Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Ostersonntag, 11. April 2004
Predigt über 1. Korinther 15, 1-11, verfaßt von Tom Kleffmann
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Gott ist der Sinn des Lebens. Gott ist der Grund des Lebens. Gott ist das Ziel des Lebens. Du, Gott, bist das eine Geheimnis.

Was wäre die Welt ohne Gott? Was wäre unser Leben ohne Gott? Eine Illusion. Ein kurzes Aufflackern von Träumen, irgendwo im Nichts des unendlichen Alls. Sterben ohne Wiederkehr. Ein Kreuz ohne Sinn.

Gnade sei mit euch und Friede, von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

[Lesung 1Kor.15,1-11] 1.Brief des Paulus an die Korinther.

So ists gepredigt. Gestorben, begraben, auferstanden, gesehen. Versteht ihr das? Versteht ihr diese Seligkeit, dieses unfaßliche Glück?

Christus gestorben und begraben. Wir wissen nicht, wie er aussah, wie seine Hände waren, seine Augen. Ein Mensch wie wir, vor etwas weniger als 2000 Jahren: gestorben und begraben. Aus. Kaltes Grab. Ein letzter Schmerz und die Augen brechen. Nichts in Ewigkeit. Die Welt erlischt.

Der einsame Tod: das ist die ganze Welt ohne Gott. Du stirbst, und ich lebe. Was lebe ich? Morgen sterbe ich. Sieg der Sinnlosigkeit. Vergeblichkeit aller Liebe. Buße des einsamen Ich.

Christus gestorben. In diesem Tod ist alle Hoffnungslosigkeit, alle Sinnlosigkeit versammelt. Gott ist unendlich fern. Der Augenblick nach seinem Tod: das ist aller Atheismus. Gestorben. Begraben. Die Religion am Ende. Petrus, Jakobus, Johannes wie zerrissen: auf ihr eigenes Ich zurückgeschleudert, in unendlicher, zerrissener, sinnloser Einsamkeit. Christus gestorben für unsere Sünden.

Er war doch der, der vom Himmelreich erzählte, von der Vergebung, von der Umkehr, und daß Gott kommt. Er war doch der, der von der Zukunft Gottes redete, von der Zukunft seiner Liebe, daß sie uns erfüllt. Er hatte das doch selbst verkörpert. Die Welt war anders geworden. Das Leben hatte begonnen, heil zu werden. Alles, was je von Gott gesagt worden war, hatte er in einer Botschaft versammelt. Es war göttlich.

Aber es war noch nicht auf den Grund gekommen. Es schwebte noch. Das Entscheidende stand noch bevor. Das ganze alte Übergewicht des Todes in Ewigkeit, die alte, entsetzliche Gotteskälte in einem Punkt.

Tot, gestorben, begraben. - - -

Und dann haben sie ihn gesehen! Ist das nicht unglaublich? Versteht ihr diese Seligkeit, dieses Glück?

Es war von Anfang an unglaublich. Die es hörten, haben es nicht glauben wollen, nicht glauben können , haben ungläubig nachgefragt. Das kann doch nicht sein! Sie konnten es nicht verstehen. Wie kann man eine Erfahrung, die tiefer ist als die Welt, verstehen? Andere haben es sich leichter gemacht, die robusteren Naturen, die die Grenze nicht kennen. Die nicht wahrhaben, wie wenig die Sprache des Verstandes versteht. Die nicht wahrhaben, wie angreifbar die Alltagsselbstverständlichkeit unseres Verstandes ist. Wie dürftig. Haben ihren leichten Spott gehabt: Aberglauben. Märchen. „Denn die Vernunft ist da und ... sieht schlicht in das Werk, wie es vor Augen ist, daß die Welt so lang gestanden, und stirbt immer einer nach dem andern, und bleibt alles tot und verwest und gar zerpulvert im Grab, und ist noch nie keiner wiederkommen. ... Wenn [die Vernunft] nun in diesen Artikel gerät und will ihn nachdenken, so ist es gewißlich gar verloren. Denn es kommen ihr soviel wunderliche, seltsame, ungereimte Gedanken vor, daß sie muß sagen, es sei nichts dran.“ Luther. 36,493; zit Ringl 2.

Sie kennen dieses selbstsichere Lächeln – ja gut, vielleicht ist Gott der Grund der Welt, vielleicht ist da ein Geheimnis, eine allgemeine Macht – aber ein Mensch auferweckt aus dem Tod? Gottes Sohn? Ein Mensch erscheint in Gottes Ewigkeit? Gottes Ewigkeit sichtbar auf Erden? Gott so lebendig wie wir? Noch unendlich lebendiger? Schafft Leben im Tod, im Nichts?

Jesus hatte vom Himmelreich erzählt, von der Vergebung, von der Umkehr, von der Zukunft Gottes. Er hatte das selbst verkörpert. Da wehte tiefes Glück. Aus dem Nichts wuchs wirkliche Liebe. Wenn er redete, war Gott da. Und dann war er tot. - Sie waren verzweifelt. Sie waren zerrissen. Sie hatten ihn verraten. Sie hatten ihn verleugnet. Er war tot. Gestorben, begraben.

Und dann haben sie ihn gesehen – ist das nicht unglaublich? Er war tot, drei Tage – und dann geschah etwas. Was geschah denn? Wir stammeln. Wir stottern. „Er ist wahrhaftig auferstanden.“ Aber sie haben ja keinen Menschen in der Zeit gesehen. Sie haben nicht eine Leiche gesehen, die wiederbelebt wurde.

Sie haben den Menschen in der Ewigkeit Gottes gesehen. Sie haben Gott gesehen! Unwiderstehlich. Unausdenkbar. In einer Wirklichkeit, die höher und tiefer war, als alles in der Welt. Und unendliche Seligkeit hat sie erfüllt. Unendliches Glück hat sie erfüllt. Sie waren endlich frei. Sie hatten endlich begriffen. Gott holt uns. Wir atmen aus Gott. Wir leben in Gott. Die göttliche Heimat ist schon bei uns. Wir gehören zu Gott. Seine Liebe wird unsere Liebe in Ewigkeit.

Ein Funken von diesem Wissen. Nur ein Funken!

Wir heute leben in Glaubensnot. Haben wir es schwerer mit dem Glauben? Vielleicht nicht. Man kann sich ja nicht durchringen zum Glauben. Wenn er da ist, ist er ein Wissen. Aber die Glaubensnot gibt es. Wir können nicht mehr so kindlich sein wie die Menschen vor der Aufklärung. Wir fragen und fragen. Wir argwöhnen. Die alten Texte scheinen so vieldeutig menschlich. So unglaublich göttlich. Wo war wirklich Gott? Wir müssen es verstehen.

Ist das schlimm? Es ist eben so. Die Natur haben wir verstanden, und nun wollen wir so auch Gott verstehen. Aber das versteht der Verstand nicht. Er versteht den Anfang nicht. Er versteht den Grund nicht. Er versteht die Zeit nicht. Und den toten Menschen, verklärt in Gottes Ewigkeit – das am allerwenigsten. Gebe Gott, daß wir verstehen. Gott kann es geben.

Gut, da waren die Zeugen. Kephas, die Zwölf, mehr als 500 Brüder, Jacobus, die Apostel und am Ende von Paulus. Aber Glauben heißt nicht einfach, einem historischen Bericht glauben. Nur weil da diese Menschen etwas gesehen haben, verstehen wirs nicht. Es muß sich für uns wiederholen, sonst glauben wirs nicht.

Die Ehrlichkeit im Todeswissen. Das Übergewicht des Sterbens. Der Blick in ein sinnloses Leben. Das Ich gefangen im Spiegel. Christus gestorben für unsere Sünden.

Und dann warte. Warte. Gott ist der Grund. Gott ist jetzt.

Und dann höre. „Ich erinnere euch aber, liebe Brüder und Schwestern, an das Evangelium“. Er wird uns bewahren. Versteht ihr das? Das ist sein Geist. Gott ist einem Menschen zu uns gekommen. Er wird unser Leben verklären.

Sein Frieden, der höher ist als aller Verstand, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus. Amen.

PD Dr. Tom Kleffmann
Göttingen
tom.kleffmann@theologie.uni-goettingen.de

 


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