Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Osternacht, 11. April 2004
Predigt über Kolosser 3, 1-4, verfaßt von Friedrich Schmidt
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


1 Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so sucht, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes.
2 Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist.
3 Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott.
4 Wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit.

Liebe Gemeinde!

Sich richtig zu benehmen, liebe Gemeinde, das ist angesagt. Etikette ist wieder gefragt. Es gibt Seminare für junge Führungskräfte, um am Tisch die Gabel richtig zu halten und gepflegt mit seinem Tischnachbarn zu plaudern - ohne in der Nase zu popeln. Neue Bücher über Benimm sind auf dem Markt, in denen steht, wie ich eine Tasse richtig halte, ohne meiner Tischnachbarin meinen Arm ins Auge zu stoßen. Ja selbst die alte Plaudertasche und wandelnde Kleiderständer Thomas Gottschalk darf nun eine Benimmshow moderieren.

Das richtige Benehmen will natürlich gelernt sein. Wer trainiert und übt, der darf sich zum Kreis der zivilisierten Menschen zählen. Zivilisiert nach Knigge.

Gibt es auch für uns Christen solche Regeln des richtigen Benehmens? Können wir ein christlich-zivilisiertes Verhalten einüben? Einen Art Bibel-Knigge für getaufte Christen?

In unserem Predigttext für diese Osternacht geht es um ein österliches Leben. Damit sind keine Osterhasen, sondern Ostermenschen gemeint. Menschen also, die durch die Auferstehung Jesu bestimmen lassen.

Doch in den vier Zeilen des Kolosserbriefes wird keine österliche Etikette aufgestellt. Es wird vielmehr gesagt: Ihr seid mit Christus auferstanden. Punkt. Das ist keine Verhaltensregel, das ist eine Feststellung: Ihr seid mit Christus auferstanden. Um österlich zu leben, müssen wir keine Osterhasen werden, oder uns so und so als Christen verhalten. An Ostern werde ich daran erinnert, was ich schon bin. Einer, der mit Christus auferstanden ist, eine, der ein neues Leben geschenkt wurde. Lassen Sie sich, lassen wir uns das heute morgen gesagt sein.

Vielleicht sind einige von Ihnen nach dem frühen Aufstehen noch müde und fragen: wo ist denn das neue Leben in meinen alten Knochen. Ich merke davon gar nichts.

Das neue Leben ist noch verborgen. Es ist noch nicht sichtbar. So wie eine Blumenzwiebel in der Erde verborgen ist und doch schon vorhanden. So wie in einer Raupe ein Schmetterling verborgen ist. Schon da, aber eben noch nicht sichtbar.

Auferstehung und neues Leben werden uns nicht nur nach unsrem Tod geschenkt. Auferstehung und neues Leben sind jetzt schon eine Kraft, die unser Leben bestimmen. Ihr seid mit Christus auferstanden. Hier wird in der Gegenwartsform gesprochen. Noch verborgen und doch schon bestimmend für mein, ja für unser Leben.

Noch verborgen, es gibt allerdings ein Zeichen, an dem die neue und noch verborgene Wirklichkeit deutlich wird. Es ist meine, es ist unsere Taufe. Denn in unserer Taufe gewinnen wir Anteil an dem Tod Jesu und die Auferstehung Christi. Unser bisheriges Leben liegt hinter uns und neues Leben wird uns geschenkt.

Mit meiner Taufe bin ich nicht mehr nur Friedrich Schmidt, der Sohn von Hildegard und Rudi, 42 Jahre alt, mit den und den Stärken und den und den Schwächen – genauere Details erspare ich Ihnen lieber. Ich bin nicht mehr der für den ich mich halte und auch nicht mehr der, für den andere mich halten. Ich bin ein neuer Mensch, ein österlicher Mensch, ein geliebtes Kind Gottes.

Und auch dort vorne, NN. Ist mehr, als sie selbst von sich hält und sieht und mehr als die anderen Menschen von ihr halten. Denn in der Taufe sind wir mit Christus verbunden – mit seinem Tod wie mit seiner Auferstehung.

Das Grunddatum meines neuen Lebens ist meine Taufe – auch wenn ich sie nicht bewusst erlebt habe. Denn die Taufe ist nicht einfach nur die Aufnahme eines neuen Mitgliedes in unsere Gemeinde. Durch die Taufe werde ich mit Jesus selbst verbunden – mit seinem Tod und mit seiner Auferstehung. Deshalb hat Martin Luther in den Anfechtungen, den er in seinem Leben ausgesetzt war, immer wieder betont: ich bin getauft. Daraus hat er Kraft gewonnen und Zuversicht in Zeiten der Anfechtung.

Unser österlicher Glaube, unser österliches Leben ist durch die Taufe schon da, aber noch nicht sichtbar. Es gehört zur verborgenen Wirklichkeit des Glaubens. Sie wird erst am Ende der Zeiten sichtbar werden. Dann, wenn der Gekreuzigte und Auferstandene wieder kommen wird.

Heutzutage wünschen sich manche, dass diese unsichtbare neue Wirklichkeit unseres Lebens schon heute sichtbar möge werden. So gibt es Menschen, die, obwohl als Kinder getauft, sich nochmals taufen lassen, um das Zeichen der Taufe deutlicher zu erfahren. Oder es gibt Menschen, die suchen nach Erscheinungen oder Wunderkräften, um deutlich zu spüren, das ihr österliches Leben schon begonnen hat. Ich verstehe den Wunsch und doch kann ich nur davor warnen, die eigene Erfahrung nicht zu überschätzen.

Erst wenn Jesus Christus in Herrlichkeit wiederkommen wird, erst dann wird die Verborgenheit des neuen Lebens offenbar werden. Bis dahin wissen wir, dass wir mehr sind, als wir scheinen und wir wissen, dass auch die anderen mehr sind, als sie uns erscheinen. Es ist ein österliches Wissen, das noch nicht sichtbar ist.

Aber dieses österliche Wissen hat Folgen. Wir werden aufgefordert zu suchen und zu trachten. Doch nicht hier auf der Erde sollen wir suchen, denn da finden wir bestenfalls Ostereier, sondern „droben“ ist zu suchen. Suchet und trachtet nach dem was droben ist.

Aber tun wir das nicht schon längst? Trachten wir nicht nach dem, was droben ist? Suchen wir nicht nach oben zu kommen? Oberstudienrat, Obergefreiter, Oberleutnant, Oberamtsrat, Oberkirchenrat oder doch wenigstens Dekan. Orientieren wir uns nicht gern an den oberen 10.000? Und wenn wir uns nicht hineinarbeiten oder hineinheiraten können, dann lassen wir uns gern von den oberen Lebensschicksalen bewegen. Ach, wie ist das tragisch, dass jetzt auch Prinzessin Clara mit ihrem Mann.... Und Fürst Reiner, der hat trotz seines vielen Geldes doch wirklich Pech.... Und die arme Königinmutter Sophie; jetzt ist doch wirklich ihr Lieblingsdackel gestorben. Da könnte man doch losheulen vor so viel Elend. Und der arme Michael muss Deutschland verlassen und in der Schweiz leben, weil die bösen Steuerbehörden an sein sauer verdientes Geld ranwollen. So eine Gemeinheit aber auch.

Wenn wir schon nicht ganz nach oben kommen, so nehmen wir doch starken Anteil am Leben der Oberen – ob in ihren Adern nun blaues Blut fließt oder blaues Benzin. Und einige sind in diese Welt mit Hilfe der wöchentlichen Heftchen schon so versunken, dass sie die Migräne einer Prinzessin mehr berührt als der Schlaganfall der Nachbarin.

Ja wir suchen nach oben zu kommen – manchmal mit allen Mitteln. Doch Sie wissen natürlich längst, dass im Kolosserbrief mit droben etwas anderes gemeint ist. Droben ist der Himmel. Es geht nicht um ein Trachten nach irdischem droben, sondern um ein himmlisches droben. Wir sollen mit unsrem österlichen Leben nicht danach suchen hier auf der Erde nach oben und voran zu kommen, sondern nach dem leben, was Gott von uns will. Österliches Leben heißt also dem zu folgen, der nach unten gegangen ist, damit für uns ein neues Leben beginnen kann. Unser Trachten richtet sich nicht nach der Etikette, sondern nach Jesus Christus, der durch den Tod gegangen ist, und uns neues Leben schenkt. Ihr seid mit Christus auferstanden.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Pfr. Dr. Friedrich Schmidt
Schloßstr. 28
76879 Essingen
email: pfarramt.essingen@evkirchepfalz.de


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