Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Osternacht, 27. März 2005
Predigt über Jesaja 26, 13-14.19, verfasst von Angelika Überrück
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Gemeinde,
wenn man das Fernsehen anschaltet oder die Zeitung aufschlägt, dann geht es immer wieder um Rekorde und darum, wer der Beste ist:
Vor ein paar Wochen schaffte es der erste Mensch, in einem Non-Stopp-Flug um die Erde zu fliegen. Weltumsegler haben neue fabelhafte Zeiten für eine Runde um die Erde erreicht. Es gibt Shows um einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde. Dann werden die tollsten Filme, die besten Schauspieler, die Newcomer des Jahres und und und ausgezeichnet. Seit Neustem dann die Shows, die auf die besten Schlager, Kindersendungen oder ähnliches der vergangenen Jahrzehnte zurückblicken. Hier ein Preis und dort ein Preis.
Nur der zählt, der so einen Preis gewonnen hat. Nur der ist toll, der in irgendeiner Form einmal ausgezeichnet wurde.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen mit diesen ganzen Preisverleihungen und Superlativen geht, aber ich finde sie auf die Dauer auch nur langweilig, weil ich längst den Überblick verloren habe über die vielen verschiedenen Bambis, Oskars und was es da sonst noch so alles gibt. So viele wichtige und „ausgezeichnete“ Leute kann es doch gar nicht geben.
Selbst die renommierten Preise wie die Nobelpreise gehen in diesen ganzen Superlativen unter.
Und daneben laufen die Schönheits-Shows: Jeder will der oder die Schönste sein. Hier ein Lifting, dort ein Implantat. Ins Fernsehen kommt, wer den größten Busen, das tollste Aussehen, die stärksten Muskeln usw. hat. Und die Miss-Wahlen finden kein Ende. Wobei ich die Gesichter oft als austauschbar empfinde, weil der Mensch hinter Schminke, einstudiertem Verhalten und Lächeln nicht deutlich wird.
Diese Sendungensind noch langweiliger. Sie sind zum Teil auch gefährlich, weil viele junge Menschen denken, dass ein idealer Körper machbar ist. Und dass so ein Körper notwendig ist, um Erfolg zu haben.
Wenn es mit Rekorden und Schönheit nicht klappt, dann hilft vielleicht Lottospielen. Vorletzte Woche gab es den größten Lottogewinn eines Einzelnen, der 20,4 Millionen Euro gewonnen hat. Auch die Lottogewinne sind immer größer und spektakulärer. Je höher sie steigen, desto mehr Menschen spielen mit, weil sie auf den ganz großen Gewinn, das ganz große Los hoffen.

Wir streben nach Rekorden, nach Erfolgen. Wir streben nach ewiger Jugend,. Nach etwas, was uns unvergesslich, ja, unsterblich macht.

Unser Predigttext heute stellt uns ein ganz anderes Ziel vor Augen. Er ist ein Gebet aus dem Alten Testament. Er steht im Propheten Jesaja im 26. Kapitel, die Verse 13-14 und 19:
„Herr, unser Gott, es herrschen wohl andere Herren über uns als du, aber wir gedenken doch allein deiner und deines Namens. Tote werden nicht lebendig, Schatten stehen nicht auf; darum hast du sie heimgesucht und vertilgt und jedes Gedenken an sie zunichte gemacht. Aber deine Toten werden leben, deine Leichname werden auferstehen. Wacht auf und jubelt vor Freude, die ihr unter der Erde liegt. Du, Herr, bist der belebende Tau, darum gibt die Erde die Toten heraus.“

Liebe Gemeinde,
„Herr, es herrschen wohl andere Herren über uns als du“, so beginnt unser Predigttext. Er sagt nicht, wer die anderen Herren damals waren. Aber wenn ich ihn auf uns beziehe, dann sind für mich die Herren das, was unser Leben bestimmt. Das Streben nach Anerkennung, nach Gewinnen, nach Rekorden und Schönheit um jeden Preis scheinen die Herren zu sein, die über unser Leben herrschen.
Der Beter des Psalms stellt solchem Denken entgegen, dass unser Leben endlich ist trotz aller Versuche, ewige Jugend zu erlangen oder einen unvergesslichen Rekord. „ Wir gedenken allein deiner und deines Namens. Tote werden nicht lebendig, Schatten stehen nicht auf.“
Und damit stellt er uns vor die Frage, die wir uns spätestens dann stellen, wenn ein Mensch stirbt. Was waren eigentlich die wirklich wichtigen Dinge in diesem Leben? Was bleibt eigentlich? Und was will ich in diesem Leben erreichen? Was ist mir wichtig? Aus welcher Hoffnung heraus gestalte ich mein Leben?
Ob die erworbenen Preise dann standhalten? Ob die Rekorde dann tragfähig sind?
Gestern haben wir Karfreitag gefeiert. Haben an den Tod Jesu am Kreuz gedacht. Er musste sterben. Mit aller Brutalität und mit aller Verlassenheit. Glanz und Gloria haben sein Leben nicht ausgemacht. Es war für die da, die am Rande stehen. Es war seine Art, sich nicht allen Regeln zu beugen, sondern allein auf Gott zu hören. Sein Ende war zwar kein normales Sterben, aber auch keines, das in der damaligen Zeit Schlagzeilen gemacht hätte. Mit dem Tod am Kreuz sind viele Verbrecher bestraft worden.
Ich denke nicht, dass Jesus auch nur in einer unserer Superlativ-Shows etwas gewonnen hätte, weder in seinem Leben, noch mit seinem Sterben. Dennoch hat er weiter gewirkt. Seine Botschaft, dass Gott einer ist, zu dem wir Vertrauen haben können, hat sich schon über viele hundert Jahre gehalten. Warum eigentlich?

Der Predigttext geht noch weiter. Er bleibt nicht beim Tod stehen. „Aber deine Toten werden leben, deine Leichname werden auferstehen.“ Am Ende der Zeit erwartet der Beter die Auferstehung der Toten. Die Auferstehung der Toten für die, die auf Gott vertraut haben. Es ist übrigens eine der ganz wenigen Stellen im Alten Testament, die von der Auferstehung redet.
Die Auferstehung der Toten ist die größte christliche Hoffnung bis heute. Wenn wir gleich die Osterkerze in die Kirche tragen, das Licht sich in der Kirche ausbreitet und der Ruf ertönt: Christus ist auferstanden, dann hat diese Hoffnung einen Grund. Denn Christus ist auferstanden von den Toten. Jesus ist der erste, der den Tod überwindet. Er steht dafür das an der Botschaft von der Auferstehung etwas dran ist
Christus ist wieder lebendig geworden. Er lebt. Er ist auferstanden. Auch für uns. Das ist die Botschaft von Ostern. Auch wir können auf ein Leben nach dem Tod hoffen und vertrauen.

Die ersten Menschen, die damals Ostern dem Auferstandenen begegnet sind, haben Angst bekommen. Sie konnten es nicht glauben. Zu unwirklich erschien es ihnen. Aber dann haben sie vertraut und es weiter erzählt. Erzählt von Gottes Liebe, die seinen eigenen Sohn für uns hat sterben und auferstehen lassen, damit wir leben. Von Gottes Liebe, die unsere menschlichen Maßstäbe auf den Kopf stellt. Jesus liebt gerade die, die sich verloren glauben. Er gibt gerade denen neue Hoffnung, die am Ende sind. Darauf haben Menschen bis heute vertraut und gemerkt: es gibt Kraft im Leben und im Sterben
Unser Leben ist einmalig und endgültig. Wir haben kein zweites Leben auf dieser Erde. Aber wir haben ein Leben bei Gott. Das ist Grund der Freude. Das macht es hell in unserem Leben. Wir sind etwas wert, einfach, weil Gott uns liebt.

Liebe Gemeinde,
Worauf hoffen wir in unserem Leben? Auf den Rekord, den großen Preis oder den großen Gewinn?
Ich habe oft erlebt, dass nach dem Tod gerade von den Menschen noch lange die Rede war, die eigentlich ganz unspektakulär gelebt hatten. Sie waren einfach da mit ihrer Liebe, mit ihrem Verständnis und ihrer Hilfe. Ich denke an eine alte Frau mit einem kleinen Verkauf von Süßigkeiten bei sich zu Hause. Sie hatte immer Zeit für ein Schwätzchen und für die Kinder immer eine Kleinigkeit umsonst. Oder ein älterer Mann, der sein Obst einfach verschenkte an die, die es haben wollten. Oder ein Firmenbesitzer, der nicht zuerst an seinen Gewinn, sondern an seine Mitarbeiter dachte, indem er eine zusätzliche Rente für seine Leute einrichtete und sie auch im Ruhestand regelmäßig zu Geburtstagen besuchte. Oder eine ältere Frau, die so herzlich lachte, dass man einfach mitlachen musste. Sicher fallen ihnen ähnliche Menschen ein. Menschen, die einem wichtig geworden sind, vielleicht auch nur, weil sie immer ein freundliches Wort hatten oder ein wenig Zeit.

Wenn wir nach Rekorden und Erfolgen streben, dann versuchen wir, unserem Leben selbst einen Wert beizumessen. Der Beter unseres Bibeltextes macht uns dagegen deutlich: Vertrauen kann man allein Gott. Alles andere ist nichtig und vergänglich.
Er denkt dabei an die vielen Erlebnisse, die das Volk Israel mit Gott gehabt hat und bei denen es immer wieder die Erfahrung machen konnte, dass es sich lohnt, auf Gott zu vertrauen, egal in welcher Situation.
Wir haben mit dem Neuen Testament auch noch Karfreitag und Ostern. Ereignisse, die uns ganz deutlich vor Augen stellen, dass Gott wirklich mit uns geht in die dunklen Täler unseres Lebens. Dass Gott wirklich Tote auferwecken will.
Unsere Versuche, unsterblich zu werden, enden im Tod, sie sind endlich und von kurzer Dauer. Gott möchte, dass wir leben, und deshalb hat er uns das Geschenk der Auferstehung gemacht. Jeder von uns ist bereits einmalig und besonders. Wir sind geliebte Kinder Gottes, an denen wir keine Verbesserungsvorschläge vornehmen müssen. Darauf können wir vertrauen. Und dieses Vertrauen können wir leben, so wie es Menschen seit vielen Generationen getan haben. So wie es auch die Menschen getan haben, an die wir uns gerne noch Jahre nach ihrem Tod erinnern.
„Wacht auf und jubelt vor Freude“. Ja, wir können jubeln. Wir dürfen jubeln, weil wir eine Hoffnung haben, die trägt. Weil wir einen Gott haben, der uns vom Tod errettet. Lassen Sie uns diese Freude erleben beim Einzug der Osterkerze und jubeln: Der Herr ist auferstanden. Halleluja.
Amen

Angelika Überrück
Pastorin
Eschenweg 3
59423 Unna
Tel.: 02303/256276
Email: RUeberrueck@t-online.de


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