Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

9. Sonntag nach Trinitatis, 24. Juli 2005
Predigt über Lukas 16,1-9, verfasst von Lars Ole Gjesing (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


(Text der dänischen Perikopenordnung)

Dieses Gleichnis, das die Überschrift "der untreue Haushalter" bekommen hat, hat schon immer große Schwierigkeiten gemacht, denn wie in aller Welt kann man eine so unmoralische Geschichte erzählen und sie dann damit enden lassen, dass der Haushalter, der so entschieden auf eigene Faust gehandelt hat, auch noch Lob erntet?

Die äußeren Verhältnisse in dem Gleichnis sind ja ganz realistisch. Von solchen großen Gutshöfen gab es zur Zeit Jesu viele in Israel. Ihre Besitzer lebten oft anderwärts, beteiligten sich an der Regierung des Landes in Jerusalem oder wohnten im angenehmen Klima an der Küste, oder sie begaben sich auf lange Handelsreisen ins große Ausland. Und dann hatten sie natürlich einen verlässlichen und tüchtigen Rechnungsführer und Verwalter, einen Haushalter, der ihre Interessen auf dem Gut wahrnahm.

Der Haushalter hatte nicht zuletzt dafür zu sorgen, dass die Bauern, die einen Teil des Ackerlandes pachteten, auch ihre Abgaben entrichteten in Form von Weizen oder Öl oder Wein, und dass sie das rechtzeitig taten. – Ein solcher Haushalter war ein Vertrauensmann. Es konnte geschehen, dass er dem Besitzer nur selten begegnete, deshalb hatte er oft uneingeschränkte Vollmacht, im Namen des Besitzers zu handeln. Die Schuldbriefe, die in dem Gleichnis eine Rolle spielen, könnten eine Art Erntepfandbriefe sein, die bestimmten, welche Abgaben die abhängigen Bauern zu entrichten hatten, wenn die Ernte eingebracht war.

Es ist natürlich die Aufgabe des Gutsverwalters, die Forderungen einzutreiben, und nicht sie herabzusetzen, aber man kann sich sehr gut vorstellen, dass die Abschreibung, die er hier vornimmt, in Wirklichkeit rechtlich bindend war, weil er ja unbegrenzte Vollmacht besaß, im Namen des Besitzers zu handeln.

Aber worum geht es denn in dem Gleichnis? Warum hat Jesus es erzählt? Es sieht so aus, als wäre bereits Lukas selbst ernsthaft im Zweifel gewesen über den Sinn der Geschichte, als er sie treu niederschrieb, so wie er sie überliefert bekommen hatte. Lukas seinerseits war nicht Augenzeuge des Lebens Jesu. Was aber darauf hindeutet, dass Lukas im Zweifel war, ist die Tatsache, dass er sich nicht mit einer Erklärung des Gleichnisses begnügt. Die Erklärung, die wir gehört haben, handelt ja davon, dass das Gleichnis ein Beispiel dafür sein soll, dass die Kinder der Welt – also der Haushalter – in Geldangelegenheiten klüger sind als die Kinder des Lichts. Damit wird er beinahe zu einem abschreckenden Beispiel. Das aber passt nicht gerade gut dazu, dass er kurz zuvor gelobt worden ist. Dann aber fährt die Auslegung damit fort, den Haushalter zu einem Beispiel der Nachfolge zu machen: Schafft euch Freunde mit Hilfe des unehrlichen Mammons, so dass sie euch in den ewigen Wohnungen empfangen können. Mit Geld in der Tasche kann man alles offenbar auf die leichte Schulter nehmen! Und wenn wir bei Lukas etwas weiterlesen – weiter, als die Agende vorschreibt –, dann finden wir, dass da noch weitere drei bis vier Erklärungen folgen, die in Wirklichkeit in verschiedene Richtungen weisen.

Als der ehrliche Mann, der Lukas ist, will er das Problem nicht verbergen, indem er das Gleichnis einfach ausließe, aber wenn er es dann erzählt hat, verehrt er der Nachwelt auch noch alle möglichen Auslegungen dazu. Deshalb müssen wir selbst sehen, ob wir den rechten Weg finden können. Wo unter den Jesusgeschichten finden wir etwas, was diesem Gleichnis ähnlich wäre und uns auf den Weg helfen könnte? Wo finden wir einen Menschen, der Schuld tilgt? Wir finden ihn in Jesus selbst! Wo finden wir jemanden, der mit Vollmacht handelt, oder wenigstens behauptet, dass er mit Vollmacht handelt? Wir finden ihn wiederum in Jesus selbst! – Ich glaube, wir tun klug daran, das Gleichnis als eine Erzählung von Jesu eigener Sündenvergebung zu lesen, – als eine Verteidigungsrede dafür, dass er Sünden vergibt.

Es gibt ja viele andere Gleichnisse Jesu, die eine Art Verteidigungrede sind, etwa, wenn er im Gleichnis vom verlorenen Sohn seinen Umgang mit Zöllnern und Sündern verteidigt. Mit dem Gleichnis sagt er doch, dass der Vater selbst die Verlorenen mit offenen Armen empfangen will. Völlig entsprechend wurde Jesus heftig angeklagt, weil er Sünden vergab. Man sagte, das könne allein Gott tun, und darin, so glaube ich, war Jesus ganz einig, aber er behauptete, dass er mit einer Vollmacht handelte: Der Menschensohn hat die Befugnis auf Erden, Sünden zu vergeben.

Ist das nun nicht genau dies Problem und diese Anklage, die sich hinter unserem Gleichnis hier verbirgt? Hier ist die Hauptperson ja ein Mann, der Schulden und Schuld abschafft, die nicht ihm selbst gegenüber bestehen. Genau dies stellt das Gleichnis in die Nähe einer Verbrechererzählung. Aber teils handelt dieser Verwalter mit einer Vollmacht, mit einer Befugnis von seinem Herrn. Und teils – und das ist dann die große Überaschung des Gleichnisses – endet das Gleichnis damit, dass ihn sein Herr lobt. Wir haben hier gelinde gesagt einen untraditionellen Gutsbesitzer vor uns, der Lob austeilt. Dieser Herr handelt auf dieselbe souveräne, göttliche Weise wie der Vater im Gleichnis vom verlorenen Sohn, oder wie der König im Gleichnis von der Hochzeit des Königssohnes, der seinen Festsaal füllen wollte. Das heißt, das Gleichnis ist eine Verteidigungsrede, die Jesus hält, um sich zu verteidigen gegen Anklagen, er hätte kein Recht, Schuld zu erlassen und Sünde zu vergeben.

Dieser Anklage gegenüber steht die Antwort Jesu, dass er mit Gottes eigener Autorität handelt. Es ist ein Ausdruck des Glaubens Jesu, dass er erwartet, dass Gott ihn deshalb loben und seine Vergebung zu der seinigen machen und seine Macht dafür einsetzen wird. – Dass Gott sich selbst hinter Jesu Vergebung der Sünde von Menschen stellt. Es war der Glaube Jesu, dass Gott ihn deshalb loben wird. Und es ist unser Glaube, dass wir – seine Gemeinde – in den Fußspuren Jesu, in seinem Namen die Vergebung der Sünden zusagen können und dass Gott auch diese Zusage zu seiner eigenen machen wird um Jesu Christi willen. Amen.

Pfarrer Lars Ole Gjesing
Søndergade 43
DK-5970 Æreskøbing
Tel.: ++ 45 – 62 52 11 72
E-mail: logj@km.dk

Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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