Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Trinitatis, 6. Juni 2004
Predigt über Matthäus 28, 16-20, verfaßt von Hanne Sander (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Es ist etwas ungewöhnlich, denselben Text zwei Mal in einem Gottesdienst zu hören - aber hier am Sonntag Trinitatis sind die allerletzten Worte aus dem Matthäusevangelium sowohl Predigttext als auch ein Teil der Taufliturgie, die wir vorhin gehört haben.

Man nennt den Text gerne den Taufbefehl oder den Missionsbefehl, und das ist verständlich, aber aus mehreren Gründen dennoch problematisch. Nicht zuletzt wie sich die Dinge entwickelt haben, so daß ethnische und religiöse Trennlinien sich deutlicher als früher über die ganze Erde ziehen.

In meiner Kindheit war die Welt einfacher: Da gab es Christen und Heiden, und Heiden sollten zum Christentum bekehrt werden. So einfach war es natürlich nicht in der Welt, sondern nur in meiner Vorstellung.

Und wenn wir in das Jahr 1900 zurückgehen - dann gebrauchte man Worte, die wir heute nicht für möglich halten würden:

Missionare wurden als Streiter Christi gesehen, die den Marschbefehl erhalten hatten, einen heiligen Krieg gegen die Ungläubigen und die geistige Finsternis zu führen. Man sprach von Truppen und Versorgung wie bei einem Feldzug - und die Mission wurde in der Kolonialzeit denn auch zuweilen mit der politischen und wirtschaftlichen und militärischen Überlegenheit bzw. Unterdrückung verknüpft.

Das ist nun Geschichte, und man hat eine solche Auffassung von Mission verlassen.

Die religiöse Landschaft hat sich verändert. Man kann nicht mehr von der christlichen Welt sprechen und Westeuropa meinen. Es gibt mehr Christen in Afrika als in Europa. Wir können auch nicht mehr von der muslimischen Welt sprechen und nur an die arabi­schen Länder und den Nahen Osten denken. Es gibt viele Millionen Muslime in den USA.

Dennoch lebt noch immer eine westliche Auffassung, daß sowohl das Christentum als auch die westliche Kultur anderen Kulturen und Religion überlegen sei. Wie können wir uns von dieser Auffassung befreien?

Ein solches Überlegenheitsgefühl ist ein Relikt aus der Kolonialzeit - und es ist mehr als bedenklich, daß es oft in der Diskussion zwischen Christentum und Islam zum Vorschein kommt.

Ich meine nicht, daß man noch die Vorstellung von Mission als einer Einwegkommunikation aufrecht erhalten kann, sondern das Menschliche und das Christliche muß in jeder Kultur und jedem Dialog zwischen Religionen in gegenseitigem Respekt und Verstehen sich vollziehen.

Wenn das gesagt ist - wenden wir uns wieder dem Text zu, in dem die Hauptbotschaft in der Tat die ist, daß wir Jünger Jesu sein sollen, und das ist auch im Verständnis des Matthäus etwas anderes als Mitglieder in einer bestimmten Kirchengemeinschaft. Jünger gibt es nicht mehr richtig in unserer Sprache. Waren die letzten Jünger nicht an der Apotheke? Wo ein Jünger einem Lehrling entsprach, einem, der in die Lehre ging. Wir können auch davon sprechen, daß einige Jünger von diesem und jenem Professor oder Lehrer sind, und dann meinen wir, daß Jünger die sind, die mit den Gedanken und Werken des Lehrers weiterarbeiten. Nicht nur als eine Wiederholung, sondern als etwas, was in neue Situationen und neue Zusammenhänge umgesetzt werden muß.

Wenn wir mehr in diese Richtung denken könnten, könnte der Text hier mit guten Grund auch der Jüngerbefehl heißen. Dann könnten wir auch weiter kommen in unserem Verständnis dessen, was das Anliegen des Christentums ist und was es heißt, ein Jünger zu sein:

Jünger sein handelt nicht davon, daß wir unreflektiert eine Lehre kopieren und übernehmen können, gar nicht zu reden davon, daß sie anderen unabhängig von Zeit und Raum aufgedrungen werden kann.

Jünger sein heißt auf Wanderschaft sein, auf dem Wege in das Leben zusammen mit anderen Jüngern, die auch noch immer fragen, was wahr ist.

Der schlechte Meister sagt: Komm, werde wie ich!

Der gute Meister sagt: Komm zu mir und lerne das Leben kennen. Lebe es mit seinem Reichtum und teile es mit anderen. Jünger sein und die Weise, in der Jesus Mission betrieb, fortzuführen, bedeutet einladen - nicht manipulieren oder belehren.

Jesus lud alle ein - zu Tische, zum Fest - zur Gefolgschaft und Gemeinschaft auf dem Wege zur Verwirklichung des Reiches Gottes.

Wenn wir den Jüngerbefehl mehr in diesem Licht sehen könnten - und anderen mit größerer Offenheit, mit größerer Demut begegnen könnten, dann könnten neue Gemeinschaften und Be­ziehungen entstehen quer durch religiöse, kulturelle und ideologi­sche Barrieren, und das wurde mehr den Worten Jesu entsprechen: Gehet hin und macht alle Völker zu meinen Jüngern. Amen.

Pfarrerin Hanne Sander
Prins Valdemarsvej 62
DK-2820 Gentofte
Tel.: 39 65 52 72
e-mail: sa@km.dk

 


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