Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

9. Sonntag nach Trinitatis, 24. Juli 2005
Predigt über Matthäus 7, 24-27, verfasst von Karl W. Rennstich
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


(In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:)
Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute.
Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut.
Wer aber meine Worte hört und nicht danach handelt, ist wie ein unvernünftiger Mann, der sein Haus auf Sand baute.
Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es ein und wurde völlig zerstört.

Liebe Gemeinde!

Auf die Frage, wie man die falschen von den wahren Propheten unterscheiden kann, antwortet Jesus am Ende der Bergpredigt, dass man Propheten an ihren Früchten erkennt.

”Schafskleider“ sind eine Form der Heuchelei und diese ist das Krebsübel der Frömmigkeit, auch wenn  sie gerne als Eifer für Gott im Gewande des Göttlichen auftritt.

Doch wie können wir die Gläubigen von den Gottlosen unterscheiden?

Als Erkennungszeichen der Gläubigen gibt Jesus ein ganz einfaches Mittel an: ”An ihren Früchten“ sollt ihr sie erkennen. Untrügliches Kennzeichen dafür ist: ”Trachtet zuerst nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit.“

Dietrich Bonhoeffer entfaltet am14. Januar 1935 in einem Brief an seinen Bruder die in ihm gereifte Einsicht, dass das Christentum zu seinem Vollzug kommt, wo es im Tun die Wirklichkeit verändert:

 "Als ich anfing mit der Theologie, habe ich mir etwas anderes darunter
 vorgestellt - doch vielleicht eine mehr akademische Angelegenheit. Es  ist nun etwas ganz anderes daraus geworden. Aber ich glaube nun endlich zu wissen, wenigstens einmal auf die richtige Spur gekommen zu sein, und das macht mich sehr glücklich. Ich glaube zu wissen, dass ich eigentlich erst innerlich klar und aufrichtig sein würde, wenn ich mit der Bergpredigt wirklich anfinge, Ernst zu machen. Hier sitzt die Kraftquelle. Es gibt doch nun einmal Dinge, für die es sich lohnt, kompromisslos einzustehen und mir scheint, der Friede und soziale Gerechtigkeit oder eigentlich Christus, sei so etwas."

Zum Dienst der Nachfolge gehören die Taten, die den Willen Gottes realisieren. Was der Wille Gottes ist, zeigt sich in den Worten und Taten Jesu. Dieser Jesus wird uns von den ersten Kapiteln des Matthäusevangeliums an als der verkündet, der auf der Seite der Ohnmächtigen, Benachteiligten und Gefährdeten steht.

In der Nachfolge geht diese seine Sorge auf die Christen über. Der Wille des himmlischen Vaters ist die Tat der Liebe, der handfeste, solidarische Einsatz zum Wohl der nahe und fernen Menschen.

Es sind die beherzten Taten in unserem Alltagsgeschehen, zu denen wir gerufen sind. Beispielsweise die Hand zur Versöhnung ausstrecken. Um ein gutes Miteinander ringen. Fair umgehen mit den anvertrauten Menschen. Tröstend denen beistehen, die alt, krank und sterbend sind. Das Wort sagen, das wieder in Verbindung bringt. Schwächeren aufhelfen. Benachteiligten zu Recht und Ausgleich verhelfen.

Sand und Fels

Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mensch, der sein Haus auf Fels baute.
Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut.

Unvergesslich ist mir ein Ereignis aus den 1970ger Jahren in Sabah, Ostmalaysia, wo ich als junger Pfarrer arbeitete. Damals hatte es an einem Tag so viel geregnet wie beispielsweise im ganzen Jahr in Berlin. Das Langhaus mit etwa 250 Einwohnern erhob sich plötzlich und wurde durch die reißenden Fluten des kleinen Baches in die Höhe gehoben und schwamm mitsamt den Einwohnern davon. Langhäuser sind oft auf hölzernen Pfählen neben einem Bach errichtet. Die chinesischen Baumeister, die unser Wohnhaus errichtet hatten, waren klüger und hatten unser Haus etwas erhöht auf festen Grund gebaut. Deshalb blieb unser Haus stehen und wir konnten die von den Fluten bedrohten Einwohner retten.

Doch das Wort ”Haus“ hat in der Bibel noch einen tieferen Sinn. Darauf weisen auch die in unserer Umgangsprache geläufigen Worte noch hin. Wir reden vom Wohngebäude, aber auch vom Firmenkomplex (unser Haus produziert!), vom Kaufhaus und Rathaus und vom Haus der Familie. Ableitungen wie häuslich, unbehaust, hausen lassen die Bedeutung des Begriffs Haus erst richtig deutlich werden. Die indogermanische Sprachwurzel (bedecken) weist auf die Anfänge menschlichen Zusammenlebens in einem geschützten Raum hin. Daraus entstand dann die Vorstellung vom festen organisch gewachsenen Verband; das ist das entscheidende Wesensmerkmal der menschlichen Existenz überhaupt. Das griechische Wort oikos umschreibt Gebäude und Stammesverband bis hin zur gegenwärtig alles bestimmenden Ökonomie mit der Börse als ihrem neuen Tempel.

”Wer aber meine Worte hört und nicht danach handelt, ist wie ein unvernünftiger Mensch, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es ein und wurde völlig zerstört“.

Prophetisch und erstaunlich präzise beschreibt Friedrich Nietzsche im Jahre 1874 unsere gegenwärtige Zeit als entwurzelte Kultur. ”Die Gewässer der Religion fluthen ab und lassen Sümpfe und Weiher zurück (...) Die Wissenschaften, ohne jedes Maas und im blindesten laisser-faire betrieben, zerplittern und lösen alles Festgeglaubte auf; die gebildeten Stände und Staaten werden von einer großartig verächtlichen Geldwirtschaft fortgerissen“. (Friedrich Nietzsche: Schopenhauer als Erzieher, in Sämtliche Werke, Bd. 1 ed Colli, Giorgio/ Montinari, Mazzino; München 1988, S. 366).

Wir stecken mitten drin im Prozess der kulturellen Entmächtigung des europäischen Christentums. Von der einstigen Hoffnung der Wissenschaft ist nur noch die Problematisierung und Hypothetisierung des Daseinsverständnisses übrig geblieben. Unübersehbar ist die Macht der Geldwirtschaft. Europas neue real existierende Religion ist der Kapitalismus.

Der Globalismus hat eine quasireligiöse Bedeutung. Diese neue Lehre entwickelte sich parasitär aus dem Christentum der Reformationszeit. Den wahren Geist des Kapitalismus sieht Walter Benjamin ausgeprägt auf den Dollarnoten und Münzen: „In God we trust“. In welchen Gott? Erlösung und Rettung haben eine ganz andere inhaltliche Bedeutung als in den drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam.

Friedrich Nietzsche beschreibt das als ”Sterbebett des Christenthums“. Die ”bedachtsameren Menschen des geistigen Mittelstandes besitzen nur noch ein zurechtgemachtes, nämlich ein wunderlich vereinfachtes Christenthum. Ein Gott, der in seiner Liebe Alles so fügt, wie es uns schließlich am besten sein wird“, Die Resignation und Bescheidenheit wird zur Gottheit erhoben, Damit ist das Christentum in einen sanften Moralismus übergetreten. Nietzsche nennt das ”Euthanasie des Christenthums“ (Friedrich Nietzsche: Morgenröthe. Aphorismen 92, Kritische Studienausgabe, Bd. 3; München 1988, S. 85f)

 Wir sind mitten drin in diesem großen Fall. Der Regen und die Stürme nagen an dem auf Arroganz und Stolz gegründeten Haus Europa. Das Fundament erweist sich immer deutlicher als sandiger Untergrund. Und auf dem alles bestimmenden Markt sucht der tolle Menschen mit einer Laterne nach Gott und ruft mit verzweifelter Stimme: »Wohin ist Gott. Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten?“.

Gibt es noch Hoffnung? Ganz am Schluss der großen Rede heißt es:
Und es geschah, als Jesus diese Rede vollendet hatte, dass die Massen über seine Lehre staunten: denn er lehrte als Einer, der Vollmacht hat und nicht wie die Schriftgelehrten .“ (7, 28-29)

Vollmacht bedeutet, dass Jesus von Gott aus redet. Gott ist die Kraft, die alles bestimmt. Nicht die menschliche Sünde, sondern der Schöpfer Himmels und der Erde bestimmt, was mit dieser Welt geschehen wird. Und wir? Wir können uns klug oder unvernünftig verhalten und unser Lebensgebäude auf Fels oder Sand bauen.

Unvergesslich sind mir die Bilder vom großen Tsunami an Weihnachten. Da war Wüste und Chaos. Und mitten drin standen Moscheen, Tempel und Kirchen, denn sie waren auf festem Grund gebaut.

In der Tat: einen anderen Grund kann niemand legen als den, den Gott gelegt hat. Jesus Christus. Wir können und sollen Wissen um Gott, Glauben praktizieren. Die klarste und prägnanteste Umschreibung dessen, was das bedeutet finden wir bei Jeremia 22, 13- 16 wo es heißt:

Wehe dem, der sein Haus mit Unrecht baut
und seine Söller mit Unehrlichkeit
der seinen Nächsten umsonst arbeiten läßt
und ihm den Lohn nicht bezahlt!
der da spricht:
»Ich will mir ein weites Haus und luftige Hallen bauen!«
der Fenster darein brechen läßt,
es mit Zedern täfelt und rot bemalt.
Meinst du ein König zu sein,
weil du in Zedernbauten wetteiferst?
Hat nicht dein Vater auch gegessen und getrunken
und sich`s wohl sein lassen?
Aber er übte Recht und Gerechtigkeit,
den Elenden und Armen verhalf er zum Recht.
Heißt nicht d a s , mich erkennen?
spricht der Herr.

Amen

Prof. Dr. Karl W. Rennstich
Lerchenstrasse 17
D-72762 Reutlingen
Email: kwrennstich@gmx.de

 


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