Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

19. Sonntag nach Trinitatis, 17. Oktober 2004
Predigt über
Eph. 4,22-32, verfaßt von Rudolf Schmidt
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Liebe Gemeinde!


In der Nachfolge des Apostels Paulus gab es sehr bald schon Theologen, die in seinem Sinne zu arbeiten versuchten. Dazu gehört auch der namentlich nicht bekannte Verfasser des Epheserbriefes. Man hat schon früh diesen Brief dem Paulus selbst zugeschrieben, vielleicht hat der Verfasser ihn auch unter dem Namen des Paulus veröffentlicht, um dessen geistliche Autorität in Anspruch zu nehmen.

Aus diesem Brief ist der für diesen Sonntag vorgeschlagenen Predigttext genommen. Ich lese eine etwas längere Fassung vor, die mir so schlüssiger zu sein scheint als der Ausschnitt, der als Predigttext vorgeschlagen ist.

Ich lese aus dem Epheserbrief Kapitel 4, 20 bis Kapitel 5,2:

Ihr habt Christus kennen gelernt, ihr habt von ihm gehört und seid in ihm unterwiesen, wie es Wahrheit in Jesus ist. Legt von euch ab den alten Menschen mit seinem früheren Wandel, der sich durch trügerische Begierden zugrunde richtet.

Erneuert euch aber in eurem Geist und Sinn. Und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit. Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind. Zürnt ihr, so sündigt nicht., lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen. Und gebt nicht Raum dem Teufel. Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit eigenen Händen das nötige Gut, damit er dem Bedürftigen abgeben kann. Laßt kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören. Und betrübt nicht den heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt seid für den Tag der Erlösung. Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung seien fern von euch samt aller Bosheit. Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus,. So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch.

Gleich zu Beginn dieses Abschnittes appelliert der Verfasser an Traditionen, die in der Gemeinde geläufig und bekannt und darum wichtig sind, wenn er schreibt: ihr habt Christus kennen gelernt, von ihm gehört und seid in ihm unterwiesen. Es hat wohl von Anfang an in den christlichen Gemeinden eine Unterweisung der Christen gegeben, bevor sie getauft wurden, wie es sich ja auch aus dem Missionsbefehl in Matthäus 28 ergibt: gehet hin in alle Welt und macht zu Jüngern alle Völker , in dem ihr sie taufet und lehret halten alles, was ich euch geboten habe..

Das also ist vom Anfang der Kirche an eine Selbstverständlichkeit, die wir bis heute natürlich beibehalten haben und auch notwendig brauchen. Wir können den Inhalt unseres Glaubens nur so an die nächste Generation weitergeben. Zum Glauben gehört nicht nur eine Kenntnis des Gemeindelebens und des Gottesdienstes, sondern vor allem auch eine Kenntnis der Grundlagen, der Grund-Sätze unseres Glaubens. Für mich gehören dazu die 10 Gebote, die Seligpreisungen aus der Bergpredigt, das Vaterunser, das Glaubensbekenntnis, manche Lieder und Psalmen und viele Texte und Geschichten aus der Bibel.

Ohne solche Kenntnis lässt sich, so scheint mir, Glaube nicht weitervermitteln an unsere Kinder und Enkel.

In unserem Predigttext wird das Bemühen deutlich, Hinweise, Wegweisungen für die Praxis zu geben. Richtige Kataloge lassen sich finden, in denen der Verfasser auch auf ethisches Gut seiner Zeit gerne zurückgreift, aber auch das, was der Apostel Paulus geschrieben hat, ist ihm wichtig, oder der Verfasser des Kolosserbriefes, an den sich der Schreiber des Epheserbriefes besondere eng anlehnt.

Warum geht es dabei besonders?

Es geht ihm darum dass seine Leser aufgefordert und ermutigt werden, ein Leben zu führen, das dem Stand getaufter Christen entspricht. In unserem Predigttext wird das mit einem Bild umschrieben: den neuen Menschen anzuziehen, der nach Gott geschaffen ist in Gerechtigkeit und wahrer Heiligkeit.

Viele biblische Texte, vor allem auch Paulus selbst, sprechen von dem erneuerten Leben, dass in der Taufe begründet ist.

Aber: ist das Leben der Getauften in der Praxis so viel anders geworden, - wenn wir z. B. uns selbst als Maßstab nehmen?

Die Ermahnungen unseres Predigttextes machen auf jeden Fall deutlich, dass immer wieder zum Ursprung der Taufgnade zurück zukehren ist, also zu Jesus Christus, im dem Gottes Gnade zu uns Menschen gekommen ist und Gott so die Grundlage unseres Lebens und Glaubens gelegt hat.

Aus dieser Taufgnade heraus gilt es darum unser eigenes Leben in Verantwortung vor Gott zu gestalten. Als Anleitung dazu sind die wortreichen Ermahnungen zu verstehen, die in unserem Predigttext aufgelistet sind:

legt die Lüge ab,

sagt die Wahrheit;

laßt die Sonne nicht über euerm Zorn untergehen

Wer gestohlen hat, stehle nicht mehr, um mit seiner Hände Arbeit dem Nächsten helfen zu können

Es soll kein schlechtes Wort seinen Weg aus eurem Munde finden, um den Nächsten nicht zu beschweren und die Gemeinde nicht zu belasten.

Es ist also eine Ethik, die ganz stark von der Gemeinde her denkt, von den Mitchristen und Mitmenschen. Ihn gilt es immer wieder im Blick zu haben, damit die Gemeinschaft nicht gestört oder gar zerstört wird, sondern, ganz im Gegenteil: gebaut und auferbaut werde.

Gewiß haben wir alle gelernt, uns zu benehmen und in der Gemeinde zu Hause zu sein. Aber hier tritt uns eine Gemeindeform entgegen, die viel mehr im kleinen Kreis lebt als wir es tun und vielleicht auch wollen. Gehen uns solche ethischen, moralischen Ermahnungen im Inneren noch etwa an, be-treffen sie uns, mich selbst?

Würde ich so angeredet, ich wäre wahrscheinlich ganz merkwürdig berührt -, obwohl ich vor einigen Tagen ganz positiv überrascht war, als bei einem intensiven , aber etwas lockeren Gespräch ein Teilnehmer sagte, er wünsche nicht, dass wir so über andere Menschen, vor allem Frauen redeten.

Aber vielleicht kommt es gerade auf so konkrete Situationen an, wo wir gefragt und auch gefordert werden, von unserer christlichen Grundhaltung her Profil zu zeigen und uns nicht zu verstecken, aber wie eng müssen oder sollen oder wollen wir dabei sein ?

Mir persönlich ist beim Nachdenken darüber der Schluß unseres Predigttextes ganz wichtig geworden, weil er über einfache Anweisungen, die ja ganz leicht gesetzlich und als Vorschriften dann mißverständlich werden und sein können, deutlich eine Position angibt, die tiefer reicht und uns eine Grundlage für unser Verhalten geben kann: So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe wie auch Christus uns geliebt hat...

Damit will dieser Abschnitt aus dem Epheserbrief an einigen Beispielen aus den Tugend – und Lasterkatalogen seiner Zeit deutlich machen, wie eine durch die Taufe begründete christliche Lebensauffassung und Lebensführung aussehen kann.

Wichtig werden dabei vor allem die auf das Miteinander in der Gemeinde bezogenen Hinweise, die so in der antiken Ethik nicht verbreitet waren.

Ziel und Ausgangspunkt eines solchen Lebens in der Gemeinde ist die von Gott erfahrene Liebe, die in Jesus Christus ihren für uns alle noch versteh – und begreifbaren Ursprung hat. Auf sie werden wir besonderes deutlich hingewiesen, und sie ist über die Zeiten hinweg immer von neuem der Ausgangspunkt unseres Nachdenkens über das christliche Leben heute

in seinen konkreten Ausrichtungen im so für uns alle so unterschiedlichen Alltag unserer Zeit.

Die Fragen, die uns heute beschäftigen, von Hartz 4 über den Einsatz deutscher Soldaten im Ausland bis zum Zusammenleben verschiedener Religionen nun auch in unserm Land, muß immer wieder unter dem Grundgedanken der Liebe Gottes zu uns und allen Menschen, die in Jesus Christus lebendige Gestalt geworden ist, bedacht werden.

Sein Leben kann dann für uns immer wieder neu zu Anfragen an unser eigenes Leben werden.

Leben wir so, wie von Gott geliebte Menschen auf dieser Erde leben dürfen?

In der großen Freiheit, das vor Gott als recht erkannte auch zu tun und zu verwirklichen – in der Gemeinde, in der Politik wie auch im eigenen Leben ?

Gottes Liebe macht uns frei, das rechte in unserem eigen Leben zu tun damit wir es auch tun und so das Leben Gottes in Anfängen schon hier auf der Erde gewinnen.

Amen.

Rudolf Schmidt, Pastor i.R.

p.rudolfschmidt@web.de


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