Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

6. Sonntag nach Trinitatis, 18. Juli 2004
Predigt über
Römer 6, 1-4, verfaßt von Reinhard Brandt
(Vorstellung der Konfirmanden)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


(Konfirmandenvorstellung - zur Textabgrenzung und zum Kasus s. u. die Nachbemerkungen)

1 Was sollen wir nun sagen? Sollen wir denn in der Sünde beharren, damit die Gnade um so mächtiger werde?
2 Das sei ferne! Wie sollten wir in der Sünde leben wollen, der wir doch gestorben sind?
3 Oder wißt ihr nicht, daß alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft?
4 So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln.

Liebe Konfis, liebe Gemeinde,

„Taufe“ ist das erste Stichwort. „Wir sind auf Christus Jesus getauft“ schreibt Paulus. Um die Taufe und das neue Leben geht es.

„Taufe“ ist ein gutes Stichwort bei der Vorstellung der neuen Konfirmandinnen und Konfirmanden. Ihr seid alle getauft und bereitet euch auf die Konfirmation vor. Die Konfirmation ist neben der Segnung der Getauften vor allem eine Bekräftigung des Taufversprechens.

Bei den Taufgesprächen verhandeln wir das immer: Die Babys können das Glaubensbekenntnis nicht selbst ablegen (selbst wenn die Mütter heimlich mit ihnen üben). Deshalb sprechen die Eltern, die Paten und die Gemeinde bei der Tauffeier das Glaubensbekenntnis stellvertretend für die Kinder. Später bei ihrer Konfirmation werden sie es selbst sprechen.

Auch bei eurer Taufe war das so. Und bei eurer Konfirmation werdet Ihr das Glaubensbekenntnis sprechen, alleine, die Gemeinde spricht in diesem Fall nicht mit, sondern hört es: euer sozusagen nachgeholtes Taufbekenntnis. Der ganze Konfirmandenunterricht hat letztlich zum Ziel, daß ihr einigermaßen jugendgerecht versteht, was ihr bei der Konfirmation bekennt.

So ist heute bei eurer Konfi-Vorstellung die Taufe das Thema, und zwar nach dem Bibeltext in einer ganz bestimmten Hinsicht. Paulus schreibt: „Oder wißt ihr nicht, daß alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft?“

Das ist ein Gedanke, der euch vielleicht noch nicht bewußt gewesen ist, vielleicht auch euren Eltern nicht, als sie euch taufen ließen. In den Tod getauft? Ihr? Wir alle, die wir auf Christus getauft sind, wir sind auf seinen Tod getauft? Aber ihr lebt doch! Wir alle! Fröhlich und gesund (mehr oder minder!)! Die Taufe ist das Sakrament des Lebens! Was soll da der Tod?

Vor Jahren sollte ich ein vierjähriges Kind taufen: Die Eltern baten um die Taufe; der Knabe selbst jedoch klammerte sich verstört an seinen Vater, schon beim Taufgespräch. Schließlich stellte sich heraus: Er besaß eines dieser Bilderbücher, in denen Mäuse die Menschenwelt spielen; darin auch eine blödsinnige Szene, wie Mäuse im Chor singen: „Dann geht es ans Taufen - Hilfe, Hilfe, wir ersaufen!“

So hatte das arme Kind schlicht Todesangst - und es bedurfte vieler Erklärungen und der „Probetaufe“ eines Teddybären, bis der Knabe schließlich bereit war, sich taufen zu lassen.

Die Taufe und der Tod. Ihr seid nicht mehr vier, sondern 12 oder 13 und versteht, daß es so nicht gemeint ist. Aber doch Paulus?! „Wir alle, die wir auf Christus getauft sind, wir sind auf seinen Tod getauft“. Wie das?

Im Konfirmandenunterricht müßt ihr etliche Stücke aus Luthers Kleinem Katechismus auswendig lernen. Ein Absatz gehört nicht mehr zum Lernprogramm, obwohl er gut die Bedeutung der Taufe erklärt; deshalb wollen wir ihn heute wenigstens bedenken: Luthers Auslegung zur Taufe:

Was bedeutet denn solch Wassertaufen?

Es bedeutet, daß der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten.

Das ist nun immer noch ein ungewohnter Gedanke, aber deutlich ist er nun: Ein Einschnitt ist gemeint, die Taufe ein einschneidendes Ereignis, vergleichbar nur mit dem Tod. Der alte Mensch in uns, der wir einmal waren in vielen alten Verstrickungen, der soll sterben. Ersäuft soll er werden mit allem, was falsch und böse ist, mit aller verfehlten Lebensgier.

In diese Richtung hat der Paulus gedacht, als er von der Taufe in den Tod sprach. Ungewohnt bleibt der Gedanke trotzdem: Ersäuft mit den Sünden? Getauft in Christi Tod?

Weil er ungewohnt ist, möchte ich euch einladen, diesen Gedanken auszuprobieren und einzuüben. Im Vorstellungsgottesdienst sollt ihr euch ja vorstellen und euren Namen nennen. Ich möchte euch bitten, auch noch den Tauftag dazu zu sagen (wir haben ja vorhin darüber gesprochen). Und das alles in einem Satz, mit dem ihr den Gedanken des Paulus aufnehmt: Ich, Reinhard Brandt (oder wie Ihr heißt), bin am 10. Januar 1956 ersäuft worden, getauft in Christi Tod.

Vorstellung der Konfirmand/innen

Nicht wahr: Komisch ist es schon! Solch ein Satz zur Vorstellung und zur eigenen Lebenssituation. Zunächst danke ich euch, daß ihr euch darauf eingelassen habt.

Doch ich will noch einen Gedankenschritt weiter gehen; und dazu eine Geschichte, ein alter Kalauer:

Es Fritzla is a Konfirmand und kummt am Sunntoach vo der Kerng ham. Froachtn sei Mudder: Woas hoat‘ern gsacht, der Bfaarer. Es Fritzla: Vo der Sünd hoat‘ers ghabt. Die Mudder: Und woas hoat‘er no gsacht vo der Sünd. Es Fritzla: Er woar dagegn!

Darum geht es dem Paulus: Er ist gegen die Sünde!

Zuerst hatte Paulus von der Liebe Gottes geschrieben. Die Liebe Gottes überwindet alle Widerstände. Gott ist auch dem Sünder gnädig. Ohne daß der Mensch etwas von sich aus zu seinem Heil beitragen könnte, nimmt Gott ihn an und rechtfertigt ihn. Allein die Gnade ist es, durch die ein Mensch selig wird; allein der Gnade könne wir vertrauen.

Dies spießten die Kritiker des Paulus auf: Wenn es so ist, dann wäre es ja das beste, einfach weiter zu sündigen. Irre! Die Gnade wird es dann schon richten!

Als Paulus seinen Brief an die Gemeinde in Rom schrieb, wußte er, daß jener Einwand unweigerlich kommen wird. So will er dem Einwand von vornherein den Wind aus den Segeln nehmen. „Was sollen wir nun sagen?“ knüpft Paulus an die Diskussion über seine Theologie an. „Sollen wir denn in der Sünde beharren, damit die Gnade um so mächtiger werde?“ (Der Einwand, und darauf die Antwort des Paulus:) „Das sei ferne!“ - Der Paulus ist dagegen; und wenn jenes Fritzla bei ihm in der Predigt gesessen hätte, dann hätte er mit vollem Recht zu Hause erzählen können: „Er woar dagegn!“

Just an dieser Stelle kommen bei Paulus die Taufe und der Tod ins Spiel. Denn: Die Taufe ist nicht nur eine nette Familienfeier, auch nicht nur eine Vergebung wie einmal „Tschuldige“ gesagt; sondern die Taufe ist ein tiefer Einschnitt. Nach der Taufe kann man nicht einfach so weitermachen wie bisher. Tief wie der Tod ist der Einschnitt: „Oder wißt ihr nicht, daß alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft?“

Die Taufe und der Tod - jetzt versteht ihr den Zusammenhang etwas besser. Trotzdem ist das erst die halbe Wahrheit. Denn Christus ist nicht nur gestorben, sondern er ist auferstanden und lebt. Deshalb muß mehr noch als vom Einschnitt des Todes vom Leben gesprochen werden: die Taufe und das Leben, das neue Leben. Die Taufe wirklich als Sakrament des Lebens!

Was bedeutet also die Taufe? Vorhin habe ich Luther zitiert: „Es bedeutet, daß der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben ...“ Das Zitat war nicht vollständig; es lautet weiter: „und wiederum soll herauskommen und auferstehen ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinheit vor Gott ewiglich lebe.“

Zur Begründung zitiert Luther eben jenen Abschnitt aus dem Paulusbrief: Die Taufe in Jesu Tod - und dann die entscheidende Wendung: „So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln.“

Taufe also nicht nur ein Einschnitt wie der Tod, sondern noch mehr: ein Einschnitt wie Jesu Auferstehung, die Getauften in einem neuen Leben.

Daß man dann nicht mehr so verdreht argumentiert wie die Gegner des Paulus - wenn nur die Gnade gilt, dann laßt uns ruhig sündigen -, das ist ja klar, wenn die Taufe solch ein Einschnitt ist.

Als ihr euch vorhin mit jenem Satz vorgestellt habt, da habt auch ihr - wenn man den Paulus nun ernst nimmt - nur die halbe Wahrheit gesagt. Ich lade euch ein, euch noch einmal vorzustellen, und das in einem Satz, mit dem ihr auch die Fortführung des Gedankens bei Paulus aufnehmt: Ich, Reinhard Brandt (oder wie Ihr heißt), bin am 10. Januar 1956 getauft worden und lebe in Christus.

Vorstellung der Konfirmand/innen

Auch das kommt euch vielleicht noch komisch vor. Denn wo spürt ihr das: ich lebe in Christus? Wie unterscheidet sich das von anderem Leben? Ihr seid ja alle als kleine Kinder getauft worden, da gibt es keinen Vergleich zwischen einem früheren Leben und dem neuen Leben. Ihr kennt nur die Erfahrungen, die ihr eben macht; und das sind neben Augenblicken des Gelingens sicher auch viele zweifelhafte Erfahrungen: Schwierigkeiten in der Schule, Ärger mit den Eltern, Streit mit der Freundin, dem Freund. Was da der Paulus schreibt - „auch wir in einem neuen Leben wandeln“ - das bleibt irgendwie unanschaulich und den Mund ein bißchen voll genommen; nicht wahr?

In der Tat hat Paulus eine andere Situation vor Augen: erwachsene Menschen, Ältere, die in einer heidnischen Götterwelt lebten, die dann dem Evangelium begegnen und sich von ihrem alten Leben lossagen, sich taufen lassen und ein neues Leben beginnen, die dann „in einem neuen Leben wandeln“.

Unsere Situation ist anders: Als Kinder wurden wir getauft und leben als Christen mit solchen und mit solchen Erfahrungen. Der einmalige Einschnitt ist die Taufe nicht, bei euch nicht, bei mir nicht.

Deshalb will ich euch noch einmal auf Luther aufmerksam machen. Weil er die andere Situation (auch schon zu seiner Zeit) erkannt hat, deshalb hat er die Argumentation des Paulus an einer kleinen, aber wichtigen Stelle verändert. Er hat das Wort „täglich“ eingeführt. Die Bedeutung der Taufe erschöpft sich nicht im einmaligen Ereignis, sondern hat tägliche Folgen:

Es bedeutet, daß der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten

und wiederum täglich herauskommen und auferstehen ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinheit vor Gott ewiglich lebe.

Das ist nun eine Erfahrung, die ihr auch in eurem Leben vielleicht schon gemacht habt. Die Chance der Christen ist, daß sie bereuen können, täglich, auch dann, wenn es tiefe Einschnitte erfordert, und das sie leben können, neu anfangen, wie neue Menschen sogar.

Vielleicht habt ihr Konfis schon einmal solche Erfahrungen gemacht; vielleicht Sie als erwachsene Gemeinde. Wenn nicht, dann wünsche ich euch, Ihnen solche einschneidenden Erfahrungen, „damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln.“

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Nachbemerkungen:

1 Die Abgrenzung des Predigttextes Röm. 6,3-8(9-11) wird zu Recht aus exegetischen wie homiletischen Gründen kritisch diskutiert. Nach einem Vorschlag von Günter Klein (GPM 52. 1998. H. 2, S. 354) wähle ich für die Lesung des Predigttextes Röm. 6,1-4: dort wird das Problem benannt und die Lösung intoniert. In der Predigt können dann Gedanken aus den folgenden Versen mit einbezogen werden.

2) Die Predigt ist zugespitzt auf den Kasus: die Vorstellung der 9 Konfirmandinnen und Konfirmanden des Jahrgangs 2004/05 (die in diesem Fall auch alle bereits getauft sind) in einer Gemeinde, in der ich die Vakanzvertretung habe. Dies stellt natürlich einen Sonderfall dar. Zu überlegen wäre aber, ob man nicht auch in einer „normalen“ Sonntagspredigt die Konfis diesmal eigens anspricht oder sie sogar in die Gestaltung des Gottesdienstes einbezieht.

3) Sinnvoll wäre die Angabe der Katechismus-Stelle schon auf der Liedertafel, je nach regionaler Ausgabe etwa EG 806.4 (EKD-Ausgabe), EG 905.4 (Ausgabe Bayern-Thüringen) usw.

4) Die Geschichte „Er war dagegen“ am besten in der jeweiligen Mundart.

Dekan Dr. Reinhard Brandt
Evang.-Luth. Dekanat
Pfarrgasse 5
91781 Weißenburg (Bay.)
reinhard.brandt@elkb.de

 


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