Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Ostersonntag, 11. April 2004
Predigt über Matthäus 28, 1-8, verfaßt von Lars Kjær Bruun (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Die Frauen besuchen das Grab früh am Morgen. Sie besuchen das Reich der Toten, denn Erinnerungen darf man ja noch haben. Er ist ja tot. Nicht daß da besonders viel Leben ist auf dem Friedhof. Das wissen sie, das wissen wir. Aber das Grab kann doch Gegen­stand ihrer Verzweiflung sein. Symbol dafür, daß alles vorbei ist, daß da nichts mehr zu holen ist.

Aber das Grab ist leer. Die Frauen erschrecken. Und auch wenn der Engel verkündet, daß Jesus von den Toten auferstanden ist, kehren sie freudig, aber erschrocken zu den Jüngern zurück. Denn was nun? Der Gegenstand ihrer Verzweiflung und Trauer ist ihnen genommen worden. Ein leeres Grab, ein Loch kann man nicht anbeten. Die Leere weckt Unruhe, denn sie ersetzt eine Gegenwart, die zwar eine Gegenwart der Trauer war, aber dies, die Gegenwart des Kreuzes, der Trauer, war doch eine unverrückbare Tatsache. Was aber nun mit der Abwesenheit und dem leeren Grab? Was mit all dem Wissen von Kreuz und Tod, das wir haben? Denn Verlust, Trauer und Hoffnungslosigkeit können sich stabilisieren. Da ist eine merkwürdige Ruhe über dem Zustand, die sich einstellt, wenn erst einmal die Träume verflogen sind. Nun aber ist der Gegenstand der Hoffnungslosigkeit weg. Da ist Unruhe und Verwirrung - da geschieht Auferstehung. Die Hoffnungslosigkeit weicht allmählich der Furcht, die Furcht weicht der Hoffnung. Da ist Zeichen für Leben. Und in die Furcht mischt sich Freude.

Das leere Grab bedeutet, daß in seinem Tod dennoch ein Sinn zu finden war. Ja, der Sinn war sein Tod. Es ist nicht vorbei. Es beginnt erst. Das leere Grab weist zurück auf das Kreuz. Es entfernt nicht das Kreuz und all das, wofür es steht. Aber das Kreuz wird neu gedeutet. Der Sinn war also, daß Jesus - der im Lichte des leeren Grabes Gott ist - uns zeigen sollte, wie bedingungslos und vergebend die Liebe ist. Daß diese Liebe der Sinn unseres Lebens ist. Es ist also nicht so, daß die Gewißheit vom Kreuz, d.h. ihre Gewißheit, daß sich in seinem Leben und Sterben eine selbstlose Liebe verbarg, von einer anderen Gewißheit abgelöst würde. Vielmehr erhält das Kreuz eine neue Bedeutung im Lichte des leeren Grabes. Das ist Grund zur Freude und zur Beunruhigung. Die Abwesenheit, nämlich das leere Grab, weckt Auferstehung.

Deshalb war es genial, ein leeres Grab zu hinterlassen. Wir kommen gar nicht dazu, ihn von unseren eigenen Voraussetzungen her zu verehren. Das Bilderverbot des Alten Testaments, daß niemand sich ein Bild von Gott machen darf und keiner lebendigen Leibes Gott von Angesicht zu Angesicht sehen darf, das Verbot setzt Gott selbst außer Kraft und zeigt uns ein Bild, wer er ist: Der leidende Diener - der Gott im Zeichen des Kreuzes. Der Gott der Hingabe. Das ist der einzige Gott, den es gibt. Und deshalb das leere Grab. "Anbetung untersagt", hätte man passend auf ein Schild am Grabe schreiben können. Das leere Grab bedeutet nämlich, daß wir Gott im Leben miteinander finden. Und damit ist unser gemeinsames Leben trotz Kreuz und Tod gesegnet. Wir sollen am Ostermorgen kein anderes Leben leben, sondern dasselbe Leben, das wir schon immer gelebt haben. Das leere Grab bedeutet: Geht, geht hin und lebt das Leben miteinander. Ihr braucht euch nicht mehr Bilder von mir zu machen.

Die Frage ist, ob wir überhaupt das leere Grab mögen. Das ist ja eine höchst gefährliche Sache. Das gibt überhaupt keine Sicher­heit. Aber wozu brauchen wir eigentlich Sicherheit, Ganzheit, Überblick? Das leere Grab handelt dagegen davon, daß man heraus­gerufen wird, daß man auf Sicherheit, Ganzheit und Überblick verzichtet. Sehen wir das Evangelium so, als fänden wir dort Sicherheit, dann hätten wir Christus zum Gott des Todes gemacht, denn Sicherheit ist Tod - buchstäblich, denn das wissen wir sicher, daß wir sterben müssen.

Nun aber hören wir: Er ist auferstanden. Er ist nicht hier. Das beunruhigt, das schafft Auferstehung. Wo ist er dann? Er ist im Wort, in den Erzählungen von ihm, und wenn wir diese Erzäh­lung hören, ist er auch mitten unter uns, in unserem Leben miteinan­der. Und da, wo er ist, da ist Leben und Seligkeit. Nicht weil da Glück ist und Gemütlichkeit, sondern weil da Hoffnung ist und Vergebung. Denn das ist dennoch etwas an dem Leben, das das unsrige ist. Ja es geht um das Leben, das unseres ist. Seit Ostern bedeutet Gott deshalb, daß wir eine Verantwortung haben. Diese Verantwortung können und sollen wir auf uns nehmen, ja sie ist ein Segen, denn wir brauchen uns nicht mehr zu sorgen, ob wir liebenswert, würdig und richtig sind.

Das bewirkte die Auferstehung bei den Frauen, daß alles anders wurde und neu. Wagen wir es, das beunruhigende Leben im Zeichen der Liebe? Wo nichts sicher ist, aber alles neu! Frohe Ostern.

Amen.

Pfarrer Lars Kjær Bruun
Sophus Bauditz Vej 38
DK-2920 Charlottenlund
Tel.: ++ 45 - 39 64 43 44
E-mail: lkb@km.dk

 

 


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