Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Palmsonntag, 4. April 2004
Predigt über Philipper 2, 5-11, verfasst von Albrecht Weber
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


(Vorbemerkung: Für den Gottesdienst empfehle ich, die Epistel des Palmsonntags (Phil. 2,5-11) anstelle des Psalms in der sprachlich eindrucksvollen Lutherübersetzung durch die Gemeinde beten zu lassen (EG 760), zur Straffung des Abendmahlsgottesdienstes die Epistellesung zu streichen und unmittelbar vor der Predigt die präzisierende Neuübersetzung des Textes von Berger/Nord zu verlesen. A.W.)

„So sollt ihr miteinander umgehen, wie es für die Gemeinschaft mit Jesus Christus selbstverständlich ist.

Jesus Christus hatte Gottes Gestalt. Doch er meinte nicht, daß jemand, der Gott ähnlich ist, wie entrückt und fern von Leiden und Tod sein müsse. Deshalb hat er auf sein Vorrecht verzichtet und hat Sklavengestalt angenommen.
Er wurde wie wir Menschen, führte genau ein Leben wie wir, / wurde elend wie wir und gehorchte Gottes Auftrag bis zum Tod am Kreuz.

Deswegen hat Gott ihn in den höchsten Rang erhöht und ihm erlaubt, sich Gott nennen zu lassen, denn er hat ihm seinen eigenen Namen verliehen, den Namen über alle Namen.
So soll alles im Himmel, auf Erden und unter der Erde ihn anbeten, / und alle Menschen sollen zur Ehre Gottes, des Vaters, bekennen: `Jesus Christus ist der Herr. `“
(Das Neue Testament…übersetzt und kommentiert von Klaus Berger und Christiane Nord, 208)

Gemeinde Jesu!

„Celebrity spotting“ heißt in Englisch ein modernes Spiel: Man begibt sich an einen Ort, an dem eine berühmte Persönlichkeit vorbeikommt oder speist. Hat man die Persönlichkeit entdeckt, fühlt man sich von dieser mit nach oben genommen und wenigstens für Sekunden oder Minuten in eine sonst kaum zugängliche Welt versetzt. Dort, wo wir die Berühmtheiten nicht selbst zu Gesicht bekommen, helfen uns entsprechende Fernsehberichte, Illustrierte oder Bücher.

Die Persönlichkeiten, die wir da sehen, symbolisieren uns eine Welt der Stärke, der Souveränität und des Erfolges. Weil das so ist, sind wir sehr irritiert, wenn diese Welt souveräner Beherrschung der Lage Risse bekommt. So sahen wir in diesen Tagen bei der Trauerfeier für die Opfer in Madrid die Mitglieder des spanischen Königshauses weinen. Bei einer kürzlich gesendeten Talk- Show deutete die vielfache Eisschnelllauf- Weltsiegerin Anni Friesinger an, dass schon ein fataler Unfall oder Sturz ihre ganze großartige Karriere abrupt beenden könne. Und ein Boxer, der 10 Jahre lang den Weltmeistertitel verteidigt und vor kurzem verloren hatte, war in dieser Sendung noch schwer gezeichnet von seinem letzten Kampf.

„Celebrity spotting“ ist ein unterhaltsames Spiel. Es hat nur einen deutlichen Nachteil: Menschen, die gerade auf der Schattenseite des Lebens stehen, kommen da nicht vor, haben da keine Chance. Wer wollte denn schon einen Obdachlosen beobachten, einen entlassenen Strafgefangenen oder einen hoch qualifizierten Arbeitslosen, der sich mit 45 Jahren 119 mal vergeblich beworben hat und nun 100 Prominente angeschrieben hat, um Antwort auf die Frage zu bekommen: „Was können wir tun, um die Verantwortung, die wir übernehmen wollen, auch zu bekommen?“ Nur 33 Angeschriebene antworteten. Nur wenige Antworten waren hilfreich.

Obwohl heute viele einstmals hoffnungsvolle Karrieren plötzlich wie in einer nicht angezeigten Sackgasse stecken, werden sie noch immer gegeben: Die Ratschläge zum Erfolg.
In den „Stufen zum Karriere- Erfolg“ heißt es u. a.:
Setzen Sie sich ein Ziel.
Seien Sie begeistert von sich und Ihrer Idee.
Überlassen Sie nichts dem Zufall- Planung ist das A und O.
Üben Sie sich in Ausdauer, und lernen Sie auch, Fehlschläge einzustecken.
Seien Sie optimistisch- glauben Sie an den Erfolg.
Sprechen Sie mit sich, das fördert die Konzentration.
Suchen Sie sich einen Mentor, der Sie fördert und unterstützt.
Suchen Sie sich Vorbilder, denen Sie etwas abschauen können.
Seien Sie mutig, wagen Sie etwas.

Wir wollen nun einmal sehen, ob sich Jesus Karriere- gemäß verhalten hat und wie wir als Christen in seinem Dienst „Karriere“ machen können:

Setzen Sie sich ein Ziel. Das Ziel Jesu war nicht, groß herauszukommen, schließlich war er ganz oben. Er hatte Teil an Gottes Majestät im Himmel. Wie der Vater wurde er von Tausenden von Engeln angebetet und verehrt. Nichts störte das himmlische Glück, nichts störte diese himmlische Harmonie. Das einzige, was Gott störte, war das Elend der Menschen, ihre Gottesferne, ihre Orientierungslosigkeit, ihre Vorurteile, Abhängigkeiten und ihr Versklavtsein an Bosheit und Tod. Das wollte Gott ändern. Das wollte Jesus ändern. Darum wurde der Sohn Gottes Mensch, um Menschenschicksal zu teilen, um Menschenschicksal zu verstehen.

Seien Sie begeistert von sich und Ihrer Idee. Nirgendwo in der Bibel wird berichtet, dass Jesus von sich selbst begeistert war. Aber er, ein Geschöpf des göttlichen Schöpfer- Geistes im Leib der Maria, war zu seiner Taufe mit dem Heiligen Geist für seine Mission ausgerüstet und seitdem be-geistert von Gott und dem Plan seiner Liebe. Der Plan der Liebe des Vaters war fortan auch der Plan Jesu. Später wird er seine Jünger anblasen als äußeres Zeichen dafür, dass sie neue Kraftzufuhr, neues Leben aus der Kraft des göttlichen Geistes für alle Höhen und Tiefen ihres Lebens, erhalten.

Überlassen Sie nichts dem Zufall- Planung ist das A und O. Jesus hat in der Tat nicht auf den blinden Zufall, sondern auf die Führung Gottes und damit auf das Zufallen lassen durch Gott gesetzt: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles- z.B. Essen, Trinken, Kleidung-, zufallen.“ (Mt 6, 31-33) Die „Planung“ Jesu bestand darin, völlig uneigennützig in Liebe für Menschen da zu sein, z.B. für die Schuldigen, die Blinden, die Gelähmten und die nach Leben und Gott Dürstenden. Seine „Planung“ bestand weiter darin, durch steten Umgang mit seinem Vater in Hören und Beten herauszufinden, welchen Plan Gott selbst für und mit ihm habe. Dabei hat er herausgefunden, des Vaters Plan bestehe darin, dass er hingerichtet und nach drei Tagen auferstehen werde (z.B. Mt 16, 21-23). Fast wie ein wohlmeinender Karriereberater nahm Petrus Jesus nach dieser Ankündigung beiseite und beschwor ihn leidenschaftlich, diesen schmählichen Leidensweg nicht zu gehen. Aber Petrus musste sich mit Jesu Antwort begnügen, er meine, was menschlich und teuflisch und nicht, was göttlich ist (ebd.). Petrus hatte richtig erkannt, und die Geschichte vom Einzug Jesu beweist es, dass Jesus eine steile Karriere auf Erden hätte anstreben können und dabei zum Liebling der Massen geworden wäre. Aber spätestens nach der Ankündigung seines bitteren Todes mussten die Jünger erkennen, dass Jesus keinen Erfolg für sich, keine Karriere im üblichen Sinn angestrebt hat, sondern allein auf den Willen des Vaters und die Rettung der Menschen bedacht war. Hierfür war Jesus bereit, alle eigenen Vorteile und Erfolge zu opfern.

Üben Sie sich in Ausdauer, und lernen Sie auch, Fehlschläge
einzustecken.
Menschliche Ausdauer kann sehr schnell an ihre Grenzen kommen. Wo
aber Menschen wie Jesus auf Gott, seine Kraft und Führung, vertrauen,
können auch aussichtslos erscheinende Lagen bestanden werden. Wir
werden im Laufe dieser Heiligen Woche sehen, wie Jesus im Garten
Gethsemane zitterte und zagte, wie er mit Gott rang, bis er die
Anfechtung überwunden hatte und sich für seinen schweren letzten Gang
ganz Gott anvertraute.
Selbst am Kreuz hat Jesus am Ende vertrauensvoll seinen Geist
in Gottes Hände befohlen (Lk 23, 46). Weil Jesus auf Gott und nicht auf eine
Karriere schaute, weil ihm an Gottes Willen und der Rettung der Menschen
gelegen war, hat Gott seinen Mensch gewordenen Sohn eine „Karriere“
machen lassen, die ihresgleichen sucht.
Deswegen hat Gott ihn in den höchsten Rang erhöht und ihm erlaubt,
sich Gott nennen zu lassen, denn er hat ihm seinen eigenen Namen
verliehen, den Namen über alle Namen.
So soll alles im Himmel, auf Erden und unter der Erde ihn anbeten, / und
alle Menschen sollen zur Ehre Gottes, des Vaters, bekennen: `Jesus
Christus ist der Herr. `“ Das ist nicht ein selbstverständliches Happy
End: Das ist aber Gottes großartiger Weg, den ihm treu ergebenen Sohn,
den Menschen in ihrer Bosheit vernichtet hatten, allen vorzustellen als
den König der Menschheit und den Herrn des Universums. Dies ist eine
„Karriere“ dank göttlicher Intervention, nicht am Kreuz vorbei, sondern
durch das Kreuz hindurch. Denn die wahre Liebe durchkreuzt alles einseitige
Streben und Blicken „nach oben“; sie nimmt Geringe wahr und teilt ihr Los.
Wie können wir nun diesem selbstlosen und hingebungsvollen Lebensstil Jesu entsprechen?

Seien Sie optimistisch- glauben Sie an den Erfolg. Das klingt für uns Christen zu plakativ und zu simpel. In einer Welt, in der es Neid, Streit, Terror und Krieg gibt, stimmen uns solche Thesen eher ärgerlich. Aber da, wo wir das Kreuz des Leidens, des Schuldigwerdens, der Krankheiten und des Sterbens über dieser vergehenden Welt sehen, können wir doch seit Ostern hoffnungsfroh bleiben: Weil Jesus seit Ostern über dieser vergehenden Welt das Licht österlicher Verheißung hat aufgehen lassen, darf unser tiefstes Lebensgefühl das der aus Gott geborenen Zuversicht sein. Gott wird die Welt in seiner Liebe vollenden, so wahr er seinen Sohn nicht im Tod ließ, sondern über Ostern und Himmelfahrt in seinem Reich schon vollendet hat. Die Mitte unserer dunklen Nächte kann so wie in Jesu Geschick mit Gottes Hilfe zum Anfang eines neuen Tages werden!

Sprechen Sie mit sich, das fördert die Konzentration.
Suchen Sie sich einen Mentor, der Sie fördert und unterstützt.
Suchen Sie sich Vorbilder, denen Sie etwas abschauen können.

Wir Christen sprechen nicht mit uns selbst, sondern mit unserem Herrn und Erlöser wie auch mit unserem Vater im Himmel. Das fördert unsere Konzentration auf das, worauf es wirklich ankommt. Wir suchen die Gegenwart von Christen, die in der Gemeinschaft mit Christus schon erfahrener sind als wir, und wir suchen uns Vorbilder, die im Geist Christi nicht ängstlich an Privilegien und Vorrechten festgehalten, sondern sie in Christi Dienst weggelegt haben. Neulich hat in einer Fernsehsendung ein ehemaliger Arzt berichtet, wie er sich selbst jetzt als Fraktionsvorsitzender in einem deutschen Landtag um Obdachlose bemüht. Als Vietnamese hatte er einst in Vietnam in einem Waisenhaus der katholischen Kirche Aufnahme gefunden und war dann von einem deutschen Arzt adoptiert worden. Die Adoptiveltern hatten ihm eine gute Ausbildung zukommen lassen. Aber er hatte seine Lebensgeschichte nicht vergessen- und auch nicht die Not, die er als Kind erlebt hatte. Er wurde Christ, und als solcher versucht er, die Liebe, die er selbst erfahren hat, auch außerhalb seines Berufes an Benachteiligte weiterzugeben.

Dürfen Christen Karriere machen? Natürlich! Es ist in der Regel jedoch keine Karriere auf Kosten anderer und keine Karriere um jeden Preis. Wie auch immer berufliche Laufbahn oder erwerbslose Durststrecken von Christen aussehen mögen: Wie bei Jesus sorgt Gott für ihre eigentliche „Karriere“, ohne dass sie unentwegt auf sie schielen müssen. Wie andere Menschen widmen sich Christen ihrem Beruf, aber sie wissen: Gott hat noch Größeres mit uns vor. Erinnern Sie sich? Der letzte Karriere- Tipp lautete: Seien Sie mutig, wagen Sie etwas! Es erfordert großen Mut, eben den Mut zu dienen (De-Mut!), wieJesus seine Position nicht gegen andere auszuspielen. Es erfordert großen Mut, wie Jesus nicht selbstgenügsam das eigene, familiäre oder nationale Glück ängstlich und eifersüchtig zu pflegen, vielmehr Fremde und vom Schicksal Benachteiligte an diesem Glück teilhaben zu lassen. Aber dieser Wage- Mut allein gibt der Welt einen himmlischen Glanz, allen Dunkelheiten zum Trotz!
Haben wir nicht Lust, „celebrities“ zu beobachten? In dieser Heiligen Woche haben wir die Gelegenheit, die „celebrity“ der Ewigkeit anzuschauen: Ihr Weg führt aus Liebe von höchster Höhe in die größte Tiefe und durch Gottes Erbarmen in eine unerhörte Erhabenheit! Lassen wir uns doch für unser Leben von dieser höchsten „celebrity“ und ihrem Weg inspirieren! Amen

Dr. Albrecht Weber, Pfarrer an der  Ev.-luth. Stadtkirche Delmenhorst
("Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit")
Schönemoorer Str. 12
27753 DELMENHORST
 
Tel.: 04221 56308
Fax: 04221 58 80 60,
 

 


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