Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Ostermontag, 28. März 2005
Predigt über Lukas 24, 36-45, verfasst von Andreas Pawlas
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"Als die Jünger aber noch von ihm redeten, trat er selbst, Jesus, mitten unter sie und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch! Sie erschraken aber und fürchteten sich und meinten, sie sähen einen Geist. Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so erschrocken, und warum kommen solche Gedanken in euer Herz? Seht meine Hände und meine Füße, ich bin's selber. Fasst mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, dass ich sie habe.

Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und Füße. Als sie aber noch nicht glaubten vor Freude und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: Habt ihr hier etwas zu essen? Und sie legten ihm ein Stück gebratenen Fisch vor. Und er nahm's und aß vor ihnen. Er sprach aber zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen. Da öffnete er ihnen das Verständnis, so dass sie die Schrift verstanden."

Liebe Gemeinde!

Seit bald 2000 Jahren feiert die Christenheit Ostern! Seit bald 2000 Jahren feiert damit die Christenheit, dass Christus von den Toten auferstanden ist. Seit bald 2000 Jahren erinnert sich die Christenheit an diese unglaublichen Ereignisse in Jerusalem und hat sie wohl immer noch nicht vollkommen begriffen. Aber vielleicht kann man das Geheimnis der Auferstehung Jesu Christi auch niemals vollkommen begreifen, Aber Hauptsache, man freut sich trotzdem darüber, so, wie es in unserem Bericht dann am Ende auch von den Jüngern heißt.

Immerhin könnten wir uns durch alle Zeiten hindurch mit den Jüngern damals in Einem verbunden fühlen! Und worin? Doch darin, dass sie zunächst überhaupt nichts verstanden. Lasst uns deshalb zunächst einmal genauso wie die Jünger damals von Jesus reden und erzählen - allerdings mit dem Risiko, dass uns dann aber auch die Gegenwart des Auferstandenen zunächst durcheinander bringt oder gar erschreckt.

Also lasst uns zunächst erinnern. Was ist denn damals eigentlich in den Ostertagen geschehen? Da waren einige Frauen direkt an dem Grab, in das man Jesus am Karfreitag gelegt hatte. Und die gerieten völlig durcheinander als sie das Grab leer fanden - sicherlich genauso durcheinander, wie wir es damals wohl auch gewesen wären. Und was sollte es schon helfen, dass da selbst ein Engel verkündigte, dass Jesus auferstanden ist. Das Unfassbare ließ sich einfach nicht fassen. Aber hinzu kam dann noch, dass da andere Jünger, die nach Emmaus unterwegs waren, eine wunderbare Begegnung hatten. Aber kein Zweifel, da musste Jesus selbst ihnen begegnet sein. Jedoch richtig fassen konnten sie es auch nicht. So ist also der Ostertag über die Jünger damals gekommen. Und so ist der Ostertag über uns gekommen, aber fast keiner kann ihn so richtig begreifen.

Und obwohl in der Christenheit immer wieder von Osterjubel oder sogar von Osterlachen die Rede ist, so wird in unserem biblischen Bericht zunächst überhaupt nicht von Osterfreude berichtet. Vielmehr ist ja in der Versammlung der Jünger, mit einem Mal Erschrecken und Sich-fürchten. Und warum? Doch weil Jesus plötzlich mitten unter sie tritt! „Himmel Hilf! Ein Geist will uns peinigen!“ Genau das muss den Jüngern wohl durch den Kopf geschossen sein. Und wahrscheinlich wären sie alle am Liebsten weggelaufen.

Aber warum denn nur, ihr lieben Jünger? Denn ihr hättet doch eigentlich wissen müssen, dass unser Christus am dritten Tage auferstehen und bei uns sein wird. Das hat er euch und uns doch vorher gesagt. Und immerhin hatte es euch der Engel am Grab dann noch einmal verkündigt. Und außerdem ist das alles doch schon vor langen Zeiten im Alten Testament etwa am Bild des Jona vorausgesagt worden und geschieht darum doch genau nach Gottes heiligem Willen. Ja, das muss euch Jesus nachher noch einmal alles erklären. So öffnet er euch das Verständnis, so dass ihr die Schrift wirklich versteht. Und dann endlich, dann ist auch eure Furcht und euer Erschrecken überwunden.

Allerdings, wie gut, dass uns in unserem Osterbericht von eurer Furcht und eurem Erschrecken so haargenau berichtet wird, das finde ich – entschuldigt bitte – einfach großartig! Denn offenbar kann man gerade an solchen Details die Wahrhaftigkeit eines Berichtes scharf erkennen. Und so kann man hieran sehen, wie unsere Bibel uns ganz lebendig und ganz realistisch davon Zeugnis gibt, wie wir Menschen wirklich sind und wie wunderbar Gottes Weg mit uns ist zum Heil und zur Erlösung.

Allerdings haben wir begrenzte Menschen immer wieder Schwierigkeiten, diese Wege Gottes so richtig zu verstehen und für unser Leben wirklich ernst zu nehmen. Ja, was ist da für ein Widerspruch in uns! Da können wir uns einerseits wirkliche Auferstehung überhaupt nicht vorstellen aber da haben wir andererseits Phantasie genug, uns auszumalen, dass irgendein Geist in unserer Mitte herumspukt. Jedoch der Auferstandenen ist ja gerade kein Geist oder Phantasiegebilde, sondern er tritt mit Fleisch und Knochen unter uns, und mit diesen entsetzlichen Wunden, an Händen und Füßen, auf die wir gar nicht richtig schauen mögen. Aber unser Verstand will und will das nicht mitmachen. So konkret können wir uns einfach die Überwindung des Todes nicht vorstellen.

Und während wir noch so menschlich, kleinlich mit unserem Vorstellungsvermögen hadern, da gibt es mit einem Mal ganz konkret Fisch, ausgerechnet gebratenen Fisch, wo jeder weiß, wie der riecht, und wo einem bei solchem Geruch garantiert nicht nach Geisterstunde zu Mute ist, sondern nach ganz konkretem Leben, nach Leben mit Schmecken, Riechen und Fühlen. Es geht hier also um Auferstehung mit allenSinnen!

Aber dabei ist doch genau solche Auferstehung für uns so unglaublich. Weil sie nun einmal allem widerspricht, wie wir uns so völlig menschlich, und ohne mit Gott zu rechnen, in unserem Leben eingerichtet haben! Wir, die wir beim Tod eines geliebten Menschen in Trauer und Erinnerung wie gefangen sind! Wir, die wir am Liebsten in allem Schmerz über den Verlust, die Welt untergehen lassen wollten. Wir, die wir als Verlassene im Geheimen sogar manchen sanften Vorwurf gegen den von uns gegangenen hätten. Sicherlich genauso wie die Jünger, in ihrer Erinnerung an Jesus und die großen Taten, die er getan hatte, und angesichts der großen Hoffnungen die sie dann in ihn gesetzt hatten. Ja, warum hatte er ihnen das alles angetan? Denn er hätte doch fliehen können und sie hätten ihn doch versteckt und so sie hätten ihn nicht loslassen müssen. Warum hatte er denn nach Jerusalem gehen müssen, in die Höhle des Löwen, in die Stadt der Verheißung, die aber doch von fremden Truppen und machtgierigen Politikern besetzt war? Er hätte doch in Galiläa bleiben können oder in der Wüste. Dann hätten sie doch weiter im kleinen vertrauten Kreis seinen wunderbaren Worten und Versprechen lauschen können. Dann hätte man weiter in aller Gemütlichkeit miteinander das Brot brechen und das Abendmahl feiern können und alles wäre so schön und gut geworden.

Ja, so haben die Jünger sicherlich in ihrer verständlichen menschlichen Perspektive gefragt und geklagt und nicht verstanden, dass Christus das alles allein für uns durchleiden und durchsterben musste, um uns nach Gottes Willen zu erlösen und zu befreien. Zu sehr waren sie eben gefangen in allen ihren menschlichen Fragen und Klagen. Und gehörte dazu nicht auch die Frage nach seiner Liebe, die sie immer so deutlich gespürt hatten und die so groß und so unbedingt und die größer als alle Schuld war, sodass sie sich sicher waren, dass sie die Liebe Gottes sei, ob etwa diese seine Liebe doch nur ein frommer Selbstbetrug war? Ein liebenswerter Selbstbetrug, der mit den harten Hammerschlägen, mit denen sie die Nägel durch seine Hände und Füße trieben, wie ein Spuk verscheucht wurde? Aber wie sollte Trauer hier streiten wollen und nachgetragene Liebe zürnen können? Sie waren ja bereit, ihm alle Enttäuschung zu verzeihen, und in frommen Schmerz zusammenzubleiben.

Aber darum, liebe Jünger, dann mit einem Male umso größer eure Furcht und euer Erschrecken als euch am Ostertag Jesus gegenübersteht. Allerdings als ihr dann das Unglaubliche begreift, da schlägt eure Furcht und euer Erschrecken um in Freude und Jubel und dann könnt ihr nur noch vor Freude weinen und lachen und das mit der ganzen Christenheit.

Ja, wenn uns die Auferstehung Jesu Christi in das wahre Leben zeigt, dass Gottes Liebe stärker ist als aller Tod und alle Vernichtung, wenn wir uns endlich im Gegenüber zum Auferstandenen ganz gewiss werden, dass Gott zu vertrauen und zu glauben weiter trägt als aller Lebenswille, wenn uns die leibhafte Erscheinung Jesu Sicherheit und Gelassenheit darüber gibt, dass auf Gott zu hoffen, die kurze Zeit irdischen Lebens einschließt in seine Ewigkeit, dann kann man wirklich nur noch vor Freude weinen und lachen und vor Dankbarkeit Gott loben und preisen und diese Nachrichten weitersagen in alle Welt.

Furcht und Erschrecken muss aber andere ergreifen. Furcht und Erschrecken muss aber die ergreifen, die auf dieser Welt Lug und Trug, Angst und Schrecken verbreiten durch Ungerechtigkeit, Terror und Verbrechen. Denn durch Jesu Auferstehung haben sie das letzte und schlimmste Mittel ihres Terrors und ihrer teuflischen Gewalt verloren: den Tod. Ja, weil Christus von den Toten auferstanden ist, darum sind doch Tod und Teufel überwunden! Der Tod hat doch nun zu Ostern seine endgültige drohende Macht verloren, weil allen, die Christus glauben, nun wirklich Leben zugesagt ist, ewiges Leben!

Aber wie hätten damals bereits am Ostermorgen die Frauen am leeren Grabe dieses göttliche Geheimnis begreifen können? Und wie hätte die Gemeinschaft der ersten Jünger sich gleich von dieser Gewissheit tragen lassen können? Sie waren eben alle noch viel zu sehr mit sich selbst und ihren menschlichen Gedanken beschäftigt, um Gottes Wirken und Leben wahrnehmen zu können.

Umso wichtiger, dass jetzt all unsere menschliche Begrenztheit durcheinander gewirbelt wird, dass jetzt alle unseren gefangenen Gedanken und Gefühle befreit werden, wenn Jesus mitten unter uns tritt Dann hört alle Unsicherheit und Zaghaftigkeit auf, dann weiß und fühlt es jeder ganz sicher, dass Gottes Liebe stärker ist als der Tod, weil sie Christus durch allen Tod hindurchgezogen hat in das Leben. Dann wird es zur Lebensgewissheit, dass Gott den, der Christus vertraut und glaubt, genauso durch allen Tod hindurchziehen wird zum ewigen Leben in sein Reich. Und dann zieht er uns auch genauso hindurch durch alle kleinen Tode unseres Lebens, durch alle Schwäche und Demütigung, durch alle Peinlichkeiten und Vergeblichkeiten unseres Lebens.

Und wenn uns in göttlicher Geistesgegenwart, der Verstand stehen bleibt und wir uns nur noch freuen können, dann ist uns auch schon wie Auferstehung, dann ist uns auch schon das Neue, das ewig Lebendige verspürbar nahe. Dann ist doch eigentlich Gottes ewiges Reich in unserem Herzen schon angebrochen! Und deshalb können wir dann in allen Schmerzen und Leiden, in allen Sackgassen und Fragen unseres Lebens ganz getrost sein. Denn mit Ostern beginnt Gottes ganz andere Lebenswelt unsere Lebenswelt schon wunderbar zu erfüllen! Wir müssen hier nur dem Auferstandenen ganz konkret mit unserem Glauben begegnen, wir müssen nur glauben, dass wir zu ihm gehören. Und dann können wir mit der ganzen Christenheit auf Erden fröhlich sein und Gott loben und singen vom heutigen Ostertag bis in alle Ewigkeit.

Amen.

Pastor Dr. Andreas Pawlas
Ev.-luth. Kirchengemeinde Barmstedt
Erlenweg 2
25365 Kl. Offenseth-Sparrieshoop
Andreas.Pawlas@web.de

 


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