen; segnet, und flucht nicht. Dass an dem Segen so viel liegt! Es ist Gottes Art, Menschen zu segnen. Von der Schöpfung angefangen. Bis zu Jesus am Kreuz. Bis zu den Menschen, die aus Teufelskreisläufen ausbrechen. Bis zur Ostererfahrung, dass es mit der Herrschaft des Todes ein Ende hat. Denn sonst könnte sich das Böse in der Genugtuung sonnen, sich das Leben untertan gemacht zu haben. Man spürt die Leidenschaft, die in den Worten des Paulus liegt! Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden! Was ist denn eine Gemeinde? Der ursprüngliche Sinn ist: „die zum Herrn gehören“. Es ist eine alte Übersetzung. Gemeint ist: Sein Wille, sein Wort sind Gottes Ehrerbietung uns Menschen gegenüber. Mit allem, was dazu gehört: er kommt uns entgegen, er gibt uns die Ehre – und er lässt sie uns. Paulus hat Worte Jesu gekannt, konnte nur die Quelle nicht angeben. Die Evangelien waren noch nicht geschrieben. Aber jeder Imperativ – also das, was ein Ausrufezeichen verdient – lässt die Stimme des Herren hören – und öffnet Herzen und Häuser. Die Geliebten Gottes und berufenen Heiligen in Rom haben den Brief des – ihnen persönlich unbekannten – Paulus wohl immer wieder gelesen. Wie wir das auch machen. Mit der Zeit werden die Pfade klarer, die Paulus zu gehen heisst. Sie führen nach draussen. Sie führen zu Menschen. Ein niederländisches Projekt, von vielen Gemeinden iniiert, heisst darum auch: „Auf dem Weg zur Herberge“. V. Das war die 2. Folge! Imperative am laufenden Band. Der Drucker war schuld: er hat Fließtext gesetzt. Selbst, wenn Punkt und Komma mitgelesen werden: Beim letzten Satz ist der erste schon vergessen. Wollte Paulus einen Bandwurm? Er wollte, Jesu Wort im Herzen und die Gemeinde im Kopf (oder umgekehrt?) eine Einweisung geben – was es heisst, auf Jesu Namen getauft zu sein und zu ihm zu gehören. Es ist gut, ein Gedicht daraus zu machen. Es hat vier Strophen. Die erste beginnt mit „Die Liebe sei ohne Falsch“, die letzte schliesst mit: „Haltet euch nicht selbst für klug“. Was dazwischen steht, Wegstück für Wegstück aneinander gereiht, ist ein Weg mit Zukunft. Sein Weg mit uns. Paulus hat für uns einen guten Rat: Seid eines Sinnes untereinander. Und der Friede Gottes, Gottesdienstgestaltung: Manfred Wussow
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