Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Ostermontag, 28. März 2005
Predigt über Lukas 24, 13-45, verfasst von Elof Westergaard (Dänemark)
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1. ”Brannte uns nicht das Herz, wie er zu uns redete auf dem Wege – wie er uns die Schriften aufschloss?”
So fragen die beiden Jünger einander, nachdem der Fremde das Brot genommen, es gesegnet, gebrochen und ihnen gegeben hat und nachdem er dadurch von ihnen wiedererkannt worden ist.
Der Fremde ist kein Fremder, sondern es ist der auferstandene Christus. Zuerst erkannten die beiden Jünger ihn nicht wieder. Aber da er das Brot bricht und es ihnen gibt, werden ihnen die Augen geöffnet, wer er ist.
Wie er bereits auf dem Wege vorher ihre Augen dafür geöffnet hat, was an Ostern geschehen war: bei der Kreuzigung, der Grablegung und an dem leeren Grab.
Im Bericht des Evangeliums von heute:
Die Identität des Fremden wird enthüllt, die Schriften werden geöffnet und die Augen der Jünger werden geöffnet.
Das ist Offenbarung auf Offenbarung dessen, was Ostern ist: Auf­erstehung und Gegenwart.
Und das steckt hier die Herzen der Jünger in Brand.

2. ”Er öffnete die Schriften für uns”, sagen die beiden Jünger.
Die Schriften, die alttestamentlichen Schriften, die Worte der Väter, sind nicht nur alte und verstaubte Bücher. Im Gegenteil, es sind Worte, die noch immer zu uns sprechen.
Aber diese Worte verlangen dann auch, ausgelegt und erklärt zu werden, so wie es der Auferstandene selbst tut auf dem Wege nach Emmaus.
Die Vergangenheit ist dadurch nicht nur ein unnützer Ballast. Die Worte, die, wenn sie ausgelegt werden, im Jetzt reden und mehr Sprache und mehr Worte geben, das Mysterium zu greifen, das das Dasein in sich birgt, und das heißt hier die verwirrten Gefühle, mit denen die beiden Jünger nach den dramatischen Ostertagen zurückgeblieben sind.
Der Auferstandene erklärte den beiden Jüngern die Osterereignisse im Licht der Schriften. Er zeigte damit auch seinen Willen, uns nicht bloß jeweils unseren eigenen Weg gehen zu lassen. Er versagte ihnen, nur isolierte Größen im Universum zu sein.
Bei der Begegnung auf dem Wege nach Emmaus hält der Aufer­stan­dene uns fest: Es ist etwas im Kommen. Es gibt etwas, was uns zusammenhält, auch mehr als dies, dass wir Kinder der Zeit sind. Denn er kommt und geht den Weg mit, den wir Menschen gehen müssen.

3. ”Brannte uns nicht das Herz, wie er zu uns redete auf dem Wege – wie er uns die Schriften aufschloss?”
Die Frage der Jünger scheint hier keinen Zweifel zuzulassen. Ihre Herzen brannten, als Jesus sich ihnen anschloss und ihnen im Licht der Schriften Ostern auslegte – Jesu Tod und Auferstehung, im Lichte der jetzt alttestamentlichen Schriften, der Bücher Moses und der Propheten.
Das Wort der Jünger ist hier sicherlich eine rückschauende Reflexion über das, was sie soeben erfahren haben – sie sehen die ganze Begegnung und das Gegenwärtigsein im Licht der Wiedererkennung Jesu beim Mahl – und auf diese Weise enthält die Reflexion (wie das bei jeder Reflexion der Fall ist) einen Abstand. Das ist die unumgängliche Voraussetzung der Auslegung.

Aber es ist trotz allem ein Versuch, zu erklären, was die Auslegung des Evangeliums dort auf dem Wege nach Emmaus bei ihnen bewirkte.
Was es bedeutet, dass ein Mensch in einen Dialog mit einem anderen Menschen eintritt, – dass einem ein Seifensieder aufgeht, – dass man glaubt, zu einer gewissen Klarheit zu gelangen – dass einem etwas mitgeteilt wird: dass es ein Feuer in einem entzünden kann.
Und welch ein Feuer wird da entzündet, wenn es der Auferstandene selbst, Gott selbst, ist, der uns begleitet!

4. ”Brannte uns nicht das Herz, wie er zu uns redete auf dem Wege – wie er uns die Schriften aufschloss?”
Ja, was ist das denn für ein Feuer, das da in den Herzen der beiden Jünger entfacht wird?
Eines steht jedenfalls fest. Es ist kein Feuer, dass sich von selbst entzündet hat. Was ihr Herz entfacht hat, das sind nicht sie selbst, ihre eigene Fähigkeit zu sehen, zu merken, zu fühlen und wahrzunehmen, sondern es ist gerade das, dass ein anderer Mensch zu ihnen spricht und sich willig zeigt, das zu erklären und zu deuten, was für sie wie ein Rätsel ist.
Ja, der Reichtum, der darin besteht, dass ein anderer zu ihnen kommt und seine Erfahrung, sein Wissen und seine Zeit darauf verwenden will, ihnen auseinanderzusetzten, was ihnen unklar ist. Wir könnten das die Gnade der Freundschaft nennen.
Es ist hier ja auch so, wie wenn die Liebe ein Herz entflammen lässt. Das geschieht ja nicht in erster Linie aufgrund der eigenen Fähigkeit, zu empfinden und zu fühlen, dass ein Herz entflammt.
Wohl hilft eine Öffnung zur Welt hin, eine Offenheit, eine Fragelust und Neugierigkeit, eine Empfänglichkeit – das alles mag vielleicht helfen, aber es ist doch nicht all dies, was ein Herz in Brand setzt.
Es ist vielmehr dies, dass da plötzlich einer kommt, der einen will, der fragt: Woran denkst du? Wer bist du? Was hast du erlebt? Erzähl mir vom Leben!

5. ”Brannte uns nicht das Herz, wie er zu uns redete auf dem Wege – wie er uns die Schriften aufschloss?”
Es sind also nicht die Jünger selbst, die den Brand in ihren Herzen verursachen. Sondern es ist der, der zu ihnen spricht auf dem Wege nach Emmaus und die Schriften für sie aufschließt.
Und genau dies, die Herzen in Brand setzen, ist das, was Jesu Auferstehung bedeutet.
Unsere Herzen sollen nicht mehr nur ihre Zeit zu Ende bringen, ihre Schlachten schlagen und dann abrupt stehenbleiben und diesen unendlichen Abstand schaffen, der zwischen Leben und Tod herrscht – nein.
Die Osterbotschaft ist, dass Herzen immer noch und in alle Ewigkeit in Brand gesteckt werden können.
Pfingstsonntag wird das seinen sichtbaren Ausdruck erhalten in dem Bericht vom Kommen des Heiligen Geistes in der Apostelgeschichte, wo ja erzählt wird, dass der Heilige Geist mit Feuerzungen, mit Flammen kam und sich auf die Jünger setzte und ihnen Mut machte. Er ließ ihre aschgrauen Gesichter von Mut erstrahlen, entzündete den Funken in ihren Augen und ließ ihre Herzen schlagen für die Botschaft, die sie weitererzählen sollten: die Botschaft von der Auferstehung und der Freude.

Aber dieses Feuer wird bereits am Ostermorgen entfacht, da das Licht nun in das Grab strömt und sich über alle irdische Finsternis ergießt.
Zuerst blendet es die Augen dessen, der im Finsteren wandelt, so dass man nichts sehen kann. Wie bei den Jüngern auf dem Wege nach Emmaus, die den Fremden zuerst nicht als Jesus wiedererkennen konnten.
Aber in der Gegenwart des Mahles, da das Brot gebrochen und der Wein ausgeteilt wird, da muss es wiedererkennt werden: dass Jesus nicht bloß im Grab liegt, dass die Finsternis keine Macht über das Leben erhält, sondern umgekehrt: die Wärme des Lebens und die Liebe, sie bleiben bestehen.

Das ist die große Botschaft der Auferstehung.
Du, Heiliger Geist, gib unserem Herzen zu brennen, auf dass wir durch diese Hoffnung leben dürfen, die Hoffnung der Auferstehung.
Amen.

Pastor Elof Westergaard
Gramvej 2, Husby
DK-6990 Ulfborg
Tel. +45 97495108
E-mail: eve@km.dk

Übersetzt von Dietrich Harbsmeier


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