Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Okuli, 14. März 2004
Predigt über Epheser 5, 1-8a, verfaßt von Ulrich Nembach
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Epheser 5:1 So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder
2 und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch.
3 Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört.
4 Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung.
5 Denn das sollt ihr wissen, daß kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger - das sind Götzendiener - ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes.
6 Laßt euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams.
7 Darum seid nicht ihre Mitgenossen.
8 Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn.

Not: business as usual

Liebe Gemeinde,

die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns. Amen

Wir beginnen unsere Gottesdienste mit der Bitte um Gottes Erbarmen. Wir singen: Kyrie eleison.
Lassen Sie uns heute die Predigt ebenfalls mit der Bitte um Gottes Erbarmen beginnen. Wir singen: Kyrie eleion, Christe, eleison, Kurie eleison.

I.

Menschen starben in Madrid. Manche werden noch sterben. Sie haben die Klinik erreicht, Ärzte und Schwestern kämpften um ihr Leben, aber der Anschlag traf sie zu heftig. Andere werden ihr weiteres Leben unter den Folgen leiden müssen. Der heute Sonntag geht nicht weiter, indem er einfach dort fortfährt, wo der letzte vor 7 Tagen aufhörte. Not Business as usual.

Denken wir über die Menschen nach, die Opfer, ihre Angehörigen und die Täter – ja, auch über sie. Polizei, Ermittlungsbehörden haben die Aufgabe, nach den Tätern zu suchen. Das müssen sie tun. Das ist ihre Aufgabe. Sie dient u.a. dem Schutz des Staates, seiner Bürger in Spanien, in Europa, der Welt. Spanien ist ein Teil Europas. Europa lebt in dem Raumschiff Welt, ohne das wir alle nicht leben können. Für die Ermittlungsbehörden ist die anstehende Aufgabe Alltag, aber auch für sie in dieser Dimension nicht alltäglich, not: business as usual.

Für die Menschen, die weiter morgens nach Madrid zu Ihrer Arbeit fahren werden, fahren werden müssen, steht die Fahrt morgens und auch die abends unter dem Schrecken des Erlebten, und doch müssen diese Fahrten Alltag werden. Business as usual im not business as usual.

Und die Täter? Wer sie auch sind und was sie immer gewollt haben, sie haben den Alltag der anderen und damit ihren eigenen verändert. Not business as usual.

II.

Unser heutiger Predigttext– ich habe ihn mir nicht ausgesucht – nennt eine ganze Liste von menschlichen Fehlern. Es sind vergleichsweise kleine mit dem Geschehen von Madrid. Die Folgen dieser Fehler – ich könnte sagen: die Fehler dieses Business as usual unseres Alltags – sind Ausschluss vom Erbteil am Reich Gottes und ziehen den Zorn Gottes auf die Täter. Was meinen die Täter von Madrid? Vielleicht halten sie nicht viel von Gott. Vielleicht meinen sie gar, ein Gott wohlgefälliges Werk getan zu haben. Nur Gott sagt: „Du sollst nicht töten“. Gott ist nicht abhängig von der Meinung dieses oder jenes Menschen. Mag einer an ihn glauben, ihn für real existierend halten oder nicht, Gott ist davon nicht abhängig.

Es gibt ein Lied, ein Kinderlied. Wir kennen es alle. Es handelt vom Mond. Es sagt, dass der Mond rund und schön auch dann ist, wenn wir ihn nur halb sehen.

Ähnliches wollte wohl der Schreiber sagen, der unseren Text schrieb.

Was ihr, ihr Leser, Tag für Tag tut – wir können hinzufügen: und das, was ihr Täter Außergewöhnliches, Absurdes, Tödliches, Menschen in Leid Stürzendes tut – denkt daran, dass Gott nicht alles grade sein lässt! Er zieht Konsequenzen!

Im Galaterbrief lesen wir dasselbe, nur mit schärferen Worten ausgedrückt. Dort heißt es: „ Irret euch nicht ! Gott läßt sich nicht spotten . Denn was der Mensch sät, das wird er ernten“. Das ist ein sehr hartes Wort. Aber es ist freundlich gemeint. Es ist eine Erinnerung, eine Mahnung, keinen Fehler zu machen. Denn dieser Fehler ist tödlich.

III.

Ist die Mahnung ein Trost für die Leidenden in Madrid? Nein, werden viele sagen. Ich denke, dass sie Recht haben, denn diese Mahnung ist nicht an sie gerichtet, gilt nicht ihnen. Die Bibel unterscheidet genau zwischen Adressaten, versendet keine Massendrucksachen.

Unser Text beginnt mit einer Anrede. Sie werden als „geliebte Kinder“ gesehen. Geliebte Kinder werden nicht allein gelassen. Liebe meint „Zuwendung“. Die Worte „Ich liebe dich“ sagen, dass ich auf den anderen geradezu fixiert bin und mich freue, wenn der andere auch auf mich fixiert ist. Wir sind ein Duo.

Gott schritt nicht gegen den Anschlag ein, ließ ihn geschehen. Mancher fragt darum erregt: Wie konnte Gott das zulassen? Ich weiß nicht warum. Ich frage mich auch: musste das sein? Und ich meine: Das musste, durfte nicht geschehen! Dennoch geschah es.

Liebe Gemeinde, wir kommen von Weihnachten, und wir gehen auf Ostern. Zurzeit leben wir in der Passionszeit, der Zeit der Erinnerung an das Leiden Jesu Christi. Die Passion Jesu war eine Passion. Der neue Jesus-Film ist umstritten, weil er schonungslos das Leiden Jesu zeigt. Wir meinen, dass das zu weit geht. Ja, geht der Film zu weit, oder ging das Leiden Jesu zu weit?

Damit ist die Geschichte Jesu nicht zu Ende. Sie geht weiter. Der Ostermorgen folgt auf das Leiden. Auf den Tod.

Gott lässt die Seinen nicht allein. „Die geliebten Kinder“ werden nicht nur so an schönen Tagen, sondern auch an leidvollen so angeredet. Gott kam in die Welt – das ist die Botschaft, die gute, die schöne Nachricht von Weihnachten. Da kommen wir her. Diese Nachricht ist nicht in der Passionszeit vergessen. Wir können in der Passionszeit singen „Kyrie, eleison, Herr, erbarme dich“. Denn es hört uns der Herr. Er kam Weihnachten. Gott sandte seinen Sohn.

Gott lässt die Seinen nicht allein. Ich habe mir einmal unser Gesangbuch daraufhin angesehen, was dort zum Leid gesagt wird. Das Gesangbuch ist ein Geschichtsbuch, in dem steht, wie Christen das Leid erlebt, erlitten und Gott mit dem Leid, ihren eignen Leid in Verbindung brachten. Als ich mir das Gesangbuch so ansah, stellte ich fest, dass das Leid nicht unbesiegbar ist. Die Berichte der Dichterinnen und Dichter über ihr Leid sind immer auch Berichte, dass Gott sie nicht vergaß. Das Leid trifft Menschen immer wieder, es ist fast Alltägliches. Es gibt Kriege in … und nun können wir und konnten früher Menschen reihenweite Namen von Ländern einfügen. Es gibt Mord in … und wieder können wir uns konnten früher Menschen Namen reihenweise einfügen. Es ist Business as usual
Aber – und dieses Aber ist entscheidend – wird durch das Not Business as usual Gottes abgelöst. Ostern steht vor der Tür. Heute singen wir, singen wir verzweifelt „Kyrie eleison“, aber morgen erleben wir Ostern. Amen

Prof. Dr. Dr. Ulrich Nembach
ulrich.nembach@theologie.uni-goettingen.de


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