Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Ewigkeitssonntag, 21. November 2004
Predigt über
Matthäus 11, 25-30, verfaßt von Niels Henning Brønnum (Dänemark)
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Hier am letzten Sonntag des Kirchenjahres ist vom Joch die Rede: "Nehmt auf euch mein Joch und lernet von mir... Denn mein Joch ist sanft und meine Bürde ist leicht".

Heutzutage gebrauchen wir das Wort Joch nur noch im übertragenen Sinne, also da, wo wir das Leben unerträglich finden und als Joch erleben, als eine Last, etwas, das uns zwingt, schwer und notgedrungen.

Ursprünglich war das Wort Joch etwas ganz Buchstäbliches. Es war ein Gerät, ein praktisches Gerät. Ein Joch war ein Geschirr für Zugtiere, dann auch der Querbalken, den man auf die Schultern eines Menschen legen konnte. Das Joch ermöglichte es diesem Menschen, zwei Eimer zu tragen - und dennoch beide Hände frei zu haben. Aber wenn das Joch brauchbar sein sollte, mußte es natürlich dem angepaßt sein, der es tragen sollte. Paßte das Joch nicht zu den Schultern, wurde die Last noch untragbarer als sie ohnehin schon war. Das Gewicht der Last würde ja bewirken, daß sich das Joch in die Schultern eingrub und Schmerzen verursachte - wo es doch an sich eine Erleichterung und Entlastung für den sein sollte, der es trug.

Heute heißt es also: "Nehmt auf mein Joch und lernet von mir ... Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht". Aber Jesus sagt auch: "Ich preise dich, Vater und Herr Himmels und der Erde, daß du solches den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart". Das mit den "Unmündigen" ist in der Lutherübersetzung eigentlich eine freie Auslegung, das Wort im Urtext bedeutet eigentlich den "Kleinen".

Ja muß man glauben wie ein Kleinkind in seiner Unwissenheit, damit Jesu Worte einen bewegen können? Nein! Aber die Klugen und Weisen - die hören das nicht gern. Oder besser: Die - d.h. wir - glauben, daß wir auf die Worte verzichten können, weil wir meinen, uns selbst helfen zu können. Die Worte von den Unmündigen, den Kleinen, denen Gott allein sein Reich öffnet, sind denn auch leicht Opfer des kalten Lachens der Klugen.

Man sagt, daß die Sekte der Zeugen Jehovas gar nicht daran interessiert ist, Mitglieder mit gehobener Ausbildung anzuwerben. Mit anderen Worten: Man darf nicht zu belesen und zu gelehrt sein, wenn man Mitglied in dieser Sekte sein will. Grob gesagt: Lieber leer im Kopf als belesen. Es ist nämlich nicht erlaubt, das in irgendeiner Weise anzufechten, was die Zeugen Jehovas als Wahrheit überliefern.

Es sieht ja so aus, als könne diese Sekte hier einen Beleg dafür finden, daß man mit den Klugen und Schlauen nichts zu tun haben will, denn es heißt: "Ich preise dich, Vater und Herr Himmels und der Erde, daß du solches den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart". Also: Die Unmündigen - und nur die - haben Zugang. Die Weisen und Klugen nicht.

Warum denn das? Was haben denn gerade die 'Weisen und Klugen' getan, daß sie außen vor bleiben müssen? Vorläufig gesagt: Sie - d.h. wir - bilden uns etwas ein auf unsere klugen Gedanken. Aber diese Klugheit macht dumm. Sie hindert den ach so Klugen daran, dem nahezukommen, was in gewissen Zusammenhängen geradezu lebenswichtig ist. Daß mein seine Paraden fallen läßt. Daß man bereit ist, sich zu öffnen. Daß man es wagt, das anzunehmen, was einem gereicht wird - das ist nicht das Wesen der Klugheit, sondern des Glaubens.

Es ist bekanntlich eine Tugend geworden, kritisch zu sein. Nicht auf alles hereinzufallen. Ein Beispiel: Würde ich mich nun so klug und vernünftig anstellen - also demonstrieren, daß ich wirklich kritisch sein kann, dann läge es ja nahe einzuwenden, daß Jesus im heutigen Text wohl nur aus der Not eine Tugend macht, wenn er die 'Unmündigen' als die auszeichnet, denen Gott sich offenbaren will. Warum sie? Ja, keiner der Weisen und Klugen - der Intellektuellen der damaligen Zeit, der Schriftgelehrten und der Pharisäer, würden auch nur im Traum daran denken, sich mit ihm einzulassen. Sie lehnten ihn ab. Sie vertrauten ihm nicht.

Annehmen wollten ihn nur die 'Unmündigen', die niemand sonst annehmen wollte - also die Ausgestoßenen, die Armen, die Kranken, die ganz einfach nicht anderes zu erwarten hatten als die Wohltaten, die Jesus in Wort und Tat unter ihnen vollbrachte.

Es ist so, daß es nicht nur Boomerangs sind, die einem wieder an den Kopf fliegen. Das gilt auch für Worte. Wie die Worte des heutigen Textes. Hört man das heutige Evangelium so: Klug, besserwisserisch, zurückgelehnt, also mit dieser Ein­stellung: Ja, ja, der Mann macht aus der Not eine Tugend, und es doch ziemlich weit hergeholt, daß der erhabene Gott selbst sich in der Gestalt eines armen Laienpredigers zu Worte melden will - ja dann hat man sich schon ausgeschlossen und unter die sogenann­ten Weisen und Klugen gesellt, also die, welche die Botschaft nicht annehmen wollen und wollten.

Ja, was ist denn daran falsch, daß man sich skeptisch verhält? Im Prinzip gar nichts. Aber da, wo das Leben wirklich wird und deshalb vielleicht weh tut, da kann man nicht prinzi­piell reden. Hier taugen Weisheit und Verstand nicht, die mit ihrer Skepsis daherkommen. Wie eine Mauer stellt sie sich nämlich in den Weg und hindert uns daran, das anzunehmen, was uns im Evangelium gereicht wird.

Aber: Es ist ja nicht so, daß menschliche Weisheit und Klugheit hier abqualifiziert würden. Müßten wir unseren Verstand abgeben, um uns dem Evangelium zu nähern, wäre das eine merkwür­dige und unfreie Sache. Außerdem: Wenn Gott den Menschen geschaffen hat, hat er ihn wohl eben auch mit Vernunft und Verstand ausgestattet. Weisheit und Verstand als solche sind also nicht abzulehnen. Aber es gibt eben gewisse verhängnisvolle Zusammenhänge, die wesentlich sind und wo Weisheit und Verstand als solche zu kurz kommen.

Das wissen die, die erkennen, daß wir mit leeren Händen dastehen. Das begreifen die, die nur annehmen können. Das verstehen die, die nichts bezahlen können.

Wer sind die? Das sind die, die mühselig und beladen sind. Für die das Leben - allmählich oder plötzlich - unbarmherzig geworden ist, brutal. Jesus spricht zu denen, die eben jetzt das Gewicht des Jochs auf ihren Schultern spüren.

Das Joch kann alles mögliche sein. Wer nichts hat, ohne Wohnung, angewiesen ist auf eine Suppenküche, der weiß, was ein Joch ist. Und wem plötzlich der Mensch genommen ist, der das Leben für ihn war, der kann weiß Gott auch darüber mitreden, was ein Joch ist. Aber an die - und das heißt an dich und an mich - richtet Jesus sein Wort.

Hier am Ende des Kirchenjahres, wo die Kälte zunimmt und die Finsternis mehr und mehr die Erde bindet, verspricht Jesus jedoch nicht, daß er das Joch von unseren Schultern nehmen wird. Aber er sagt, daß das Joch zu tragen ist - weil er da ist in seinem Wort, weil er es da leicht macht.

Ein Joch kann drücken und die Bürde noch untragbarer machen, als sie schon ist. Aber Er, der an seinen eigenen Schultern weiß und wußte, was ein Joch ist, in Seiner, in Christi Macht liegt es auch, dein und mein Joch so zuzuschneiden und zu formen, daß es eben zu tragen ist. So wie Jesus dies tut, wenn er sagt: "Nehmt auf euch mein Joch und lernet von mir... Denn mein Joch ist sanft und meine Bürde ist leicht".

Worte können selbst den bewegen, oder besser gerade den bewegen, der seine Last unerträglich findet. Wenn Jesus nun behauptet, daß sein Joch gut ist, seine Last leicht - dann muß das bedeuten, daß Er, der wie kein anderen wirklich seine eigene Last trägt, sein Kreuz auf Golgatha, daß er damit unsere Last für uns erträglich gemacht hat. Denn in Seiner Macht und nach Seinem Willen liegt es, jedes Joch zu formen, so daß die Lasten erträglich sind.

Vertraue darauf, daß das Joch, daß Christus auf deine Schultern legt, dir angepaßt ist, so daß gerade du es tragen kannst! Und vergiß nie, daß das Joch, daß Christus für dich geformt hat, dir freie Hände gibt. Auch um deine Hände zum Himmel zu erheben. Das bedeutet: Niemand soll gegen eine verschlossene Tür anschreien. Denn Er, der trug, trägt noch immer, mit uns. Bei ihm ist immer ein offener Himmel. Ihm ist kein anderes Joch fremd. Bei ihm können wir immer Ruhe finden für unsere Seele. Er weiß ja, woran wir tragen. Im Jesu Namen. Amen.

Pfarrer Niels Henning Brønnum
Valløvej 19
DK-2700 Brønshøj
Tlf.: ++ 49 - 38 60 50 17
e-mail: nhb@km.dk


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