Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

9. Sonntag nach Trinitatis, 24. Juli 2005
Predigt über Matthäus 7, 24-27, verfasst von Martin Schewe
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Wenn ich mich diesmal besonders an euch wende, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, fühlen sich die Erwachsenen in der Gemeinde hoffentlich nicht vernachlässigt. Was ich euch sagen will, verstehen, glaube ich, Erwachsene auch. Es kann sogar sein, dass sie es noch besser verstehen, wenn ich mich besonders an euch wende. Deshalb diesmal:

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden!

Stellt euch bitte vor, ihr hättet ein eigenes Haus. Jede und jeder von euch. Ein Reihenhaus oder eine Prunkvilla – darauf kommt es im Moment nicht an. Hauptsache, ein eigenes Haus. Mit Zimmern, Fenstern und Türen und mit einem Dach über dem Kopf. Ihr könnt allein darin bestimmen. Wie sehen eure Zimmer aus? Wie richtet ihr sie ein?

So vielleicht:
Das Wohnzimmer ist wahrscheinlich aufgeräumt. Heute jedenfalls, denn wir nehmen einmal an, heute bekommt ihr Besuch. Eure Gäste sollen es nett haben. Sie sind ja auch nett. Für solche Leute ist euer Wohnzimmer der richtige Raum: hell und freundlich und mit bequemen Sesseln. Steif geht es in eurem Wohnzimmer nicht zu. Obwohl ihr extra aufgeräumt habt. Aber gemütlich. Man kann dort stundenlang sitzen und erzählen.

Zwischendurch brauchen die Gäste etwas zu essen. Ihr selber auch. Werfen wir also einen Blick in die Küche. Darin steht ein großer Kühlschrank, vollgepackt mit euren Lieblingsmahlzeiten. Schließlich ist es eure Küche und euer Kühlschrank. Zur Feier des Tages habt ihr außerdem eine Flasche Sekt kalt gelegt. Aber wirklich nur eine! Kocht jemand von euch gern? Dann ist der Herd ebenfalls groß. Und ungeheuer praktisch. Auf ihm gelingt jedes Gericht.

Über die Fenster und Türen in eurem Haus haben wir schon etwas erfahren: Sie stehen offen. Für Licht und Luft, und damit eure Gäste hereinkönnen. Und damit sie wieder hinausgehen. Denn so schön es ist, Besuch zu kriegen – irgendwann wollt ihr wieder für euch sein. Deshalb ist es gut, dass ihr die Fenster und Türen in eurem Haus schließen könnt. Hinter den Gästen. Die anderen müssen akzeptieren, wenn ihr eure Ruhe braucht. Ihr könnt dann zum Beispiel in euer Schlafzimmer gehen. Mit dem bequemen Bett. Darin könnt ihr nicht nur schlafen, sondern auch träumen. Oder träumt ihr lieber woanders?

In jedem Haus gibt es Lieblingsplätze und Schmuddelecken. Wo eure Lieblingsplätze sind, wisst ihr selber am besten. Die Schmuddelecke in meinem Haus ist der Keller. Da lass ich keinen herein; so unordentlich sieht es in meinem Keller aus. Das geht keinen etwas an.

Zu eurem Haus gehört vielleicht ein Garten. Auch da kann man gut sitzen, besonders zu zweit. Ein romantischer Garten für die warmen Sommerabende. Und ein Garten zum Spielen. Womöglich mit einem Fußballtor in Originalgröße.

Malt euch euer Haus genau aus: den Hobbyraum, das Bücherregal, ein Heimkino. Manches werdet ihr im Lauf der Zeit umbauen und neu einrichten. Immer so, dass ihr euch wohlfühlt. In eurem Haus dürft ihr ihr selber sein.

Wo das Haus stehen soll, haben wir noch nicht besprochen. Dabei ist auch das eine wichtige Frage. Wie wichtig, können wir in der Bibel lesen – zum Schluss der Bergpredigt, die Jesus im Matthäusevangelium hält. Jesus sagt dort:

„Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein, und sein Fall war groß.“

Besser nicht, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden! Das Haus, das ihr euch vorgestellt habt, muss stabil genug sein, um nicht vom Regen unterspült und vom Wind umgeworfen zu werden. Darum ist die Frage wichtig, wo euer Haus steht – worauf ihr bauen könnt. Jesus beantwortet die Frage so: „Wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann.“ Das Haus des klugen Mannes ist stabil, weil es auf dem Felsen steht; und der Felsen ist die Bergpredigt, die Jesus gerade gehalten hat. Darauf könnt ihr bauen: auf das, was Jesus sagt.

Die Bergpredigt ist zwar zu lang, um sie jetzt von vorn bis hinten durchzugehen: drei Kapitel im Matthäusevangelium. Es ist aber, glaube ich, auch nicht nötig, die ganze Rede auf einmal zu besprechen. Teile von ihr sind euch im Lauf eurer Konfirmandenzeit schon begegnet. Es wird genügen, wenn ich euch an diese Teile erinnere. Ihr werdet dann besser verstehen, was Jesus meint, wenn er von dem klugen Mann spricht, und warum die Bergpredigt das richtige Fundament für euer Haus ist.

Das Vaterunser steht in der Bergpredigt. Jesus zeigt mit dem Vaterunser, wie wir beten sollen. Darum kommt es in jedem Gottesdienst vor. Auch in diesem werden wir es beten. Ich finde, das Beste am Vaterunser ist gleich der Anfang: dass Gott unser Vater ist. Er hat die ganze Welt geschaffen und steht uns dennoch nahe, jedem Einzelnen von uns. Gott nimmt uns alle wichtig und ist für uns da. Eben wie ein Vater. Oder wie eine Mutter. Als liebevolle Mutter können wir uns Gott auch vorstellen. Eine, die uns tröstet und Mut macht. Zu der wir immer kommen können.

Von der Gerechtigkeit spricht Jesus in der Bergpredigt. Das ist ebenfalls ein großes Thema: wie Gott sich seine Welt wünscht und was wir dazu tun können. Ihr habt euch damit besonders auf der Freizeit in Bethel beschäftigt. Das Schicksal des Straßenkindes Juma aus Tansania war ein eindringliches Beispiel dafür, wie ungleich die Chancen auf ein menschenwürdiges Leben verteilt sind. Wir können selber nicht damit zufrieden sein, dass es uns gut geht, während es anderen am Nötigsten fehlt.

Schließlich die sogenannten „Seligpreisungen“. Erinnert ihr euch? Mit ihnen beginnt Jesus die Bergpredigt. Zu den Seligpreisungen habt ihr Plakate gestaltet, die in der Schule aufgehängt waren. „Selig sind, die da geistlich arm sind“, stand da – die selbst nichts vorzuweisen haben, sondern alles von Gott erwarten. Ihnen gehört das Himmelreich, sagt Jesus. Und: „Selig sind die Sanftmütigen.“ Sie werden die Erde besitzen. „Die Barmherzigen.“ Gott ist zu ihnen barmherzig. Jesus lobt nicht die, die sonst obenauf sind; nicht die Starken, Erfolgreichen, Prominenten, sondern genau die anderen. Mit ihnen hat Gott noch viel vor.

So klingen die Worte und Sätze Jesu, auf denen euer Haus stehen soll, damit es euch bei jedem Wetter Schutz und Geborgenheit bietet. Sehen wir uns das Haus daraufhin noch einmal an. Ihr habt es so eingerichtet, dass ihr euch darin wohlfühlt und ihr selbst sein könnt. Euer Haus ist ein Ort, um euch mit anderen zu treffen, und ein Ort zum Alleinsein; ein Ort für Träume und romantische Abende und für eure Hobbies. Ein Arbeitszimmer sollte es wohl auch geben. Alles, was in eurem Leben zählt, kommt in eurem Haus zu seinem Recht. Falls ich etwas vergessen habe, müsst ihr es ergänzen. Damit euer Lebenshaus ein Glückshaus wird. Ein solches Glückshaus wünsche ich euch. Und viel wichtiger: Jesus wünscht euch das Glückshaus. Deshalb spricht er von dem klugen Mann, der auf den Felsen gebaut hat. Deshalb die Bergpredigt. Auch Jesus redet davon, was in eurem Leben zählt.

Dass Gott für euch da ist wie ein Vater und eine Mutter; dass er Gerechtigkeit will und es nicht hinnimmt, wenn seinen Kindern böse mitgespielt wird; dass Gott nicht mitmacht, wenn immer dieselben im Mittelpunkt stehen, sondern sich um die kümmert, die es nötig haben – das gehört zu einem erfüllten Leben. Das Haus, das ihr euch vorstellt, wird noch schöner in einer Welt, wie Jesus sie sich vorstellt – einer Welt, die selbst ein Haus ist: ein Glückshaus für alle.

Weil sie von diesem großen Haus handelt, das Gott baut, ist die Bergpredigt das richtige Fundament für euer eigenes Lebenshaus. Und zwar nicht bloß bei Regen und Sturm. Gottes Zusagen und Wünsche sind keine Unwetterversicherung. Sie gelten nicht bloß im Notfall und schützen nicht nur, was ihr schon habt. Von Gott könnt ihr viel mehr erwarten. Es geht ihm ums Ganze, an guten Tagen wie an schlechten: um alles, was ihr seid und was noch aus euch wird. Gott möchte euer Leben mit euch führen und verspricht euch, es lohnt sich. Denn er liebt euch. Darauf könnt ihr euch verlassen. Felsenfest. Amen.

Pfarrer Dr. Martin Schewe
Evangelisch Stiftisches Gymnasium
Feldstraße 13
33330 Gütersloh
marschewe@yahoo.de

 


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