Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Septuagesimae, 23. Januar 2005
Predigt über
Lukas 17, 7-10, verfasst von Elisabeth Tobaben
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Gemeinde!

“Fundraising“ scheint das Gebot der Stunde zu sein, auch in der Kirche!
Viele kirchliche Aktivitäten, Einrichtungen, Pfarr- und MitarbeiterInnenstellen sind im bisherigen  Maß gar nicht mehr zu aufrecht zu erhalten, und so wird nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten gesucht.
Einzelne, Gruppen und vor allem Firmen sollen gewonnen werden, um ihre Finanzmittel, ggf. auch ihr Know-how und ihr Personal einzubringen, um die Arbeit weiter durchführen zu können oder sie sogar um besondere Schwerpunkte zu erweitern.
In vielen Einrichtungen und Kirchenkreisen gibt es inzwischen Stellen für Fundraiser, und eine wesentliche Aufgabe dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besteht in dem, was ich gern “SponsorInnen- Pflege“ nenne,
Da geht es um Informationen über den Stand der Arbeit, Erfolge und Misserfolge, Planungen und Ziele, um die Aufnahme und Diskussion von Ideen und Möglichkeiten, um Kontaktpflege im weitesten Sinn,  um Dankesschreiben, vielleicht kleine Geschenke, Gespräche...

Nun stelle man sich vor: ein Treffen der Mäzene, festlich gedeckter Tisch, Teetafel mit Kluntje und Sahne, Blumen und Kerzen, alles vom Feinsten, und natürlich einer  Andacht zu Beginn.
Da  zieht jemand das Neue Testament aus der Tasche und liest aus Lukas 17:

7. Wenn einer von euch einen Sklaven hat, der pflügt oder das Vieh hütet, wird er etwa zu ihm sagen, wenn er vom Feld kommt: Nimm gleich Platz zum Essen? 8. Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu Essen, gürte dich und bediene mich; wenn ich gegessen habe und getrunken, kannst du auch essen und trinken. 9. Bedankt er sich etwa bei dem Sklaven, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde? 10. So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: wir sind unnütze Sklaven, wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.

Was? Unnütze Sklaven?
Ich vermute, die Anwesenden würden zumindest dezent die Köpfe schütteln und überlegen, ob sie nicht doch werbeträchtigere  Einrichtungen finden könnten, in die es  zu investieren lohnte.
Solche, von denen das Engagement auch entsprechend gewürdigt wird, und die einen nicht auch noch derart vor den Kopf stoßen!
Die außerdem  ein positiveres Menschenbild transportieren als dies -typisch kirchliche?- jedenfalls sklavisch ergebene, unterwürfige.
Vielleicht würde aber auch gleich ein Sturm der Entrüstung losbrechen:
Das kann man doch nicht machen!  
So kann man mit engagierten Menschen doch nicht umgehen, die so viel Zeit und Geld einsetzen für ihre Kirche!
Vielleicht würden einige sogar unter Protest den Raum verlassen!

Was ist passiert?
Ich habe nur versucht, auf die Spitze zu treiben, was mit diesem Gleichnis in der Vergangenheit immer wieder  gemacht wurde.
Man hat es nämlich nicht selten als eine Art “Dienstanweisung“ benutzt (um nicht zu sagen: missbraucht!).
Wenn jemand für sich selbst entscheidet: Ich möchte so leben, z.B. in aufopferndem Dienst Kranke pflegen,  in Diakonie, Mission oder Entwicklungshilfe arbeiten
-(Hinweis auf den 14.01. , der 130. Geburtstag von Albert Schweitzer)-
dann ist das natürlich völlig in Ordnung.
Zu meiner absoluten Verblüffung begegne ich aber auch im 21. Jahrhundert immer noch der Meinung, dass Tarifverträge, Urlaubs- und Freizeitregelungen für z.B. Krankenschwestern und –pfleger oder ErzieherInnen eigentlich geradezu etwas Unanständiges seien!
“Dann hätten die eben keinen sozialen Beruf ergreifen dürfen,“ sagt mir doch tatsächlich vor noch gar nicht so langer Zeit ein engagierter Christ.
Wohlgemerkt trifft er diese Aussage über andere!
Das
ist Missbrauch, damit wird man 1. dem Menschen nicht gerecht, denn natürlich gehe ich davon aus, dass sowohl die Schwester als auch die Kindergärtnerin oder welche kirchlichen MitarbeiterInnen auch immer in ihrer Arbeitszeit engagiert und fachkundig und profiliert evangelisch arbeiten, dann aber haben sie alle natürlich ein Recht auf Erholung und Freizeit!

Das ist das eine, aber 2. wird mit der zitierten Meinung auch unserem Text die Spitze  geradezu abgebrochen!
Warum?
Schauen wir uns die Geschichte und ihre Stoßrichtung einmal etwas genauer an:

Den Sklaven und seine Rolle beschreibt Jesus in seiner Gleichnisgeschichte.
Und er kann davon ausgehen, dass seine Zuhörer darüber Bescheid wissen, schließlich redet er mit Menschen, die selber Sklaven in ihrem Besitz haben.(V.7)
Natürlich wissen sie, wie man mit diesen Sklaven umgeht, sicher muss man sie einigermaßen gut behandeln, damit ihre Arbeitskraft erhalten bleibt, ihnen zu Essen und zu Trinken geben und sie auch mal ausruhen lassen, (V.8), aber sie sind Besitz, über den man bestimmen kann.
Einen menschlichen Wert, eine eigene Meinung oder gar Gefühle muss man ihnen darüber hinaus aber nicht zubilligen.
Selbstverständlich kann man seinen Sklaven verkaufen, auch wenn dabei Familien auseinander gerissen werden, kein Problem.
Ganz klar ist; sein Dienst ist eine Selbstverständlichkeit, völlig klar, dass man sich da nicht für seine Tätigkeit auch noch bedanken muss!
Oder womöglich gar dem Sklaven nach einer anstrengender Arbeit erstmal eine Erholungspause gönnt, so war das einfach.

Und wie so oft wenn Jesus Geschichten erzählt, nimmt er die Lebensumstände seiner Zuhörer gekonnt und gezielt aufs Korn, beschreibt etwas, was alle kennen.
Alle hören interessiert zu, alle nicken und denken: Klar, das ist doch selbstverständlich, -  bis ihnen plötzlich die Luft wegbleibt und sie fragen:
Was hat er gerade gesagt? Das kann jawohl nicht wahr sein!“
“Hat er wirklich gesagt: So auch ihr...? -Wie denn, wirwerden mit Sklaven verglichen!!?
Das kann  doch wohl nun nicht angehen?!“

Lukas ist der einzige der Evangelisten, der diese Geschichte so erzählt.
“Stärke unsern Glauben... “ lässt er zuvor die Jünger den Herrn bitten, und dann schließt er das Gleichnis vom Senfkorn an.
Ein Glaube, sagt er, mag  er so winzig sein wie ein klitzekleines, kaum zu packendes Senfkorn, er könnte die Kraft haben, einen riesigen Maulbeerbaum einfach so ins Meer zu verpflanzen.
Eine Unmöglichkeit also, wir wissen, das das nicht geht, und außerdem ja auch eine Aktion ohne wirklichen Sinn!
Denn- was soll das? Ein Baum im Meer?  
Lebensfähig ist er da  im Salzwasser jedenfalls nicht!
Natürlich kennen wir hier auf der Insel “Bäume im Meer“, aber dann wachsen sie nicht mehr, sondern sind als Prikken im Watt Wegweiser für den Kapitän der Fähre, damit er den Weg durch die Priele zum Juister Hafen findet.

Was will Jesus also mit dieser Geschichte?
In dieser Zusammensetzung bei Lukas bekommt das Gleichnis für mich auch einen sehr tröstlichen Zug!
Denn da ist auf der einen Seite zwar immer noch das Ideal: natürlich wäre es schon faszinierend, wenn unser Glaube Bäume verpflanzen könnte...!
Aber die Sklavengeschichte ergänzt auch noch etwas anderes:
Was vom Sklaven erwartet wird, das ist ja einfach das, dass er seinen Auftrag ordentlich und ganz selbstverständlich ausfüllt.
Alle Anstrengung und aller Aufwand, um womöglich ein noch viel besserer Sklave zu werden, sind gar nicht das, was gefordert wird.
Christen, sagt Lukas, sind einfach so wie ein Sklave Eigentum ihres Herrn.
Und es ist einfach das Tun des Selbstverständlichen, was von ihnen verlangt wird.

Vielleicht hilft uns zum Verständnis weiter, dass uns dieser Text gerade am Sonntag Septuagesimae zum Nachdenken vorgeschlagen ist;
70 Tage noch ungefähr bis Ostern sagt uns der Name des Sonntags.
Wir kommen von Weihnachten her und gehen von heute an auf die Passionszeit zu, in der wir den Leidensweg Jesu bedenken werden, und schließlich auch auf Ostern.
Wir sind damit in einen Prozess hinein genommen, in dem sich gewissermaßen alles ins Gegenteil verkehrt.
Gott selbst ist zu uns gekommen, nicht als allmächtiger Herrscher, der über allem thront, sondern  als das neugeborene, hilflose Kind in der Krippe.

Und auch das heutige Gleichnis erzählt Jesus ja gerade nicht denen, die sowieso schon Sklaven sind, eine untergeordnete, niedrige Rolle spielen und die anderen bedienen müssen, sondern er spricht in diesem Fall mit den Herren, den Sklavenbesitzern!

Ihnen malt er sein eigenes Beispiel vor Augen.

“Er wird ein Knecht und ich ein Herr, das mag ein Wechsel sein...“ (EG 27, 5) haben wir zu  Weihachten gesungen.
Das ist der Rollenwechsel, auf den kommt es jetzt ankommt!
Dieses Gleichnis funktioniert  also nicht  als Forderung, als Dienstanweisung von oben herab, aber als Angebot malt uns der Evangelist dieses Bild vor Augen!

Und damit kann es auch uns zu einem Rollenwechsel verhelfen, einander beizustehen, zudienen, weil Christus sich für uns zum Knecht macht, Mensch geworden ist und für uns da ist, uns beisteht in den Konflikten und  Schwierigkeiten unseres Lebens.

Darauf können wir uns verlassen,

Gott sei Dank!

Amen.

Elisabeth Tobaben
Inselkirche Juist
Elisabeth.Tobaben@evlka.de


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