Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Ostermontag, 12. April 2004
Predigt über 1. Korinther 15, 12-20, verfaßt von Dörte Gebhard
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Gemeinde,
die Auferstehung haben wir besungen, die Lesung hat uns mitgenommen auf den Weg des Auferstandenen. Aber es gibt noch viele andere Perspektiven auf die Auferstehung. Dazu ist die Predigt da.
Ein gewitzter Schüler schrieb: „Jesus wurde zwischen zwei Verbrechern gekreuzigt. Als er auferstand, erschien er zuerst einigen Frauen, damit die Sache schneller bekannt würde.“

Das Internet bietet unter anderem folgenden Bericht: „Nach der Auferstehung Jesu hatten sich seine Jünger zerstreut in Jerusalem und den umliegenden Dörfern. Da trifft Johannes auf Petrus und erzählt ihm die ganze Sache: „Petrus, Petrus! Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht!" Petrus ist ganz überrascht und will Johannes beruhigen: „Jetzt mal langsam. Was gibt es Neues? Was ist die gute Nachricht?" - „Die gute ist, dass Jesus nach drei Tagen wieder auferstanden ist und lebt!" - „Das ist ja großartig! Aber was ist dann die schlechte Nachricht?" - "Jesus ist ziemlich sauer darüber, wie du dich letzten Freitag verhalten hast."“

Diese kleine ‚Auferstehungspredigt’ hilft, das Schwere leichter zu sagen [nach Hüsch]. Jedenfalls leuchtet unmittelbar ein, wie eng Karfreitag und Ostern zusammengehören und warum Sündenvergebung etwas ganz Herrliches ist.

[Der alte Brauch des Osterlachens ist auch wieder ein wenig auferstanden. Im Zeitalter des Barock erwartete man vom Prediger, dass er die Gemeinde am Osterfest zu Gelächter anstiften könne. Aus Verzweiflung über mangelnde humoristische Begabung soll sich mal ein Pfarrer in Kuhmist gewälzt und eine kalbende Kuh gemimt haben.]

Wenn aber Christus gepredigt wird, daß er von den Toten auferstanden ist, wie sagen dann einige unter euch: Es gibt keine Auferstehung von den Toten?
1. Kor 15,12

Diese bohrende Frage stelle ich Ihnen nicht, sondern Paulus. So beginnt der heutige Predigttext. Er ist ein wunderbares Wort zum Montag – nach Ostern. Gestern schon haben wir Ostern gefeiert, aber glücklicherweise gibt es den zweiten freien Tag immer noch und damit genügend Zeit für die Frage aller Zweifler. Wie sagen einige unter uns: Es gibt keine Auferstehung von den Toten?!
Wer diese Frage stellt, ist nicht besonders skeptisch oder aufgeklärt, sondern befindet sich in allerbester Gesellschaft mit den Christen aller Zeiten, seit überhaupt das erste Mal die Auferstehung verkündet wurde, von den Frauen an die Jünger. Paulus schreibt nach Korinth lang und breit über die Auferstehung und schon ab dem 12. Vers muß er sich mit den Zweiflern befassen. Was passiert, wenn jemand die Auferstehung leugnet, malt er gewohnt dramatisch aus. Hören Sie aus dem 15. Kapitel des ersten Briefes an die Korinther die Verse 13-20:

Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden.
Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich.
Wir würden dann auch als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt hätte, er habe Christus auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, wenn doch die Toten nicht auferstehen.
Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden.
Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden;
so sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren.
Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.
Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. 1. Kor 15, 13-20

Liebe Gemeinde,
ist der Glaube nicht vergebene Liebesmüh im wahrsten Sinne dieses Wortes? Was hat das Christentum denn gebracht? Die Welt ist doch nicht friedlicher geworden seither! Ist unsere Predigt nicht vergeblich? Diese Anfechtung ist ernst. Manch Pfarrer ist beim Predigen schon verzweifelt, weil er immer wieder ganz von vorn anfangen musste, bei Adam und Eva. Aber das ist nötig für jede Generation, für jedes kleine Menschenkind neu. Vergeblich ist Predigen und Hören und Glauben und Zweifeln darum nicht. Vergeblich könnte alles nur aus einem Grunde sein:
Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich, schreibt Paulus.

Da fangen viele berechtigte Einwände schon an, ungefähr so: Auch ohne den Glauben an die Auferstehung Jesu Christi kann ich doch ein guter Christ sein. Wenn ich mich an die zehn Gebote halte, die Vorstellungen der Bergpredigt als Ideale begreife, an denen ich mich orientiere, wenn ich auch nicht vollkommen bin, dann lebe und handle ich doch in christlichem Sinn und Geist. Und die Welt wäre zweifellos besser, wenn es viele täten. Was nachher sein wird, kann ich ohnehin nicht wissen. Aber hier auf Erden Gutes tun und Böses lassen – darauf kommt es doch an!

Diese Sicht der Dinge ist viel älter als das Christentum. Die alten Israeliten glaubten jahrhundertelang an den lebendigen Gott ohne irgendeinen Gedanken an ein Leben nach dem Tod. Abgesehen von einigen apokalyptischen Texten überschritten die Hoffnungen niemals die Schwelle des irdischen Lebens. Auch der Psalm, den ich eingangs las: Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen, bezieht sich auf das Leben vor dem Tod. Eigentlich ist es unmöglich, zu Ostern einen wirklich passenden Psalm zu finden.

Stirbt ein Mensch alt und lebenssatt, versammelt er sich zu seinen Vätern. Nach dem Tod kommt die möglichst ungestörte Totenruhe zusammen mit allen Verwandten.

Selten begegnet die Vorstellung vom Scheol, der Unterwelt. König Saul läßt einmal bei der sogenannten Hexe von Endor den toten Samuel rufen. Aber der hat Saul nichts zu sagen, was er ihm nicht schon bei Lebzeiten längst mitgeteilt hatte. Vor solchen Versuchen, die Zukunft auszukundschaften, wird eindringlich und überzeugend gewarnt.

Die Diesseitigkeit und Weltlichkeit der Israeliten ist umso erstaunlicher, als sie stets umgeben waren von Religionen, die das Weiterleben nach dem Tod in den buntesten Farben ausmalten und äußerst sinnenfällige Riten zelebrierten. Kornmumien wurden z.B. mit Körnern bestreut und begossen, daß sie in Menschengestalt ergrünten; die Wiederkehr des Frühlings wurde ausschweifend als Rückkehr des Lebens gefeiert.

Zur Zeit Jesu gab es fast nichts, was nicht geglaubt wurde, auch unter den Juden: Die Sadduzzäer lehnten jegliche Vorstellung vom Leben danach strikt ab. Die Phärisäer verehrten die Gräber der Propheten und pflegten die Gedenkstätten der Gerechten. Sie hielten Auferstehung tendenziell für möglich. Die Leute von Qumran haben wahrscheinlich an die Auferstehung geglaubt und daher Wert auf Einzelgräber gelegt, damit nicht am jüngsten Tag ein allgemeines Tohuwabohu in großen Familiengrüften ausbricht.

All das spricht für unseren modernen Einwand: Ich kann ein gottesfürchtiger Mensch auch ohne Glauben an die Auferstehung sein. Aber Paulus schreibt doch unmißverständlich: Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.

Nicht, weil dann vielleicht unsere Gutmütigkeit ausgenutzt wird oder, weil wir dann am Burn-out-Syndrom erkranken – so „harmlos“ sieht Paulus die Konsequenzen nicht: Wir würden dann ... als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt hätten, er habe Christus auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, wenn doch die Toten nicht auferstehen.

Wir wären falsche Zeugen Gottes. Dieser Vorwurf trifft die Gegenwart wie aus einer anderen Welt. Wie Gott sein müßte, was er tun müßte, was er nicht zulassen dürfte ... das wissen sogar diejenigen ganz genau, die gar nicht glauben, daß es ihn gibt.
Falsche Zeugen Gottes könnten wir auch mit unserer ‚Cafeteria-Religion’ sein. So nannte ein Psychologe das gegenwärtige Verhältnis zu Gott: ‚Cafeteria-Religion’. Aus einem überaus appetitlichen und riesigen religiösen Angebot kann sich jeder sein Lieblingsmenü zusammenstellen: ein paar „Versatzstücke der Weltreligionen und Naturmythen“, Meditationsrituale gegen Streß, „ein Häppchen“ verwestlichten „Buddhismus“ und etwas mystische Lektüre „nach Feierabend – das alles gehört zur ‚Cafeteria-Religion’ der Gegenwart. ‚Was Gott ist, bestimme ich!’ lautet die Devise, sofern dabei überhaupt noch von Gott die Rede ist, und diese Devise wird nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb der christlichen Kirchen ausgiebig gelebt. ... Man glaubt, was gefällt, und wem es nicht gefällt, der glaubt eben etwas anderes.“ [I. U. Dalferth, “Was Gott ist, bestimme ich!” Theologie im Zeitalter der ‚Cafeteria-Religion’, in: ders., Gedeutete Gegenwart, Tübingen 1997, 13 und 23]
Ein Jugendlicher aus der ehemaligen DDR, den man befragt hat, sagt es noch unverblümter und kürzer: „Ich hab’ mir meine eigene Religion zusammengezimmert ... Denn: wenn du überall ´n bißchen Wahrheit rausnimmst, dann hast du die absolute Wahrheit – nämlich deine Wahrheit.“ [zit. n. Dalferth, 13]

Die ‚Cafeteria-Religion’ ist nicht neu. Schon in meiner Jugend in der DDR erlebte ich in der Jungen Gemeinde, dem kirchlichen Treff für junge Leute, etwas von dieser Cafeteria-Religion. Wir diskutierten dort einmal, wie die vielen Atheisten um uns her wohl staunen würden, wenn doch noch etwas käme nach dem Tod.
Die Antwort auf diese interessante Frage ist mir unvergeßlich geblieben: Gott werde es mit jedem so machen, wie er geglaubt hat: Wer überzeugt stirbt, daß mit dem Tod alles aus ist, den läßt Gott auch in Ruhe, der geht ein ins ewige Nichts. Alle anderen, die an die Auferstehung glauben, werden auch ewig leben. Passend dazu gab es noch den Witz von der langen, hohen Mauer im Himmel, hinter der die Superfrommen sitzen, die felsenfest glauben, daß sie allein im Himmel sind. Und die es wegen der Mauer auch glauben können.

Trostloser kann man sich das Leben nach dem Tod wohl kaum ausmalen. Eine Mauer im Himmel! Es wäre furchtbar, wenn Gott so handelte, wie wir es erwarten. Die Auferstehung fiele wohl aus, wenn unser Glaube in dieser Weise Gottes Handeln bestimmte.
Was geschähe all denen, die sich ihr Leben lang vor Gott gefürchtet haben, weil ihnen von Kindesbeinen an ein furchterregendes Gottesbild eingeprägt wurde? Was ist mit jenen, die mit Gott hadern mussten, weil ihnen schreckliches Leid widerfuhr?

Wir wären falsche Zeugen Gottes, unser Glaube wäre nichtig, auch die in Christus Entschlafenen wären verloren , schreibt Paulus nach Korinth.
Glaube ist keine Geschmacksfrage und auch keine ausschließlich private Angelegenheit, wie heutzutage manchmal betont wird. Wer aus falsch verstandener Toleranz meint, anderen ihren Gott gönnen zu müssen und sich mit seinem eigenen Gott begnügen zu können, hat es vielleicht mit interessanten Gottesbildern, aber nicht mit Gott zu tun. „Gott kann nicht mein oder unser Gott sein, wenn er nicht auch der Gott anderer, ja aller anderen sein könnte.“ [Dalferth, 28]
Was Gott ist, bestimme nicht ich; wer Gott ist, bestimmt er selbst. Die Auferstehung von den Toten liegt – gottlob! – nicht in unserer Macht. Nur so gibt es Hoffnung für alle.

Von der Auferstehung können Menschen nichts wissen, nur glauben, daß sie anders sein wird, als man denkt. Paulus, der ganze Ketten von messerscharf-logischen Schlußfolgerungen aus der Leugnung der Auferstehung vorbringen konnte, bekennt seinen Glauben in einem Satz:
Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.

Paulus bringt dabei nichts Überzeugendes vor, keine Argumente, keine Beweise. Er gibt keine Beispiele, keine Erklärungen. Er nennt keine Einzelheiten ... Paulus nennt Jesus Christus lediglich den Erstling unter den Entschlafenen – in diesen harmlosen Wörtchen verbirgt der Apostel das eigentlich Unglaubliche und Einzigartige der Auferstehung Jesu. Der Auferstandene ist der Erstling unter den Entschlafenen. Das klingt so kinderleicht verständlich, als sei er einfach ein kleines bißchen eher als die anderen geweckt worden.

So simpel das klingt, zu begreifen ist es vorläufig nicht! An die Auferstehung Jesu Christi kann man nur glauben. Wäre sie mit unserem irdischen Verstand zu fassen, könnte es nicht die Auferstehung jenseits unserer erfahrbaren Welt sein.
Mit dem Leben nach dem Tod verhält es sich im übrigen wie mit dem Leben vor dem Tod: „Man muß leben, nicht bloß über das Leben reden, um seine Wirklichkeit zu erfassen.“ Nicht wer in der Zeitung die Termine studiert, sondern wer selbst in der Oper sitzt, „erlebt die lebendige Wirklichkeit der Musik.“ [Dalferth, 26]
Daher beende ich nun – endlich! – die Vorankündigung der Auferstehung aller, damit Musik unserer Vorfreude Ausdruck verleihe: ‚Jesus lebt – mit ihm auch ich!’
Der Friede Gottes, der schon herrscht, weil der Tod selbst tot ist und der jetzt noch höher ist als all unsere Vernunft, stärke und bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.

Wiss. Ass. Dr. Dörte Gebhard, Bonn
doerte.gebhard@web.de


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