Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

2. Sonntag nach Trinitatis, 5. Juni 2005
Predigt über Matthäus 22, 1-14, verfasst von Sibylle Reh
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Unser Leben, sei ein Fest

Verlesen des Predigttextes:

Liebe Gemeinde: "Sie sind zu einem großen Fest eingeladen: die Hochzeit des Königssohnes." Solche Einladungen bekomme ich doch gerne. Besonders gerne gehe ich natürlich zu diesem Fest, wenn ich zwischen den Ehrengästen sitzen darf. Etwa neben dem Bundespräsidenten - oder doch zumindest neben einem Star aus dem Fernsehen. Überlegen Sie mal, neben wem sie auf so einem Fest gerne sitzen würden.

Was passiert aber, wenn ich hingehe, aber plötzlich sitze ich nicht zwischen den Großen, Reichen und Berühmten. Nein! Einige Leute, die auf dem Fest sind, habe ich schon mal gesehen, sie saßen im Bus neben mir, oder standen vor mir in der Schlange im Supermarkt. Mir gegenüber sitzt meine Nachbarin, die, die immer so laute Partys feiert, besonders gerne dann, wenn ich am nächsten Morgen früh aufstehen will. Ja und dort! Dort gegenüber, ist das nicht der Mann, der sonst jeden Tag in der Fußgängerzone sitzt, eine Flasche Bier in der Hand, und seinen Hut zum Betteln vor sich gelegt, Kleidung fleckig und stinkend? Was geht hier vor? Wo sind die Menschen, auf die ich mich gefreut habe, die ich schon immer kennen lernen wollte? Bin ich im falschen Film bzw. auf der falschen Party?

Was mache ich jetzt? Bin ich so enttäuscht, dass ich gleich wieder gehe? Frage ich einen Kellner, was hier los ist, verlange von ihm, mich an einen besseren Platz zu setzen, weiter weg von diesen unmöglichen Leuten?

Oder lasse ich mich darauf ein, feiere einfach mit? Freue ich mich mit den Leuten, die hier sind - warum auch immer-, zusammen über die Hochzeit des Königssohnes?

Liebe Gemeinde, so beschreibt uns Jesus das Reich Gottes: Ein Fest, ein Fest, zu dem sehr unterschiedliche Leute eingeladen sind. Menschen, die nicht ich mir ausgesucht habe, sondern Menschen, die Gott sich ausgesucht hat.

Der Theologe Karl Barth wurde einmal nach einem Vortrag von einer alten Frau gefragt: "Werde ich denn meine Lieben in der Ewigkeit wieder sehen?" --"Ja, aber machen sie sich darauf gefasst: Nicht nur die Lieben."

Liebe Gemeinde, die Geschichte von dem Gastmahl, die Jesus erzählt, ist fast wie ein Märchen. Es war einmal ein König, der lud zur Hochzeitsfeier seines Sohnes ein... Und wie in einem Märchen, so ist auch in dieser Geschichte vieles etwas überspitzt, übertrieben. So töten die Gäste die Boten des Königs, nur, weil sie nicht kommen wollen, der König verwüstet die Stadt und plant dann, als sei nichts geschehen, weiter die Feier. Das ist wie ein Märchen und dann doch blutige Realität. Der Evangelist Matthäus lebte in einer blutigen Zeit, zur Zeit des jüdischen Krieges, er lebte unter grausamen römischen Herrschern, die umgingen mit den Menschen der besetzten Gebiete, wie sie wollten.

Liebe Gemeinde, diese Geschichte, die Jesus erzählt, könnte an dem Punkt, an dem nun alle Gäste versammelt sind,, enden. Nun speisen sie alle zusammen glücklich und zufrieden, und wenn sie nicht gestorben sind, dann feiern sie noch heute. So, wie sie der Evangelist Lukas aufgeschrieben hat, ist die Geschichte dann auch zu Ende.

Matthäus aber berichtet noch vom weiteren Fortgang der Geschichte:
Es sind alle versammelt, die Feier beginnt, da kommt es noch zu einem seltsamen Zwischenfall zwischen dem Gastgeber und einem Gast.

Die später eingeladenen Gäste wurden beim Eingang vom Schmutz der Straße gereinigt, sie wurden in Festgewänder gekleidet.

Ein Gast jedoch trägt noch sein verstaubtes Straßenkleid. Er will also anscheinend doch nicht mitfeiern. Diesen unhöflichen Gast, der sich nicht wie ein Gast benimmt, lässt der Gastgeber hinauswerfen.

Kein schöner Zwischenfall.

Liebe Gemeinde, zu der Zeit, als der Evangelist Matthäus dieses Gleichnis Jesu aufschrieb, gab es schon große christliche Gemeinden. Wahrscheinlich waren diese Gemeinden auch damals schon nicht immer "ein Herz und eine Seele." Die Christen lebten außerhalb der Gemeinde in verschiedenen sozialen Gruppen: Juden, Griechen, Sklaven, Freie. Normalerweise setzten sich Angehörige der verschiedenen Gruppen nicht an einen Tisch. Warum sollten sie es nun in der christlichen Gemeinde tun? Aber das war gerade das, was verlangt wurde. Durch die Taufe gehörten alle, ganz gleich, wo sie herkamen, zur Gemeinde. Die gemeinsame Mahlfeier der Gemeinde war für alle Christen da, genauso wie alle Christen zum Reich Gottes gehören sollten.

Dem Evangelisten Matthäus ist es wichtig, dass die Anhänger Jesu leben, wie es ihrer Freude über das Hereinbrechen des Reiches Gottes entspricht. Ihm ist wichtig, dass sie Gerechtigkeit leben,: "Alles, was ihr wollt, was euch die Leute tun, das tut ihr ihnen". (Mt 7, 12) So zitiert Matthäus Jesus in der Bergpredigt.

Liebe Gemeinde,

Vielleicht ist es möglich, das Hochzeitsmahl, von dem Jesus redet, als das Abendmahl zu verstehen, das hochzeitliche Gewand, das die Gäste am Eingang erhalten, als die Taufe und das christliche Leben.

Damit ist sicherlich nicht alles gesagt, was was Jesus in diesem Gleichnis sagen möchte. Denn das Gleichnis weist nicht auf die Kirche, sondern auf das Reich Gottes hin. Aber auch die Sakramente der Kirche, Taufe und Abendmahl, weisen darauf hin. Wir Christen leben in der Hoffnung auf das Reich Gottes.

Das Reich Gottes ist ein Geschenk, ein Geschenk, das wir eigentlich nicht verdient haben, so wie echte Geschenke nie verdient sind.

Die Freude auf das Reich Gottes, die können wir versuchen, heute zu leben, wenn wir zusammen kommen und gemeinsam Abendmahl feiern.

Es ist nicht so leicht, diese Freude immer zu leben. Das Leben ist nicht immer fröhlich. Es ist auch nicht leicht, immer nur allen Leuten Gutes zu tun, es tun ja auch nicht alle Leute mir nur immer Gutes.

Wenn man das so sieht, so treffen wir viele Menschen ohne hochzeitliche Gewänder. Schon Luther schrieb: "Denn die Welt und die Masse ist und bleibt unchristlich, auch wenn sie alle getauft sind und Christen heißen; die Christen dagegen wohnen, wie man zu sagen pflegt, fern voneinander." (aus: Von weltlicher Obrigkeit, und wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei, 1523, W.A. 11, S. 245ff.)

Ich sagte aber schon: die Einladung zu dem Fest ist ein Geschenk, das weder ich noch jemand anders sich verdient hat. Ein Geschenk, über das ich mich freuen kann. Weil es ein Geschenk ist, nicht meine Aufgabe, Gastgeber zu sein und Gäste hinauszuweisen.

Ich bin zu einem Fest eingeladen, bei dem ich zwischen meiner zu lauten Nachbarin und dem Bettler aus der Fußgängerzone sitze. Aber es bleibt ein Geschenk Gottes und ein Fest.

So heißt es in einem modernen Kirchenlied:
1. Unser Leben sei ein Fest./ Jesu Geist in unserer Mitte.
Jesu Werk in unseren Händen,/ Jesu Geist in unseren Werken.
Unser Leben sei ein Fest/ an diesem Morgen (Abend) und jeden Tag.

2. Unser Leben sei ein Fest./ Brot und Wein für unsere Freiheit.
Jesu Wort für unsere Wege,/ Jesu Weg für unser Leben.
Unser Leben sei ein Fest/ an diesem Morgen (Abend) und jeden Tag.

(Text: Strophe 1 Josef Metternich Team 1972; Strophe 2 Kurt Rose 1981; Melodie: Peter Janssens 1972)

Amen

Sibylle Reh
Jenaer Str. 58 38444 Wolfsburg, 05361-888159
sreh@gmx.de

 


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