Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

10. Sonntag nach Trinitatis, 31. Juli 2005
Predigt über 2. Mose 19, 1-6, verfasst von Rudolf Schmidt
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Vorbemerkung
Die Frage nach dem angemessenen Predigttext für den 10. Sonntag nach Trinitatis bedenkt Helmut Ruppel in seien Gedanken zu Johannes 2,13-22 in den „Göttinger Predigtmeditationen (Pastoraltheologie 94. Jg. 2005, S. 366ff) in großer und bedenkenswerter Ausführlichkeit.
Ich halte mich an den für diesen Sonntag in diesem Jahr vorgesehenen Predigttext, 2. Mose 19, 1- 6.

Folgende Lieder würde ich singen lassen:
Eingangslied EG 140,1-5 Brunn alles Heils, dich ehren wir
Wochenlied: EG 138, 1-3
Lied vor der Predigt: EG 380: Ja. Ich will euch tragen
Lied nach der Predigt: EG 481, 2-5 Die Zeit ist wie verschenket

Liebe Gemeinde!

Der Predigttext für den 10. Sonntag nach Trinitatis steht im 2. Buch Mose im 19. Kapitel die Verse 1-6:
Am ersten Tag des dritten Monat nach dem Auszug der Kinder Israel aus Ägyptenland, genau auf den Tag, kamen sie in die Wüste Sinai.
Denn sie waren ausgezogen von Raphidim und kamen in die Wüste Sinai und lagerten sich dort in der Wüste gegenüber dem Berge.
Und Mose stieg hinauf zu Gott. Und der Herr rief ihm vom Berge zu und sprach: So sollst du sagen zu dem Hause Jakob und verkündigen den Kindern Israel:
Ihr habt gesehen, was ich mit den Ägyptern gemacht habe und wie ich euch getragen habe auf Adlerflügeln und euch zu mir gebracht.
Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein.
Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein. Das sind die Worte, die du den Kindern Israel sagen sollst.

Dieser Bibeltext führt uns weit zurück zu den Anfängen des Volkes Israel. Mose hatte sein Volk im Auftrage Gottes aus Aegypten und durch das Schilfmeer in die Wüste Sinai geführt. Auf dem Weg in das verheißene Land der Vorväter, -Israel, - waren sie nach langer Wanderung - die Zeit wird sehr genau angegeben: am 1. Tag des dritten Monats nach dem Auszug aus Aegypten bis an den Fuß des Berges Sinai gekommen: “Sie kamen in die Wüste Sinai und lagerten sich dort in der Wüste gegenüber dem Berge“. Vermutlich steht hinter diesem Bericht eine alte Erzähltradition, da nicht genau bekannt ist, welcher Berg mit dem Sinai wirklich gemeint ist. Aber darüber müssen wir heute nicht lange nachsinnen, weil das Entscheidende nicht der Berg selbst ist, sondern das, was dort geschieht.

Berichtet wird uns, dass Mose den Berg hinaufstieg und der Herr ihn vom Berge her ansprach.
In dieser Begegnung zwischen Mose und Gott wird viel von dem deutlich, was unseren Glauben, - als Christen, die im jüdischen Glauben ihre Wurzeln haben, - besonderes prägt und bestimmt: Es ist die so ganz andere Gotteserfahrung, die in dieser Begegnung zwischen Mose und Gott lebendig und anschaulich wird.

Vielleicht muß man dies besondere betonen, weil es uns so selbstverständlich erscheint, aber es ist etwas ganz besonderes mit unserm Gott: er spricht zu Mose. Es ist also eine Gottesbegegnung ganz direkter Art, die Mose hier erfahren darf. Vergleichbare Erfahrungen ziehen sich durch die ganze Bibel hindurch, bis zur Taufe Jesu, wo Gott zu ihm sagt: „Du bist mein lieber Sohn, an dem ich wohlgefallen habe, den sollt ihr hören“., oder auch der Verklärungsgeschichte, und schließlich der Begegnung des Paulus mit dem Auferstandenen Jesus vor Damaskus.

Doch wie stellt sich Gott hier vor ? „Ihr habt gesehen, was ich mit den Ägyptern gemacht habe und wie ich euch getragen habe auf Adlerflügeln und euch zu mir gebracht.

Da ist Gott kein ferner, kein unnahbarer Gott, der im Himmel für ich sein will, sonder Gott will mit den Menschen, mit seinem Volk, mit uns sein, auch wenn wir von ihm weglaufen. Auch im Dunkel unseres Lebens, in der Gottferne, wie wir sie vielleicht beim Tode eines leiben Menschen oder bei den schrecklichen Terrorangriffen in diesen Tagen immer wieder erfahren, auch da will unser Gott bei uns sein und mit uns gehen.

Im Judentum wird dazu eine schöne Geschichte erzählt: Ein König verstieß seine Frau aus seinem Palast – und holte sie am nächsten Tag zurück. Verwundert fragte die Königin: „Warum hast du mich gestern verstoßen , wenn du mich heute wieder zurückholst?“ „Wisse“, antwortete der König, „als du den Palast verließest, bin ich dir gefolgt, denn ich hielt es dort nicht alleine aus“.

So ist es mit dem Gott Israels, mit unserm Gott, dem Vater Jesu Christi: er will uns nicht in die Irre laufen lassen, von ihm fort, - sondern er geht mit uns, schickt sogar seinen Sohn, um uns zurück zu holen, zurück zu ihm.

Gott will mit uns Menschen sein. Das ist eine ganz wichtige Erfahrung, die schon am Anfang der Geschichte des Volkes Israel steht und bis heute gilt und lebendig ist.

Weil Gott die Menschen liebt, macht er dies an seinem Volk deutlich: Ihr sollt mein Eigentum sein vor allen Völkern.. Das schließt die andern Völker nicht aus der Nähe Gottes aus, aber es weist dem Volk Israel eine besondere Aufgabe zu. Denn diese Nähe Gottes ist es, die im Volk Israel immer wieder tradiert und in immer neuen Erfahrungen eingefordert und bekräftigt wurde.

In den Abschiedsworten Jesu am Ende des Matthäusevangeliums wird diese Zusage der Nähe und Gegenwart Gottes noch einmal endgültig betätigt: Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an das Ende der Welt.

So sind wir durch Christus in diese ungeteilte Liebe Gottes zu seinem Volk mit einbezogen und dürfen uns mit eingeschlossen wissen in diesen Bund, von dem unser Predigttext aus dem 2. Buch Mose berichtet.

Dieser Bund ist aber kein Vertrag auf Gegenseitigkeit, in dem Gott unsere guten Werke, unsere Leistungen oder unsere Frömmigkeit belohnt, sondern ein Geschenk Gottes an die Seinen, eine Zusage, dass er zu den Seinen steht. Die 10 Gebote, die das Volk Gottes dann am Sinai empfangen hat, sind deshalb auch nicht als Gesetzt oder eine schwere Last verstanden worden, sondern als Wegweiser ins Leben. Zu wem sich Gott stellt, der soll wissen, wie das Leben in der Nähe Gottes gelebt werden kann, was gut und ist und hilfreich für das gemeinsame Leben vor Gott, und was zu lassen ist, damit das gemeinsame Leben der Menschen vor Gott nicht verstört wird, sondern im Gegenteil, damit unser Leben gelingt in der Gegenwart unseres Gottes.

Darum hat Gott seinen Sohn zu uns gesandt, zum Zeichn, daß Gott uns liebt, so wie wir sind. Er hat uns angenommen, damit wir leben, in seiner Nähe und zu seinem Lob.

So lassen sich Spuren und Verbindungen der Nähe und der Liebe Gottes finden vom Anbeginn der Geschichte des Volkes Israel über Jesus, den Christus, den Gesalbten Gottes, die bis zu uns heute hinführen und uns deutlich machen, dass Gottes Verheißung an sein Volk nicht aufgehoben ist und auch für uns Christen gilt, die wir durch Christus zum Volk Gottes gehören,.

Gottes Treue zu seinem Volk will darum auch von uns heute dankbar gelebt werden, in der Liebe zum Nächsten, in dem Gott uns täglich neu begegnen will.

Amen.

Rudolf Schmidt
Beethovenstraße 4
37085 Göttingen
Tel. : 0551 / 73470 Dienstag, 26. Juli 2005
Fax: 0551 / 5085743
Email: p.rudolfschmidt@web.de

 


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