Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

7. Sonntag nach Trinitatis, 10. Juli 2005
Predigt über Johannes 6, 30-35, verfasst von Tom Kleffmann
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Gnade sei mit euch und Friede, von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Unser tägliches Brot gib uns heute. Amen.

Was brauchen wir zum Leben? Welches Lebensmittel brauchen wir wirklich? Fragt sich zuerst: was heißt Leben?

Zum Überleben brauchen wir Luft, Nahrung, Wasser. Wir brauchen die Schwerkraft der Erde, das Licht der Sonne, ein Dach über dem Kopf, Frieden auch. Leben wir dann?

Vielleicht sieht es nach menschlichem Ermessen so aus, als hättest du alles, was du brauchst. Du sagst vielleicht: zum Leben brauche ich meine Frau. Meinen Mann. Du sagst. Ohne meine Kinder wäre es kein Leben. Oder: die Musik. Oder: Mein Beruf. Ich lebe dafür. Oder: mein Haus – das spiegelt mein Wesen, das ist meine Identität. Das bin ich. Oder ein Simpel sagt: mein Auto.

Aber gerade wenn wir alles haben, wenn wir satt sind und doch nicht schlafen und nicht lügen, - dann kann es sein, daß die Frage erst wieder anfängt. Wovon leben wir? Was ist Leben, wahres Leben, und was brauchen wir dafür? Läßt sich da überhaupt etwas sammeln, in den Sack packen, aufschichten, einzahlen? Ich glaube nicht.

Und wohl dem, der nicht übersatt ist. Muss es Filet sein oder Hummer? Pastetchen, Prinzeßböhnchen, gedünstet, pochiert? Und die Kinder werden magersüchtig. Womit füllt ihr eure Seele, womit füllt ihr eure Augen, wovon träumt ihr, womit füllt ihr eure Herzen? Wißt ihr überhaupt, was ihr wirklich braucht?

Seid ihr schon satt, oder habt ihr noch Hunger? Ich meine nicht den Bauchhunger. Den andern Hunger meine ich. Den tiefen Hunger. Lebenshunger.

Wer Hunger hat, weiß daß er lebt. Oder jedenfalls: daß er leben will. Hunger. Mangel. Schmerz. Leben ist nicht für sich zufrieden sein. Für sich zufrieden ist der Tod. Leben heißt das Andere brauchen, die Andere, den Anderen. Mit jedem Einatmen: die Luft, fremd und herrlich. Und ausatmen. Leben heißt Nehmen und Geben. Essen und Verdauen. Hören und Reden. Leben heißt Streiten, Lernen, Hände halten. Leben heißt Gemeinschaft, Treue.

Immer heißt Leben das Andere brauchen, die Andere, den Anderen. Aber wenn das Andere am Ende nur der Tod ist, die Erde, zu der wir zerfallen? Wenn es nichts gibt, was dieses Leben zusammenhält? Gibt es ein gemeinsames Geheimnis unserer Atemzüge, unserer Seufzer, unserer Liebe? Was ist das Eine?

Wir sind doch nicht hier, um uns etwas vorzumachen. Wir sind nicht hier, um ein paar Jahre gut zu fressen und zu saufen und uns auf den nächsten Urlaub zu freuen.

Wer nicht weiß, welchen Hunger ich meine, wenigstens von Ferne, der kann vielleicht das ganze Evangelium nicht verstehen. Dem Satten sagt es nichts. Zu dem redet es nicht. Gibt es das?

Aber dem, der einmal denkt: ich weiß noch garnicht, was das ist, das Leben. Ich weiß noch garnicht, ob es einen Sinn gibt. Oder ich ahne es erst. Dem, der sich vielleicht betrogen fühlt um das Leben, betrogen von leeren Versprechungen, von den ganzen Phrasen vom Luxusglück, betrogen von sich selbst und von falschen Träumen - - dem, dem mag es etwas sagen, das Evangelium. Brot des Lebens.

[Lesung Joh.6,30-35.] Evangelium des Johannes, Kap.6.

Brot. Brot des Lebens.

Es geht nicht um irgendeine wunderbare Vergangenheit. Keine Wahrheit von Gestern. Kein Manna aus den Wolken, vor 3000, 2000 Jahren. Die alten Wundergeschichten machen uns nicht satt. Manna ist nicht wirklich Brot vom Himmel. Manna war für den Bauchhunger. Und wenn es mehr war, oder so etwas wie heute diese Lust am Unerklärlichen, Esoterik, die Faszination des Paranormalen - dann stillte es den Hunger höchstens für den Augenblick.

Brot vom Himmel heißt: Brot für den Lebenshunger. Keine wunderbare Vergangenheit. Kein Heiliger, kein Wundertäter, kein Mose hat es gegeben, irgendwann, und wir hätten nur die schöne Geschichte. Der Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel, - nicht gab, gibt!, jetzt, heute, oder garnicht. Herr, gib uns allezeit solches Brot.

Den ewigen Sinn, der den Himmel hoch macht und das Lachen tief, vielleicht. Der sich noch im Leid bewährt. Der unsere Liebe bewahrt, auch wenn wir einmal alle tot sind. Den Sinn, der unsere Bestimmung ist. Den Sinn, der unser Leben vollendet, von innen heraus, auch wenn wir in der Zeit unter Schmerzen zugrunde gehen.

Aber wieso dieser Mensch? Dieser Mensch sagt: Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern. Aber er litt doch selbst. Er starb doch selbst ! Selbst wenn er unendlich mehr wußte vom Leben, vom Sinn, von Gott – wie kann er das sagen: wer zu mir kommt...

Da murrten sie über ihn, weil er sagte: Ich bin das Brot, das vom Himmel gekommen ist, und sprachen: Ist dieser nicht Jesus, Josefs Sohn, dessen Vater und Mutter wir kennen? Wieso spricht er dann: Ich bin vom Himmel gekommen? [Joh.6,41f.]

Es geht nicht einfach um einen Menschen, der vor 2000 Jahren lebte. Der ginge uns auch nicht mehr an als Manna vor 3000 Jahren.

Brot vom Himmel – das ist ein Wort, eine Gewißheit, ein Geheimnis. Es ist unserm Verstand zu hoch, dieses Geheimnis, aber am Ende können wir nur davon leben. Wir fürchten uns fast davor, es zu sagen, weil unsere Worte so dürr sind. Christus. Daß Gott gekommen ist. Geboren, geliebt, gelacht, gelitten, gestorben und begraben. Der sterbliche Mensch, der mit Gott lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Daß ein ewiges Wort ist an uns. Und Sinn noch im letzten Atemzug des Sterbenden. Verzeihung und Heimat. Keine Angst mehr. Die Liebe des Einen, die den Himmel hoch macht und das Lachen frei. Die erinnert, wenn wir vergessen. Die unsere Liebe bewahrt, auch wenn wir einmal alle tot sind.

Es ist so: es ist unserem Verstand zu hoch; war es vielleicht immer. Und auch die Bilder des Ewigen sind uns verschwommen. Und seit Jahrhunderten ist unsere Vernunft auf einem neuen Weg, und wir wissen noch nicht, wohin es mit ihr geht. Aber wir teilen das Brot. Wir haben ein Wort, das die Welt umfaßt. Wir haben den Geist eines Geheimnisses, das wir nie mehr vergessen - den Frieden Gottes, welcher höher ist als aller Verstand. Er bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

PD Dr. Tom Kleffmann
tkleffm@gwdg

 


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