|
Invokavit,
29. Februar 2004 |
14 Doch wir haben einen Hohenpriester, Jesus Christus, der durch
die Himmel hindurch bis zu Gottes Thron gelangt ist, weil er Sohn Gottes
ist. An dem Bekenntnis wollen wir festhalten. 15 Denn unser Hohepriester
steht bei uns: Wenn wir schwach sind, fühlt er mit uns; wenn wir
stolpern, taumelt er mit uns, wenn wir Angst und Schmerz leiden, ist
er auf unserer Seite. Jeder Versuchung hat er sich ausgesetzt, aber gestrauchelt
ist er nie. 16 Deshalb wollen wir mit Zuversicht zum Gnadenthron Gottes
treten, denn Jesus Christus wird uns gnädig und barmherzig helfen,
wenn wir es nötig haben. Wie oft waren wir schon "Feuer und Flamme" für eine gute Sache! Wir hatten eine zündende Idee. Darauf haben wir uns zusammengesetzt, diskutiert, Pläne geschmiedet und mit Feuereifer organisiert. Anfangs ging alles gut. Die gegenseitige Hilfe war zugleich gegenseitige Bestätigung: Wir sind auf dem rechten Weg! Doch wie oft wurde nach einiger Zeit und wachsenden Schwierigkeiten das innere Feuer kleiner. Schwach wurde, was hätte brennen sollen. Bei einigen ging das Feuer ganz aus. Solches erleben wir immer wieder im Freundeskreis, in der Gemeinde - und an uns selbst. Im politischen Bereich geschieht Ähnliches. Wie viele Wahlkämpfer haben sich schon mit Feuereifer eingesetzt, überzeugt, gekämpft, gestritten. Sie teilten die Vision einer gerechten Gesellschaft und sahen den richtigen Weg dahin. Doch nach den Wahlen kehrte der Alltag ein und mit ihm die Mühen der Umsetzung. Versprechen konnten nicht sofort eingelöst werden. Die Vision verblasste langsam. Das ersehnte Ziel rückte in die Ferne. Der anfängliche Feuereifer erfüllte immer weniger der einst Getreuen. Doch in allen Fällen bleiben wenige, deren Herzen noch für
die ursprüngliche Sache brennt. Die möchten dann die andern
aufrütteln, sie zur Besinnung rufen und in ihnen das Feuer neu entfachen:
Lasst uns am Ziel festhalten! Wir vertreten doch eine gute Sache. Kommt,
lasst sie uns zum guten Ende führen! Als gewöhnliches Gemeindeglied nimmt der ungenannte Verfasser des
Hebräerbriefes seine Verantwortung für die Gemeinschaft in
der Kirche Christi wahr. Darum mischt er sich mit diesem Aufruf ein.
Oder war es eine Frau, die sich Sorgen machte über eine bedenkliche
Entwicklung in der Gemeinde? Beides ist möglich. Schon damals: Schwäche in der Kirche aus völlig unterschiedlichen
Gründen! Um uns sehen wir heute Menschen, die als äusserlich starke Erscheinungen, auf irgend eine Weise "schwach geworden sind". Frei nach der Devise "Was gibt mir am meisten?" suchen sie Halt und halten sich daher an die unterschiedlichsten Dinge. Sie schaffen sich, einer "Fleckendecke" gleich, einen eigenen Glauben unterschiedlichster religiöser Erfahrungen. Das mag für einen einzelnen Menschen ein Ruhekissen ergeben. Fundament einer tragfähigen, lebendigen Gemeinschaft ist es nicht. An andern erleben wir, wie sie versuchen, mit allen möglichen Mitteln
ihre Zukunft zu ergründen, sie in den Griff zu bekommen. Sie leben
im Morgen und vergessen, was ihnen heute Kraft und Lebensinhalt geben
könnte. Sie kennen ihre christlichen Wurzeln kaum mehr. Diese scheinen
ihnen gleichgültig zu sein. Doch deswegen ist nicht alles gleich
gültig! Denn wer sich von seinen Wurzeln trennt, kann nicht mehr
wachsen, der welkt und wird schwach. In drei Anliegen bedeutet er ihnen, was seiner Überzeugung nach heute gilt. Und die sind: Lasset uns am Bekenntnis festhalten! Drei Anliegen! Machen wir sie zu unserer Angelegenheit! Am Bekenntnis festhalten wollen wir! Um welches Bekenntnis geht es dem Apostel? Hier sagt er, es gehe um
Jesus Christus, den Sohn Gottes, der Zugang habe zum Vater. Etwas später
prägt er dafür den eingehenden Satz: "Jesus Christus,
gestern und heute derselbe und in Ewigkeit" (13,8). Wer sich daran festhielt, bekannte öffentlich sein volles Vertrauen
in Jesus Christus als dem einzigartigen, allen Mächten weit überlegenen
Hohenpriester. Einzigartig, weil er entgegen dem gesellschaftlich geachteten
Hohenpriester nicht abgesondert vom Volk den Zugang zu Gott gewährt,
sondern weil er in seinem Vertrauen zu Gott versucht war und wie wir
Schwäche erfahren hatte. Doch dabei blieb er standhaft und zeigte
aller Welt, dass niemand seiner Schwachheit erliegen muss. Noch einmal: Festhalten am Bekenntnis heisst, in aller Öffentlichkeit dazu stehen, dass Christus so wie gestern auch heute und morgen unser Verhalten bestimmt. An dem, was wir bekennen, werden wir erkannt. Und unsere Mitmenschen sollen erkennen, dass wir unseren nächsten Weg mit Blick auf ihn gehen wollen. Mit dieser Sicht zu ihm hin, also mit Zu-Versicht zu dem, der für uns gelitten hat, schliessen wir uns der Aufforderung des Apostels an: "Mit Zuversicht wollen wir zum Gnadenthron Gottes treten!" Mit dieser Sicht auf ihn wollen wir gemeinsam den Weg dahin gehen, einander beistehen, um vor Gott Rechenschaft abzulegen für das eigene und das gemeinsame Leben. Zuversichtlich also, werden wir uns dem scharf unterscheidenden Wort Gottes (4,12) auszusetzen, denn wir wissen: Er wird uns gnädig sein und barmherzig zu rechter Zeit. Wenn immer wir es nötig haben, wird er sich unsere Not zu Herzen nehmen. Dankbar dafür, dass uns seine Gnade und Barmherzigkeit umfängt, halten wir am Bekenntnis fest: "Jesus Christus, gestern und heute derselbe und in Ewigkeit." Amen Heinrich Rusterholz Pfarrer i.R.
|
(zurück zum Seitenanfang) |