Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

8. Sonntag nach Trinitatis, 17. Juli 2005
Predigt über Jesaja 2, 1-5, verfasst von Jasper Burmester
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Gemeinde,
der vorgeschlagene Predigttext für diesen 8. Sonntag nach dem Dreieinigkeitsfest steht am Anfang des Jesajabuches. Dort steht:

1 Dies ist's, was Jesaja, der Sohn des Amoz, geschaut hat über Juda und Jerusalem:
2 Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen,
3 und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, laßt uns auf den Berg des HERRN gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, daß er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem.
4 Und er wird richten unter den Heiden und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
5 Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, laßt uns wandeln im Licht des HERRN!

Liebe Gemeinde,

es gibt für mich eine persönliche und eine kollektive Geschichte mit diesen Worten Jesajas. Persönlich hat mich diese Vision des Propheten lange Zeit begleitet und bestärkt, und diese Vision einer gewaltfreien Welt, in der Schwerter zu Pflugscharen und Spieße zu Rebmessern umgewandelt werden und niemand mehr das Soldatenhandwerk erlernt, hat mir als 18 jährigem bei meiner Verweigerung der Militärdienstes viel Kraft und Motivation gegeben. Die Monate des Zivildienstes hindurch gaben sie mir gerade auch in den Stunden der Zweifel, ob mein Weg der richtigere gewesen sei - der bequemere war es gewiss nicht- Auftrieb und innere Sicherheit, doch im Sinne des Glaubens entschieden zu haben. Das ist meine Geschichte mit "Schwerter zu Pflugscharen".

In Deutschland gibt es aber auch eine kollektive Geschichte mit diesen Worten Jesajas: In der kollabierenden DDR, etwa seit Mitte der 80ger Jahre, wurde ein kleiner, weißer, runder Stoffaufnäher, getragen von friedensbewegten, manchmal christlichen, immer aber oppositionellen Jugendlichen zu einem Symbol des möglich gewordenen Widerstandes. Darauf standen die Worte: Schwerter zu Pflugscharen. Wer diesen Sticker offen trug, und das waren nicht wenige, riskierte Verhaftung, Ärger in der Schule und auf der Arbeit oder das Verbot durch die Transportpolizei, einen Zug zu benutzen.

Die Geschichte ist weitergegangen und wir wissen, was sie gebracht hat: Die DDR ist von der politischen Landkarte verschwunden und bei ihrem friedlichen Untergang haben zwei Rufe des Volkes eine wichtige Bedeutung erlangt: Wir sind das Volk ! und Keine Gewalt ! so tönte es damals aus Berlin und Leipzig, Rostock und Dresden.

Damals empfand ich eine große Hoffnung für diese zerrissene Welt, der kalte Krieg war vorbeigegangen, ohne in einen heißen Krieg umzuschlagen und auf beiden Seiten der ehemals unversöhnlichen Machtblöcke begann man, Rüstungsgüter planmäßig zu verschrotten, also: die modernen Schwerter in Nützliches umzuwandeln. Hoffnungen tauchten auf, eine neue Weltordnung möge sich als tragfähig erweisen, es würde das Wirklichkeit werden, was Carl-Friedrich von Weizsäcker "Weltinnenpolitik" genannt hat. "Schwerter zu Pflugscharen" - die Vision der Propheten Jesaja und Micha schien plötzlich in greifbare Nähe gerückt.

Aber das ist jetzt alles schon ziemlich lange her. Wir wissen, dass es zwar staunenswerte Veränderungen gegeben hat, aber eben auch eine Vielzahl von Kriegen und Bürgerkriegen, Scharmützeln und Konflikten, die uns nicht unbehelligt lassen, sondern mit betreffen - immer wieder fallen auch deutsche Soldaten unserer Beteiligung an friedensichernden Einsätzen zum Opfer. Kaum ein Tag vergeht, an dem wir nicht mit den neuesten Opferzahlen aus dem Irak konfrontiert werden.

Die Erfüllung der Vision des Jesaja und Micha scheint weiter entfernt denn je.
Stimmt das ?
Es stimmt - im Blick auf unsere heutige Welt.

Zugleich stimmt es nicht - denn die Botschaft Jesajas war nicht: Schwerter zu Pflugscharen, dann wird der Friede schon kommen ! Jesaja argumentiert tiefer und ist realistischer. Es redet nicht einer konfliktfreien, friedlichen Paradies-Welt das Wort. Er entwirft in seiner Vision eine Welt, die Konflikte anders löst, eben ohne Schwerter und Speere und ihre modernen Nachfolger. Eines Tages, so sagt uns der Prophet, eines Tages werden sich die Völker und Nationen um einen gerechten Schiedsrichter sammeln, der ihre Streitigkeiten nach Anhörung in Gerechtigkeit schlichtet. Zu Jahwe, dem Gott Israels werden sie kommen, nach Jerusalem, auf den Zion. 'Auf, lasst uns hinaufsteigen zum Jahweberg, zum Haus des Gottes Jakobs, dass er uns belehre über seine Wege und wir wandeln in seinen Pfaden! Denn von Zion geht Weisung aus und das Wort Jahwes von Jerusalem. Und er wird Recht sprechen zwischen den Völkern und sich als Mittler einsetzen für viele Nationen.' Erst nach diesem Entwurf einer alternativen Konfliktregelung folgt der berühmte Satz von der Konversion des Kriegsgeräts in nützliche Gegenstände: Schwerter zu Pflugscharen, Spieße zu Winzermessern. Erst dann, wenn dieser alternative Weg der Streitschlichtung begangen werden wird, wird niemand mehr das Kriegshandwerk lernen müssen.

Ich will diese Thematik aber noch einmal im Licht einer anderen biblischen Weisheit betrachten, die da heißt: Friede ist Frucht der Gerechtigkeit. (Jesaja 32, 17)

Anders gesagt: Ohne Gerechtigkeit ist Friede kein Friede, sondern lediglich die zeitweilige Abwesenheit von Gewalt. Dass dieser Satz wahr ist, können wir an den Konfliktherden dieser Welt sehen, aber auch auf jedem Kinderspielplatz an der Sandkiste beobachten: Wenn es da Streit gibt, sagen wir zwischen Hans und Grete um eine Schaufel, dann kann ich als besorgter Vater versuchen, diesen Streit zu schlichten.

1. Möglichkeit: Ich kann mich hinstellen und zuschauen. Irgendwann hört es ja wieder auf, und dabei allenfalls die Beulen und Schrammen versorgen und die Tränen trocknen. Das ist im politischen Raum das Prinzip der Nichteinmischung mit anschließender sogenannter humanitärer Hilfe.

2. Möglichkeit: Ich kann diese Schaufel einem der beiden zusprechen und meine Entscheidung durchsetzen. Dann ist erstmal Ruhe, aber kein Friede. Der Streit ist nur ausgesetzt und wird bei nächster sich bietender Gelegenheit wieder ausbrechen. In der politischen Welt war das die längste Zeit die Methode, zwischen den europäischen Mächten die Beute zu verteilen, zwei Weltkriege haben uns davon kuriert.

3. Möglichkeit: Ich kann den Gegenstand des Streites, die Schaufel, aus dem Verkehr ziehen, dann herrscht Gerechtigkeit - und ein zähneknirschender Friede - durch gleich verteilten Mangel. In der realen Welt gibt es die Supermacht, die das wirklich kann, seit dem 11. September 2001 nicht mehr, wenn es sie denn je gegeben hat.

Oder ich beschaffe als 4. Möglichkeit einen gleichwertigen Gegenstand, so dass beide versorgt sind (am besten wirken zwei absolut gleichartige Schaufeln, Bagger, Bälle, oder was auch immer), dann herrscht Friede dank Gerechtigkeit durch gleich verteilten Wohlstand. Das wäre der optimale Weg, wenn denn die Güter dieser Erde unbegrenzt vermehrbar wären. Wir werden ihn als Weltgemeinschaft nur gehen können, wenn wir im Nordwesten dieses Globus von unserem Wohlstand mehr abgeben, als uns lieb ist.

Friede ist Frucht der Gerechtigkeit. Anders geht es nicht, ob auf dem Kinderspielplatz oder an den Konfliktherden dieser Welt.

Wenn wirklicher Friede die Frucht, das Ergebnis der Gerechtigkeit, einer gerechten Weltordnung mit gerechter Verteilung der Chancen und Risiken, Güter und Werte ist, dann ist dieser Friede nicht in Sicht.

Also: Kopf in den Sand und weitermachen wie bisher? Oder den Rausch des schwindenden Wohlstands zu Ende leben und dann Gute Nacht?

Das Prophetenwort des Jesaja legt diese Resignation nicht nahe. Es verspricht nichts für jetzt und gleich, sondern es heißt: Es wird sein zur letzten Zeit, dass diese geschaute Vision eines gütigen Weltenrichters, der allen Streit friedlich beilegen lässt, wirklich werden soll. Bis dahin ist ein weiter Weg, der trotzdem mit diesem klaren Ziel begangen werden soll, getrost und unverzagt: Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, laßt uns wandeln im Licht des HERRN! Das heißt: Das Ziel ist klar, nun sollen wir darauf zu steuern. Dazu aufgerufen sind, die „zum Hause Jakobs” gehören, für den Propheten das Volk Israel, das Volk des ersten Bundes, heute, nach Christus, auch die, die zum Volk des neuen Bundes gehören, also auch wir Christinnen und Christen.

Die eine Kirche, die wir im Glaubensbekenntnis bekennen, ist in der realen Welt gespalten, getrennt in viele Kirchen. Von vielen traurigen Rückschlägen abgesehen gehen diese Kirchen aufeinander zu, sind im Gespräch, lernen miteinander und voneinander, zumindest untereinander „den Krieg nicht mehr zu lernen”, sondern einander respektvoll zu begegnen. So liegt in der Ökumene eine große Hoffnung für die ganze Welt, ein Beispiel für Entfeindung und Versöhnung Menschen unterschiedlicher Konfessionen und Religionen zu sein. Die vielen kleinen Schritte auf diesem Weg mögen uns mühsam und auch langsam vorkommen, aber sie sind unser Auftrag. Das Ziel ist klar:

Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, laßt uns auf den Berg des HERRN gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, daß er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. Und er wird richten unter den Heiden und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.

Es wird sein. Jesaja war davon überzeugt, Micha war es, Jesus war es. Es wird sein, der Tag des Herrn kommt. Gott sei Dank. Amen

Jasper Burmester
JasperBu@aol.com


(zurück zum Seitenanfang)