Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Gründonnerstag, 8. April 2004
Predigt über 1. Korinther 11, 23-26, verfaßt von Karl W. Rennstich
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"Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe:
Der Herr Jesu, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach´s und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben ward, das tut zu meinem Gedächtnis.
Desgleichen nahm er auch den Kelch, nach dem Mahl, und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr draus trinkt, zu meinem Gedächtnis.
Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt"

I. Meditation des Textes

Wir finden Parallelstellen zu diesem Text in Matthäus 26, 28ff, Markus 14, 22ff und Lukas 22, 16ff. Die Abweichungen zwischen den vier Texten sind deutlich . Paulus hat den Zusatz to für euch (hyper hymon ) nur für das Brotwort. Es fehlt beim Kelchwort. Leib ( soma) wird mit neuer Bund ( kainé diadeke) parallelisiert, nicht aber mit Blut ( haima ). Die Prädikatsnomen stehen in umgekehrter Reihenfolge. Soma ( Leib) und haima ( Blut) sind wohl die Übersetzungen des aramäischen bisra und dim. Daraus können wir folgen, dass das Brot- und Kelchwort ursprünglich durch eine Mahlzeit getrennt waren. Mit V 26 will Paulus wohl einen anderen eschatologischen Sinn des Abendmahls zum Ausdruck bringen. Wenn der Kelch (Blut/ Sterben) Anteil gibt an Christus und das Brot Anteil gibt am Leib, dann wird die feiernde Gemeinde zu seinem Leib zusammengeschlossen. Offensichtlich will Paulus den Korinthern (und somit auch uns) unmissverständlich deutlich machen: Glaubende gehören zusammen und sind für einander verantwortlich. Daran erinnert Dietrich Bonhoeffer mit seinem Hinweis, dass Christen als Gemeinde existieren.

Das Abendmahl ist ein Gemeinschaftsmahl und verbindet wie sonst nichts in der Welt Menschen über und vor aller Sympathie. Das Abendmahl ist Schule der Ökumenizität der Kirche Jesu Christi. Zwischen Brot und Wein liegt die Teilhabe und das Teilgeben am Esstisch der Welt, also die Realität von reichen und armen Kirchen, die nur Kirche bleiben können, wenn die Reichen nie den Weg der Teilgabe an irdischen Gütern verlassen. ”Unwürdig essen“ ( anaxios ) ist das tatsächliche Interesse an heute lebenden Menschen in der globalen Welt. Der griechische Begriff axios bedeutet eigentlich die ausbalancierte Waage.

... Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut

Leib und Blut sind auch ökonomische Faktoren. Ein Beispiel dafür ist der Bluthandel. In vielen asiatischen Städten - aber auch in anderen Teilen der Welt - fin­den wir das gleiche Bild: Lange Schlangen von Menschen stehen vor einem Haus. Sie wollen Blut spenden. In Bombay be­kom­men sie dafür 15 Rupien. Das reicht für das Essen der Familie. Und deshalb kommen vor allem die Armen, die sonst keine Einkünfte haben. Viele spenden jede Woche. Und das ist zu­viel. Aber die Armen müs­sen das, um ihre Familie zu ernähren.

Die Geschäfte mit dem Blut machen andererseits eine kleine Gruppe von Arzneifabri­ken, die den ganzen Handel des Blutes aus der Dritten Welt kontrollieren und an die indu­strialisierten Länder verkauft sehr reich. Die Unternehmen bestechen die verantwortlichen Regierungsvertreter, damit sie die Augen vor den schrecklichen Folgen wie beispielsweise den Verkauf von aidsverseuchtem Blut verschließen. Die Verbindung von Blut und Sünde (Korruption) ist eine ökonomische Wirklichkeit globalen Ausmaßes.

Das Böse dürfte eigentlich nicht sein, "aber es ist" (W. Schulz). Und verwandelt verwandelte fünf der sieben Todsünden des Christen­tums in positive ökonomische Tugenden: Stolz, Neid, Geiz, Habsucht und Wollust. Die christlichen Tugenden Liebe, Dankbarkeit und Bescheidenheit gelten dagegen als "schlecht fürs Geschäft."

Das Neue Testament beginnt, historisch gesehen, mit dem wichtigen Satz: ”Wir danken Gott allezeit“ (1.Thessalonicher 1, 2) – das griechische Wort ( eucharistoumen ) wird in der kirchlichen Sprache für Abendmahl verwendete. Eucharistie hängt aber auch mit Gnade ( charis) zusammen. Christen glauben an einen charmanten Gott, der in Jesus Christus den Charme als neue Lebensweise vorgelebt hat.

Das ist mein Leib ....

Der Arzt Gottfried Benn konnte noch schreiben: „Ich lebe vor dem Leib. Leib war früher Synonym für Leben und beinhaltete Personsein, Leben haben und Körperlichkeit: die Leibrente war eine Zahlung auf Lebenszeit. Min lip wurde im Mittelalter und der frühen Renaissance synonym mit„Ich“ verwendet. Während der Leibeigene seinem Herrn mit libe eigen - mit seinem Leben als Person zugehörig war- wurde der Sklave in Amerika als purer Körper mit harter Währung gehandelt nach dem Wert seiner körperlichen Funktionsfähigkeit. Der individuelle Körper musste schließlich dem sozialen Körper weichen. Der einst durch Tabus geschützte und geheiligte Leib wird zur „erleuchteten menschlichen Maschine“, zum profanen Fleisch. Warme Leichen und kalte Embryonen werden nach den Worten des französischen Psychoanalytiker Michel Tort zu den begehrten Objekten der Gesellschaft. Die Industrialisierung des Lebens geht konsequent weiter vom Verkauf der Muskelarbeit in der Sklaverei über die Vermietung des Körpers in der Leihmutterschaft bis zur Organtransplantation.

Auch hier begegnet uns wieder eine Gestalt der Sünde in Form der Korruption im Zusammenhang mit dem gewinnträchtigen Organhandel.

Das Neuwerden ist Teil des eschatologischen Schöpfungshandelns Gottes wie 1 Petr 1,3.23 zeigt. Nach Paulus ist Tod und Auferstehung Jesu Christi der Anbruch der neuen Schöpfung und macht den Menschen zu einer „neuen Kreatur“ (2Kor. 5,17; Gal. 6,17) Der Neue Mensch ist in Christus in der Geschichte schon erschienen. Christus ist der „Erstgeborene aller Schöpfung“ (Kolosser 1.19) und der „Erstgeborene von den Toten“ (Kol, 18). Er ist das Urbild des „Neuen Menschen“ (Epheser 2,15) und verkörpert den Menschen, auf den hin die Welt und der Mensch geschaffen sind. Er ist der „Neue Adam“ (Römer 5, 12-21), der Mensch den Gott vor dem Sündenfall meinte. Das Neusein empfängt der Mensch in der Taufe schon jetzt und wartet gleichzeitig auf das noch ausstehende eschatologische Heil. Johannes nennt es „Neugeburt“ oder “Gottes Kindschaft“(1Joh 1,3).

II. Predigt

Liebe Gemeinde!

Die früheste Form des Gottesdienstes im Neuen Testament ist die Eucharistie. Die Nahrung erinnert uns täglich an unsere Bindung an das Wunder des Le­bens. Die engste Verbindung der Menschen mit den Flüssen und Böden der Erde ist die Nahrung. Von daher ist es auch nicht erstaunlich, dass die meisten Weltreligionen Rituale zur Weihe von Speisen kennen um de­ren Rolle als Stoff des Lebens, zu würdigen. Auch wenn der mo­derne Mensch das vergessen haben sollte, die Mühsal, ausreichende Nahrung zu beschaffen, war immer ein zentrales Element des menschlichen Daseins. Die Historiker lehren uns, dass die frühesten Kulturen sich bilden konnten, weil sie eine neue Strategie zum Nahrungsmittelerwerb organisierten. Voraussetzung dafür war die men­schliche Kommunikation. Gemeinschaft (communio) findet ihre lebendige Gestalt im Essen und Trinken.

Zur gleichen Zeit (etwa um 3000 bis 2000 vor Chr.) wurden durch den Getreideanbau und die Kultivierung des Wein­stocks Brot, Reis und Wein Kulturgüter. Die Weinberge waren "Eigentum der Herrscher, sowohl in Mesopotamien als auch in Ägypten. Der gemeine Mann durfte keinen Wein trinken (Hodges). Die Herstellung von Bier und Wein war "vielleicht das erste Betriebsge­heimnis, dem wir in der Geschichte der Technologie über den Weg kommen".

Essen und Trinken haben eine große Bedeutung für das gesamte Leben. In allen Ländern haben sich die Essgewohnheiten im Laufe der Zeit geändert. Vor allem in den Industrieländern. „Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht“ gilt für alle Bauern in der Welt. Man unterschied schon sehr früh zwischen ”reinen und unreinen Tieren“ und entsprechend spielt bis heute die Essgewohnheit der Menschen eine wichtige Rolle. An ihrem Essen kann man die unterschiedlichen Religionen erkennen. Kühe und Schweine sind bis heute Ursache ”heiliger Kriege“ zwischen den islamischen und hinduistischen Indern.

Jede Mahlzeit verbindet den Menschen mit den schaffenden Kräften des Lebens, mit dem ewigen Leben der Gottheit. Die Mahlzeit ist nach der Überzeugung der Kanaken von Neukaledonien der lebendige Sammelplatz der Nahrungskräfte des Bodens und der Menschen der Vergangenheit und erfordert deshalb die Inbrunst des gesamten Wesens und schweigendes Kauen. Essen und Trinken sind ein richtiges Sakrament. Deshalb steht neben dem Tempel oft das Schlachthaus, denn Fleisch muss vorher durch Opfer ”geheiligt“ werden.

Die Essensgewohnheiten führten in der urchristlichen Gemeinde zur harten Auseinandersetzung und wurde zu einem der wichtigsten Themen bei den ersten christlichen Vollversammlung. Paulus zahlte schließlich mit seinem Leben für diese Einheit, indem er selber das Zeichen der Verbundenheit, die Kollekte aus den nichtjüdischen Gemeinden als Zeichen der Einheit nach Jerusalem brachte. In seinem Schreiben an die Gemeinde in Rom ermahnt er die ”Schwachen“ und ”Starken“ im Zusammenhang mit dem Essen von Opferfleisch, sich gegenseitig zu achten.

Essen und Trinken entwickelte sich in Israel vom Familienfest zum kultischen Mahl. Die christliche Gemeinde übernimmt diese Vorstellung, dass das Mahl kein Privatangelegenheit ist, sondern immer mit dem Transzendenten verbindet. Deshalb steht die Danksagung, das Tisch-Gebet am Anfang. In Malaysia, wo ich lange lebte, kennt man das ”Essen der Reisseele“, zu dem jedes Glied der Großfamilie den neuen Reis mitbringt. Neuer Reis und Segen ( barkat ) gehören zusammen. Essen ist mit dem Almosen verbunden, denn wer von seinem Essen nicht etwas abgeben will, wird auch den Segen nicht erhalten.

Vom Essen und Trinken führt der Weg zur Ethik als dem rechten Verhalten im Angesicht Gottes; es wird zum Kriterium; ”Was ihr getan habt Einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das hab ihr mit getan“, sagt Jesus und erwähnt dabei Essen und Trinken zuerst (Matthäus 25, 35ff). Auch bei Paulus ist das Essen und rechte Verhalten der Christen beim Abendmahl Kriterium (1.Korinther 8-10 und 11): alles kommt auf die Gemeinschaft ( koinonia ) an.

Weil im Blut das Leben (oder die Seele) wohnt, ist Blut nicht für den Menschen, sondern für Gott- oder wie in Malaysia bei den Rungus-Dusun- für die Geister bestimmt. ”Segen“ fasst das zum Leben Notwendige ( koposizon ) mit dem Leben ( koposizan ) zusammen. Den Ort, wo man das zum Leben Notwendige aufbewahrt, nennt man ”sulap “, Reisscheune. Im sulap hat das Leben (” koposizan “) seinen Wohnort. Das ganze Leben untersteht der adat , dem Gesetz; es regelt das Leben.

Die Runguschristen in Sabah bauen deshalb ihre Kirchen nach dem Model der Reisscheune; sie wollen damit zum Ausdruck bringen, dass das zum Leben Notwendige und das Leben schlechthin ihre Quelle im Gottesdienst hat. Eucharistie heißt ”Mahl des Herrn Jesus“, ( pokinakanan di Tuhan Yesus ); Grundprinzip der Ökonomie ist das Teilen mit den Gliedern der Familie, mit den näheren und weiteren Verwandten und mit dem Gast und darüber hinaus mit jedem, der um etwas bittet.

Das Mahl des Herrn ist Quelle eines neuen Denkens

Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.

Die Kraft, die aus dem Mahl des Herrn bis heute erwächst, zeigt die folgende Geschichte, die ich vor einigen Jahren in Sabah erlebte.

Als junger Pfarrer aus Deutschland saß ich mit seinem Sprachlehrer vor dem Haus auf der Treppe. Im Garten spielten unsere beiden Töchter. Sie waren gleichen Alters aber unterschiedlich in Größe und in ihren Lebensgewohnheiten. Die eine, erzogen nach europäischen Essgewohnheiten, war größer und übernahm immer die Initiative. Die andere folgte ihr immer. Mein Sprachlehrer meinte resigniert: ” Unsere bansa (Rasse) muss dümmer sein als euere, denn das kann man an den beiden Kindern sehen“. Ich versuchte ihm zu erklären, dass das nichts mit Rasse zu tun habe, sondern mit den Essgewohnheiten und den daraus resultierenden Eiweißrationen.

Nach langer Diskussion einigten wir uns, dass wir in der Schule für Pfarrer. Die ich leitete, die Essgewohnheiten ändern wollten. Alle waren einverstanden. Die Frauen versuchten unter Anleitung der Haushaltungsschule proteinhaltigere Nahrung im Garten zu pflanzen und danach das Essen zu ändern. Aber trotz großer Begeisterung der Frauen änderte sich nichts, weil die Männer sich weigerten, die ungewohnten Speisen zu essen. Also aßen auch die Kinder nichts- und bald gaben die Frauen resigniert auf.

Erst eine lange Unterredung mit den Ältesten brachte die Lösung. Sie erklärten mir, dass es in der alten Adat ein Regelung gebe, nach der alles Essen, das auf dem Tisch stand gegessen werden müsse nämlich beim großen Abschiedsessen für die Seele des Verstorbenen am Grab.

Wir einigten uns in der Schule, in der Bauern als Entwicklungshelfer und Pfarrer ausgebildet wurden- nach heftigen Diskussionen und langem Zögern, dass wir jeden Freitagabend ein großes Essen (pokinakanan) veranstalten wollten, bei dem die neuen Speisen ausprobiert werden sollten. Das Abendessen wurde verbunden mit dem Abendmahl (pokinakanan di Tuhan Yesus). Alle erschienen zum feierlichen Mahl und siehe da, alle aßen, wenn auch nicht begeistert, das neue Essen. so wurde der alte Grundsatz, dass der Bauer nicht isst, was der Bauer nicht kennt, mit Hilfe des Herrenmahls durch den neuen Grundsatz, dass man auch Neues erproben kann, überwunden.

Die Folgen blieben allerdings nicht aus. Bald änderte sich auch die Geburtenrate. Jedes Jahr kam nun ein Kind zur Welt. Die aussterbende Rungusgesellschaft erfuhr als christliche Gemeinde eine neue Form von ”Segen“ durch die Bevölkerungsexplosion. Sie zwang die Pfarrer, neue Formen der Landwirtschaft in ihren Dörfern zu organisieren. Pfarrer wurden ”wirtschaftliche und geistliche“ Entwicklungshelfer.

Einige der Söhne und Töchter dieser Bauern-Pfarrer sind heute- wie meine eigenen Kinder – Akademiker. Sie sind Pfarrer, Ärzte und Professoren, auch wenn ihre Großeltern, die ich in den 1960er Jahren taufte, nicht lesen und schreiben konnten.

Der Mensch lebt vom Brot und Reis (Grundnahrungsmittel der meisten Menschen), aber auch vom Wort. Essen und Trinken sind Grundelemente der Gemeinschaft. Die heilige Mahlzeit wird Sakrament durch die Verbindung mit dem Herrn, der Heiland genannt wird. Das christliche Sakrament fasst die wesentlichen Elemente der Mahlzeitsakramente zu einer lebendigen Einheit zusammen. Das Abendmahl ist die eigentliche Eucharistie nämlich Danksagung, wie sie in der jüdischen Mahlzeit bekannt ist. Die Segnung des Bechers, das Brechen des Brotes geschieht im ”Herrn“. Er ist anwesend im Geist und er wird bald wieder kommen, um die Seinen zu speisen. Das drückt der Ruf aus: Maran atha! –der Gegenwärtiges und Zukünftiges verbindet. So wird die Mahlzeit zur Communio, die alle, die daran teilnehmen mit dem einladenden Herrn durch das Band in Christo verbindet. Die Einigung mit dem Christus ist gleichzeitige Einigung mit den anwesenden Brüdern und Schwestern. Sie ist das Andenken des Herrn, die Anamnese, die über die normale Mahlzeit hinaus zum Sakrament im vollen Sinn des Wortes wird. Das Geschwistermahl, die so genannte agape , das Liebesmahl, wird aber schon früh abgetrennt von der Eucharistie und wird zum eucharistischen Opfer. Das Opfer Christi auf Golgatha ist das einzige wirkliche Opfer und setzt sich fort im doppelten Opfer des Sakraments. Der Opfergedanke gibt der communio ihren letzten tiefsten Sinn, denn in dem Mysterium der Eucharistie zeigt sich die heilige Gegenwart des Herrn in der Mahlzeit, der Gemeinschaft, der Erinnerung an seinen Tod am Kreuz und ist gleichzeitig Zeichen der Auferweckung von den Toten.

Das ist freilich nur in mystischer Sprache ausdrückbar. Jesus sagt von sich: ”Ich bin das Brot des Lebens“ und ”ich bin die wahre Rebe. Am Brechen des Brotes erkennen die Jünger von Emmaus den Gekreuzigten als den Auferstandenen.

Das Merkwürdige an der höchsten Gemeinschaft aber ist, dass sie ihren Grund in dem hat, der in seinem leben von Einsamkeit zur Einsamkeit geschritten ist. Am Ende haben ihn alle seine Getreuen verlassen und in der Todesangst auch noch Gott: ”Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“ rief er am Kreuz. Aus dieser äußersten Angst und ödesten Einsamkeit, wie sie die Geschichte auf Golgatha zeigt, erwächst die innigste Gemeinschaft. Das Paradoxon des christlichen Glaubens vereinigt Einsamkeit und Gemeinschaft im Leib Christi. Und diesen Sieg erlebt der ”Leib“, die Kirche im Liebesmahl. Sie muss aber diesen Sieg immer wieder neu erringen, denn sie lebt in einer korrupten Welt, die Brot und Wein, Leib und Blut missbraucht für eigene Zwecke.

Die Mahlgemeinschaft wird zum Kennzeichen der christlichen Gemeinde als Zeichen der Gemeinschaft mit Gott, das allen Menschen angeboten und ermöglicht werden muss. Miteinander essen wir früh in der christlichen Kirche zum Schlüsselwort für Christ sein und zum Synonym für die Freiheit der Christen. Im gleichen Galaterbrief, in dem Paulus das gemeinsame Essen als Kriterium des Christlichen betont, formuliert Paulus das Zentrale der Jesusnachfolge mit den Worten: ” Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen“ (Galater 5, 1).

Das Liebesmahl

Die kulturelle Bedeutung des Wortes „Liebe“ ist eng mit dem Liebesmahl verbunden.

Die große Freudenbringerin Liebe hat eine große Wertschätzung mit all ihren gottgewollten Gaben: Lebensfreude, Gesellung, Beglückung durch Schönheit, Zeugungskraft, Zärtlichkeit, Spielraum oberhalb des Alltags. Liebe ist zusammengefasster Erweiß der liebesfähigen Persönlichkeit. Liebe als höchstes Gut, als Umschreibung des Ganzen, fasst Gottfried Wilhelm Leibniz so zusammen: ”Lieben heißt geneigt sein, sich zu freuen an der Vollkommenheit, an dem Gut und an dem Glück des anderen“.

Zur Liebe gehört aber auch Schuld und Versagen . Nicht sehr viele Menschen sind zur reinen, großen Liebe fähig, denn Liebe ist ein Geschenk und Lieben ist ein Wachstumsprozeß. Am fruchtbarsten hat sich die Verwandlung der Liebe in beständiger Schicksalsgemeinschaft bewährt. Der Kirchenvater Thomas von Aquino formulierte das so: ”Wenn du dich selbst nicht zu lieben weißt, kannst du auch den Nächsten nicht in Wahrheit lieben“.

Auch deshalb ist das Mahl des Herrn so wichtig, weil Christen im Angesicht Gottes ihre Schuld bekennen und Vergebung ihrer Schuld erfahren dürfen.

Amen

Prof. Dr. Karl W. Rennstich
Lerchenstrasse 17
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