Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Septuagesimae, 8. Februar 2004
Predigt über 1. Korinther 9, 24-27, verfaßt von Irene Mildenberger
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24 Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt. 25 Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen. 26 Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt, 27 sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde.

Liebe Brüder und Schwestern!
Paulus will uns als Sieger sehen. Er kennt sein Ziel, er läuft nicht wie aufs Ungewisse. Sein Ziel: Wir alle sollen gewinnen, du, und du ... und ich. Auch wenn Paulus dafür etwas frei mit den Spielregeln umgehen muss.

Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? So läuft das im Sport, das kennen wir: Nur einer kann gewinnen, nur für einen lohnt sich der Aufwand, das Training, Verzicht und Strapazen. Es gibt nur eine Goldmedaille, einen Siegespreis.
Lauft so, dass ihr ihn erlangt. Ihr, sagt Paulus, ihr alle, nicht nur eine oder einer von euch. Ich sehe euch alle auf dem Siegertreppchen.

Aufs Gewinnen kommt es an, nicht darauf, dass andere verlieren. Nicht gnadenlose Konkurrenz verlangen diese Spielregeln, keiner boxt sich auf Kosten des anderen nach vorne, keine trickst die anderen aus, um selber ein paar Sekundenbruchteile nach vorne zu kommen. So läuft er nicht, der Wettkampf, von dem Paulus hier redet. Jedenfalls verstehe ich Paulus so: Ihr alle sollt den Siegespreis gewinnen.

Trotzdem, der Kampf ist wichtig und ernst zu nehmen. Ich bin kein Luftschläger und kein Schattenboxer, ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt. Paulus ist streng –zuerst einmal mit sich selbst.
Denn der Gegner in seinem Boxkampf, das ist ja er selbst: ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn. Ich tue das, um euch ein Vorbild zu sein, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde. Ich will nicht nur reden, sondern auch selbst tun, was ich euch sage.

Paulus ist streng, mit sich selbst und auch mit uns, weil er weiß, um was es geht: Schon die Sportler setzen viel ein, um am Ende zu siegen, dabei geht es nur um eine Medaille und um den Ruhm, und oft natürlich vor allem auch um Geld. Jedenfalls ein vergänglicher Preis, während uns, so sagt es Paulus, am siegreich erreichten Ziel ein unvergänglicher Siegeskranz erwartet:
Dass ich, wie es im Katechismus heißt, in Christi Reich unter ihm lebe und ihm diene in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit .
Dass du, und du ... und ich, dass wir mit dabei sind in Gottes Reich, von dem Jesus in seinen Gleichnissen und Beispielgeschichten gesprochen hat. Dass wir da mitspielen, wo neue, andere Spielregeln gelten. Gut für uns und gut für alle.

Paulus kennt das Ziel, darum ist er streng mit sich. Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen. Er enthält sich, er verzichtet, davon hat er gesprochen, bevor er auf das Wettkampfthema kam. Er verzichtet auf vieles, was ihm zustünde, was sein gutes Recht wäre als Apostel, als Prediger: Er nimmt kein Geld von der Gemeinde für seine Arbeit als Apostel – dabei heißt es schließlich im Gesetz des Mose: du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden. Er verzichtet darauf zu heiraten – Petrus und andere Apostel nehmen ihre Ehefrauen auf ihren Missionsreisen mit sich.
All das, um seiner Botschaft, seinem Auftrag nicht im Weg zu stehen. Damit wir nicht dem Evangelium von Christus ein Hindernis bereiten , so drückt er es aus.
Dafür gibt Paulus sogar seinen eigenen Stil im Glauben und in der Frömmigkeit auf. Verzichtet auf die Sicherheit, die feste Prägungen und Ordnungen geben, passt sich den Menschen an, mit denen er zu tun hat. Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. ... Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie einer ohne Gesetz geworden ... damit ich die, die ohne Gesetz sind, gewinne. ... (1 Kor 9,20f)

Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben. (1 Kor 9,23) Da wird noch einmal deutlich: das Ziel ist nicht, dass er allein auf dem Siegertreppchen steht. Wir alle sollen ihm nacheilen und mit ihm dort ankommen. Er macht es uns vor, er predigt voller Ernst, nicht nur mit Worten, sondern auch mit seinem eigenen Leben.

Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen. Aber empfangen wir diesen unvergänglichen Kranz wirklich durch unseren Verzicht, wie ihn Paulus vormacht? Geht es ums richtige Training – in religiösen Kreisen spricht man eher von Exerzitien, von geistlichen Übungen? Ist meine Selbstkasteiung gefragt? Empfangen wir den Preis, indem wir uns selbst, unseren Leib wie unser Ich, nieder boxen?
Und noch wichtiger: Kommt es überhaupt auf unsere Wettkampfvorbereitung an?

Darauf gibt Paulus an anderer Stelle einen Antwort: Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Auch hier ruft er voller Ernst auf, uns zu mühen. Und fährt dann doch gleich fort: Denn Gott ist's, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen. (Phil 2,12f) Das übersetze ich so: Das Ziel, von dem Paulus spricht, das Ziel, an dem er uns alle siegreich ankommen sehen will, dieses Ziel wird auf dem Gnadenweg erreicht. Gott ist es, der uns das Ziel vor Augen stellt. Und er lässt uns ankommen, ankommen bei ihm, in seinem Reich. Er bringt uns ans Ziel.
Kein gnadenloser Kampf also, in den uns Paulus schickt. Ein Wettkampf, bei dem die Sieger auf dem Gnadenweg festgestellt werden. Darum können wir ja auch untereinander gnädig bleiben, müssen nicht konkurrieren. Es geht nicht darum, besser zu sein als andere.

Aber gut sein sollen wir. Gnade macht nicht unsportlich. Die Ermahnung des Paulus tut mir und meinem Leben, meinem Leben als Christin, gut.
Ich brauche beides. Es entlastet mich, dass ich höre: Der Siegespreis wird aus Gnade vergeben. Das hilft mir aus Erstarrung und Lähmung heraus und ich kann loslaufen. Anders wäre das Ziel so unerreichbar, meine Muskeln und mein Durchhaltevermögen zu schwach. Schließlich bin ich nicht Paulus.
Und es spornt mich an, es durchbricht meine Antriebslosigkeit, dass Paulus mir sagt: Es ist nicht egal, wie du lebst. Gerade mit dem großen Ziel vor Augen. Gerade weil ich glaube, weil ich hoffe und darauf vertraue, dass Gott uns ankommen lässt. Meine Sportlichkeit wird so immer wieder herausgefordert (obwohl oder gerade weil ich mich– im direkten wie im übertragenen Sinn – für nicht besonders sportlich halte.).
Nicht meine Seligkeit verdiene ich damit, dass ich mich aller Dinge enthalte. Aber vielleicht hilft das Training mir, durchzuhalten und das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Das Ziel nicht und auch nicht die anderen, die mit mir mitlaufen, dem Ziel entgegen.

Noch einmal: Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt.
Und der den Siegespreis vergibt, das ist der Hausherr aus Jesu Gleichnis, das wir als Evangelium gehört haben. Am Abend, wenn der Lauf zu Ende ist, kommt die Preisverleihung. Eine Medaille für alle. Eine Silbergroschenmedaille. Amen

Irene Mildenberger
Liturgiewissenschaftliches Institut der VELKD, Leipzig
liturgie@uni-leipzig.de


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