Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

1. Sonntag nach Trinitatis, 13. Juni 2004
Predigt über Lukas 12, 13-21, verfaßt von Hanne Sander (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


(dänische Perikopenordnung)

Noch immer ein Echo vom letzten Sonntag: Siehe ich bin bei Euch bis an das Ende der Welt. Wir sind auf dem Weg dort hin: an das Ende der Welt. Und die Texte der Trinitatiszeit sind denn auch größtenteils Anweisungen und Ratgeber, wie wir uns unterwegs verhalten sollen.

Die Trinitatiszeit hat man deshalb mit gutem Grund den Alltag der Gemeinde genannt – nach all den Festen. Der Alltag lebt in vieler Weise von den Festen, aber es ist wichtig, daß der Alltag nicht nur von dem lebt, was hinter einem liegt, von Erinnerungen aus der Vergangenheit, von denen man zwar lange zehren kann, sondern daß der Alltag auch davon bestimmt ist, daß wir unterwegs sind zu einem Ziel, daß er eine Richtung hat und ein Ziel und deshalb seine eigene Bedeutung erhält als Teil des Zieles, der Gedanke Gottes mit seiner Welt und mit seinen Menschen.

Es ist offenbar ein ganz alltägliches Problem, von dem Jesus hier ausgeht. Der Ausgangspunkt ist eine Erbfrage, wo zwei Brüder sich nicht über das Erbe nach ihrem Vater einigen können. So etwas ist uns wohl vertraut.

Das ist dieselbe komische und tragische Geschichte jedes Mal – daß sich Geschwister und Verwandte in dem Maße streiten können und aneinandergeraten können, wenn das Erbe verteilt werden soll, so daß es zu jahrelangen Streitigkeiten kommt, und es kann zu unüberwindlichem Zorn und Bitterkeit führen, weil man sich nicht über das Erbe einigen kann – auch wenn keiner der Erben überhaupt das Erbe braucht.

Wir kennen das, entweder von uns selbst, oder von anderen. Und Jesus kennt das natürlich auch. Aber er lehnt es ab, in dem konkreten Streit Stellung zu beziehen, als er gefragt wird.

Das kann wie Gleichgültigkeit wirken. Aber die Haltung Jesu und das Gleichnis, das er erzählt, zeigen eher eine andere Perspektive auf als die, von der der Erbstreit ausgeht.

Ein Kollege hat einmal sehr treffend formuliert, daß die Situation, die hier dargestellt und auf die sich das Gleichnis Jesu bezieht, die ist, daß man sich entscheiden muß, ob man die Vergangenheit erben will oder die Zukunft.

Es ist fast zu einfach, über den reichen Kornbauern zu urteilen, ihn zu kritisieren, weil er etwas mißverstanden hat.

Aber es geht ja nicht darum, noch einmal zu zeigen und festzustellen, daß selbst bei allem Reichtum und materiellen Gütern unser Leben nicht darauf beruht.

Das Gleichnis greift tiefer und stellt vielmehr die Frage, wieweit unser Lebenh von dem bestimmt ist, was hinter uns liegt, oder von dem, was vor uns liegt.

So wie der Großbauer seine Scheunen füllt und meint, in dieser Weise seine Zukunft zu sichern, findet sich im Alten Testament eine Parallele im Bericht von den Israeliten in der Wüste.

Sie haben die Verheißung, daß sie nicht hungern werden, weil jeden Tag Manna aus dem Himmel herabfallen wird, von dem sie Brot machen können. Aber Unglaube bewirkt, daß sie mehr hamstern und an sich raffen, als sie für jeden Tag brauchen – und dann merken sie, daß ihre Vorräte schwinden.

Beide Geschichten, die vom reichen Kornbauern und die vom Manna in der Wüste, kann man mit einem Ton einer unterschwelligen Drohung hören – und man hat sie im Laufe der Zeiten ja auch dazu benutzt, Menschen zu drohen: Memento mori – und deinen Tod bestimmst du nicht selbst.

Wenn ich die Antwort Jesu an den Mann in der Menge höre, dann höre ich eigentlich keine Drohung in der Antwort Jesu – im Gegenteil. Da liegt eher ein trauriger Ton in der Antwort Jesu: Warum könnt ihr in dem Maße die Perspektive verschieben, daß ihr euer Verhältnis zu einander durch Erbstreitigkeiten zerstören laßt?

Und der Trost im Gleichnis liegt darin, daß Jesus indirekt sagt: Habt mehr Vertrauen, habt mehr Glauben an das Erbe, das vor euch liegt. Als Kinder Gottes seid ihr doch Erben des ewigen Lebens – laßt das euer Leben bestimmen. Laßt das das Licht sein, das über euerm Alltag scheint. Und das Vertrauen kann allein aus der Auffassung entspringen, daß das Leben Gott gehört und nicht uns, daß das Leben etwas ist, das zu uns kommt. Wenn dann immer wieder versuchen, uns des Lebens zu bemächtigen, es zu retten, aufzubewahren, weil wir mehr an das glauben, was wir haben, als auf die Zukunft Gottes, ja dann laufen wir Gefahr, mit leeren Händen dazustehen. Amen.

Pastorin Hanne Sander
Prins Valdemarsvej 62
DK-2820 Gentofte
Tel.: ++ 45 – 39 65 52 72
e-mail: sa@km.dk


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