Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Gründonnerstag, 8. April 2004
Predigt über 1. Korinther 11, 23-26, verfaßt von Reinhard Schmidt-Rost
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


(Predigt zum Gründonnerstag, den 8. April 2004 über den Perikopentext der II. Reihe unter Rücksicht auf die fünfte „Invokavit-Predigt“ Martin Luthers über das Heilige Abendmahl)

Kein Streit um die äußere Gestalt!

"Denn vom Herrn habe ich empfangen, was ich euch weitergegeben habe:
Unser Herr Jesus Christus, in der Nacht, in der er dahin gegeben wurde, nahm er das Brot, dankte und brach’s und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis.
Sooft ihr nämlich dieses Brot eßt und aus diesem Becher trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt."

Liebe Gemeinde,
manche Menschen sprechen ein Tischgebet, bevor sie den Löffel in die Suppe tauchen:

Vater, segne diese Speise,
Komm, Herr Jesu, sei du unser Gast
Danket, dem Herrn, denn er ist freundlich ...

Oder: wie wir gesungen haben: Aller Augen warten auf Dich Herr ...

Manche Menschen sprechen sogar in öffentlichen Räumen, in der Mensa, in Gaststätten ein Tischgebet, dann allerdings meist still für sich, halböffentlich, aber doch kenntlich.

Die religiöse Verunsicherung ist in der Gegenwart groß: Wie soll man mit dem Heiligen umgehen? Wie soll man sich Gott nahen, wie soll man die Kommunikation mit Gott gestalten?

Soll man seine Schuhe ausziehen, wenn man sich dem Altar nähert,
soll man als Frau ein Kopftuch aufsetzen, wenn man in die Öffentlichkeit geht?

Die Verunsicherung war aber auch schon im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung gegeben, es war ja auch ein durch und durch plurales Zeitalter:

Der Apostel Paulus hat die Gemeinde in Korinth in solchen Fragen beraten, bei Eheschließung und bei Opferhandlungen, und auch bei der Frage einer angemessenen Erinnerung an Jesus Christus, und er hat gesagt, was sie tun sollen: Ganz schlicht nach’spielen’ und dabei nacherleben, was Christus beim letzten Essen mit seinen Jüngern gemacht hat:

Nehmt das Brot, das ist mein Leib,
nehmt den Wein, das ist mein Blut.

Alles ganz schlicht, ohne große Rezepte und rituelle Weisungen, ob man das Brot als einfacher Mensch ohne Priesterweihe anfassen darf, ob man Brot und Wein zu sich nehmen darf.

Wenn sie ohne großen Aufwand das Mahl feiern würden, konzentriert auf die Erinnerung an Christus, dann würden sie schon merken, wie nahe er ihnen steht.

Die Worte des Apostel Paulus sind die ältesten erhaltenen Anweisungen zum Herrenmahl; sie zielen und treffen in eine konkrete Gemeindesituation, in der Ordnung und gegenseitige Rücksichtnahme verloren zu gehen schienen, die Wohlhabenden sättigen sich in Gegenwart der Darbenden, Trunkenheit stört das feierliche Erinnerungsmahl.

Dabei ist es doch mehr als ein konkrete Situation, es ist eine Szene von globaler Bedeutung: Die Gemeinde erinnert sich an ihren Herrn, der opfert sich für seine Diener, der Lehrer für seine Schüler, er gibt ihnen sein Leben. Er lässt sich schlagen für seine Freunde, die sonst geschlagen worden wären.
Der Hirte tritt den Wölfen entgegen ... gibt sein Leben für die Schafe ...

Bevor wir weiter über die Bedeutung dieses Mahles und seine Interpretation nachdenken, wollen wir noch einen Schritt in der Geschichte der Kirche voranschreiten:

Auch Martin Luther hatte in den Anfängen der Reformation mit der Frage zu kämpfen, wie man sich Gott richtig nähert: Seine Mitarbeiter, nette, aber ein bißchen hitzköpfige junge Leute, wollten das Kind mit dem Bad ausschütten: Jeder Christ, - und das hieß damals: Jeder Mensch - , muß das Abendmahl in beiden Gestalten erhalten, als Brot und als Wein, und er muß es annehmen, und am besten noch mit beiden Händen ergreifen, um es zu begreifen.

Martin Luther hat solchen einzelnen Vorschriften heftig widersprochen, hat den Hitzköpfen Einhalt geboten und geraten: Laßt es doch gut sein, zwingt die nicht, die noch so sehr an die Bräuche gewöhnt sind, wie es bisher üblich war. Warum wollt Ihr denn euer Verfahren durchsetzen? Dadurch wird Gottes Wort nicht klarer, sondern vielmehr ganz und gar unklar. Es wird ein Instrument für den Machtkampf. Man bekommt wieder den Eindruck, als müsste man bestimmte Voraussetzungen erfüllen, ehe man Zugang zum Heil der Seele bekommt, dann kann man gleich wieder Anteilsscheine verkaufen. Aber es geht doch darum, dass Gottes Wort klar zum Ausdruck kommt; die Menschen sind von Gott zur Freiheit berufen, deshalb gibt er Brot und Wein, schenkt Unabhängigkeit von den Grundbedürfnissen.

Luther spürte natürlich, dass es hier um einen Machtkampf ging, seine jungen Leute, die er in seinem Versteck auf der Wartburg hatte aus den Augen lassen müssen, wollten natürlich ihre weltliche Machtposition in Wittenberg auskosten und womöglich ausbauen, aber genau das wäre für das Evangelium tödlich. Für das Evangelium kann man nur mit Freundlichkeit werben, es ist der Stoff, aus dem die Liebe ist.

Jede Religion sucht nach einer angemessenen Gestalt ihres Glaubens; die ganze Christenheit auf Erden sucht seit bald zweitausend Jahren nach einer sichtbaren Gestalt für ihren Glauben, der ja als Kraft unsichtbar ist und gerade deshalb nach Gestaltung verlangt.

Die Worte Christi am letzten Abend sind weitergegeben worden über nun bald 2000 Jahre, wie es der Apostel in den Anfängen in Korinth empfohlen hat: Kein großes, kaltes Buffet, kein Fünf-Gänge-Menue, das sich nur die ganz Reichen leisten können, etwas Brot, etwas Wein, das solls sein, das reicht aus, um den Hunger der Seele zu stillen, die Energie des Glaubens zu erneuern. Die Seele ist, wie man weiß, genügsamer als der Leib; sie spürt im Teilen des Brotes die Gemeinschaft und hat damit genug ...

Aus Mitteilen wird mehr ... das ist das Geheimnis des Glaubens ...

Jesus hat sich mitgeteilt, das ist der Sinn dieses gemeinsamen Essens, jetzt und für alle Zeit, Jesus hat sich geopfert, aber nicht wie die Alten dachten, um den bösen, rachsüchtigen Gott im Himmel zu besänftigen, sondern, um ihnen sein Blut als Lebenskraft zu transfundieren: Das Abendmahl ist eine Blutspende ...

So hat mir ein jüngerer Ausleger neulich das Abendmahl näher gebracht: Hier wird keiner ermordet, damit andere leben können, das ist eine antike Vorstellung, die sich leider auch im Christentum viel zu lange gehalten hat.

Die moderne Medizin lenkt die Gedanken auf eine andere Möglichkeit, den Tod Christi zu verstehen: Es ist der Einsatz des Lebens für andere, aber eben eher so, wie Eltern ihre ganze Kraft für ihre Kinder einsetzen und dabei auch verbrauchen oder wie Menschen ihr Blut spenden, - oder um das dramatischste Beispiel zu nehmen: Wie eine Knochenmarkstransplantation, bei der ja der Spender sein Leben einsetzt, um das Leben eines (Leukämie-)Kranken zu retten.

Alle Fragen, wie dieses Mahl zu feiern sei, sind völlig gleichgültig, wenn nur deutlich wird: Hier gibt einer sein Leben für das Leben der Gemeinschaft ein.

Liebe Gemeinde,
alle Menschen dürfen von diesem Lebensmittel essen, dürfen Brot und Wein genießen, jeder der es will, soll es bekommen, wir sortieren nicht nach würdig und unwürdig, das ist nicht Aufgabe von Menschen, das ist Gottes Werk: Wem er den Glauben an die Wirkung dieser Gabe schenkt, dem wird er auch die gute Wirkung dieser Gabe schenken.

Ich könnte es zuspitzen und sagen: Wenn jetzt eine Frau mit einem Kopftuch zum Altar träte, ob jung oder alt, ich würde ihr Brot und Wein anbieten, und wenn sie es nähme, würde ich mich darüber sehr freuen, denn sie ließe sich von den guten Gaben Gottes stärken, das Gute zu tun.

Mehr will ich nicht, mehr kann ich nicht wollen, als dass sich die Menschen stärken lassen zum Guten durch die Güte Gottes – und es ist für mich ein besonderes Geschenk, dass ich mithelfen darf, seine Güte auszuteilen.
So wie wir evangelischen Christen das verstehen, sind wir alle berufen, Gottes Güte zu empfangen und auszuteilen!

Amen.

Prof. Dr. Reinhard Schmidt-Rost, Bonn
R.Schmidt-Rost@web.de


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