Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Buß- und Bettag, 16. November 2005
Predigt über Matthäus 12, 33-37, verfasst von Gerda Altpeter
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33. Oder, setzt einen guten Baum, und so sind seine Früchte gut, oder, setzt einen fauligen Baum, und so sind seine Früchte faul. An seinen Früchten erkennt ihr einen Baum.
34. Nachkommen der Schlange, wie ist es denn möglich, dass ihr Gutes redet, wenn ihr böse seid?
35. Ein guter Mensch bringt aus dem guten Schatz (seines Herzens) Gutes hervor, und ein böser Mensch bringt aus dem bösen Schatz (seines Herzens) Böses hervor.
36. Ich sage euch, dass die Menschen über jedes unnütze Wort, das sie gesprochen haben, Rechenschaft ablegen müssen am Tage des (jüngsten) Gerichtes.
37. Denn aus deinen Worten wirst du gerecht gesprochen, und aus deinen Worten wirst du verurteilt.

Als ich nach meiner Pensionierung eine eigene Wohnung kaufte gehörte auch ein Stück Land dazu. Dort wollte ich zwei Bäume pflanzen. Ich grub Gruben aus, 1m lang,1m breit und1m tief, füllte gute Erde hinein und bat einen Nachbarn, die Bäume festzuhalten, derweil ich die Erde rundherum feststampfte. Nach einigen Jahren trugen sie Aprikosen, jedes Jahr mehr. Die Früchte schmecken gut. Natürlich habe ich darauf geachtet, dass die jungen Bäume in bestem Zustand sind. Wer pflanzt denn einen faulen Baum?

Selbstverständlich kenne ich auch faule Bäume, die sind dann aber alt und müssen abgeschlagen werden. Sie nehmen sonst nur anderen Bäumen den Platz weg.

Jesus benutzt gerne Gleichnisse, um eine Situation deutlich zu machen. Diese Geschichte stammt sicherlich nicht aus dem Alltag, denn niemand pflanzt einen fauligen Baum. Wichtig ist ihm wohl die Erkenntnis, dass ein Baum an seinen Früchten erkannt wird, und ein Mensch an dem, was er redet.

Es gibt ein altes Sprichwort: "Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über." Da wird eine alte Erfahrung ausgesagt. Wir Menschen können mit unseren Worten Gutes und Böses tun. Mit Worten können wir einen anderen fertig machen, oder ihm neuen Mut geben. Worte sprechen frei und verurteilen. Selbst wenn wir lügen oder heucheln wird doch deutlich, was wir wollen.

So geht es auch mit den Gegnern Jesu. Sie stellen sich, als ob sie von seiner Weisheit lernen wollen. Sie behandeln ihn wie einen Lehrer, aber in Wirklichkeit stellen sie ihm Fallen und suchen eine Aussage, mit der sie ihn anklagen und vor Gericht bringen können.
Jesus nennt sie "Nachkommen der Schlangen".

Die Schlange wird schon in der Geschichte vom Sündenfall als listig und Verkörperung böser Verführungsmacht dargestellt. Ist es ihre zweigeteilte Zunge, die auf ihre verwirrende Rede hinweist? Sie stellt Gottes Güte in Frage. Sie sät Zweifel im Herzen des Menschen. Ihre Aussage ist richtig, aber ihre Absicht ist böse. Sie verlockt den Menschen, Gottes Gebot zu übertreten. Der Mensch gerät unter die Macht der Sünde und des Todes. Sie wird verflucht, auf dem Bauch zu kriechen. Ihr Kopf soll zertreten werden. Ja, sie ist die Verkörperung des Teufels, der mythischen Chaosmacht. Die Bibel kennt zwar nicht nur ihre zerstörende Wirkung, sondern auch ihre heilenden Möglichkeiten. In der Wüste stellt Moses auf Anordnung Gottes eine eherne Schlange auf. Wer sie ansieht wird gesund. Bis heute gilt eine Schlange an einem Stab als Zeichen des Heilens, als Zeichen des Arztes oder des Apothekers.

Jesus benutzt das Bild um die Pharisäer und Schriftgelehrten zu verurteilen. Am Tage des Gerichts wird offenbar werden, was eindeutig gemeint ist und entsprechend gewirkt hat. Das ganze Volk soll wissen, welche Kriterien beim jüngsten Gericht gelten.

Woher kommen eigentlich die Pharisäer? Wer sind sie? Welche Aufgaben nehmen sie im Volke wahr? Welche Achtung geniessen sie?
Der Name kommt von dem Wort "rein oder ausgesondert". Als die griechischen Herrscher im 2. Jahrhundert vor Christus im nahen Ostens versuchten, alle Religionen zu einigen, da gab es besonders unter den Reichen in Israel viele, die ihren Glauben vernachlässigten, den Sabbat nicht mehr hielten und auch sonst sich kaum noch um Gott oder seine Ordnungen kümmerten. Im Widerstand dazu bildete sich eine Gruppe von Männern, die den Sabbat in Ehren halten wollten. Sie forschten in den Schriften nach, was Gottes Wille sei. Sie kannten auch viele mündlichen Überlieferungen. Es entstand die Schrift "Pirke Abbot", die Überlieferung der Väter. Ja es ging ihnen auf die Dauer immer mehr darum, sich gottwohlgefällig zu verhalten. Sie wollten fromm sein. Sie wollten etwas für Gott tun, ja, sie wollten ihn durch ihre guten Taten zwingen, seinerseits Gnade zu zeigen. Sie behaupteten, wenn wir nur einen Tag vollständig die Gebote Gottes erfüllen, dann sendet er den Messias. Er wird die Heiden vertreiben und das Himmelreich auf Erden errichten.

Zunächst wurde der jüdische Glaube durch sie erhalten. Sie wurden von den griechischen Herrschern verfolgt, aber später von den Makkabäern hoch geachtet. Auch das Volk achtete sie als Erhalter ihres jüdischen Galubens. Sie hörten auf sie, sie sahen nach ihnen. Was sie taten oder sagten war richtig.

Die Pharisäer waren so besorgt darum, dass Gottes Ordnung auch richtig gehalten wurde, und keiner sie übertrat, dass sie einen "Zaun um das Gesetz" errichteten. Wer sich daran hielt, konnte es nicht übertreten. Jetzt war das Volk abgesichert. Jetzt waren auch sie rein und richtig.
Die Pharisäer waren "die Leute".

Und dann kam Jesus. Die Leute liefen ihm nach, denn er heilte allerlei Kranke. Da geschah mehr als bei den Pharisäern. Da musste man gewesen sein. Ihn musste man gehört haben. Ihn musste man gesehen haben! Jesus war "der Mann".

Und die Pharisäer? Wo blieben sie? Wer sah noch auf sie? Wer hörte noch auf sie?
So ging das doch nicht weiter! Da musste etwas geschehen! Sie konnten doch ihre Macht und ihr Ansehen nicht an diesen neuen Mann abgeben!

Was war geschehen?
Aus den treuen Anhängern Gottes, aus den Märtyrern und Ausgesonderten, waren solche geworden, die nach Macht und Ansehen strebten. Nur ihre Art zu leben konnte richtig sein. Nur ihre Auslegung der Bibel konnte gelten!

Im November geht das Kirchenjahr zu Ende. Da gedenken wir des Endes, des Endes unseres Lebens und des Endes der Welt.
Volkstrauertag, Buss- und Bettag und Ewigkeitssonntag folgen einander.
Was kommt auf uns zu? Wo stehen wir? Was wissen wir, wann unser letztes Stündlein geschlagen hat - und was kommt danach?

Jesus nennt uns die Kriterien, nach denen gerichtet wird. Sind wir besser als die Pharisäer? Wollen wir nicht fromm sein? Wollen wir nicht alles richtig machen, richtig reden und richtig handeln? Wie sieht es bei uns aus?

In meiner Jugendzeit wurde in meiner Gemeinde besonderer Wert gelegt auf eine Bekehrung. Nur wer bekehrt war würde gerettet werden im jüngsten Gericht! War ich bekehrt? Würde ich gerettet werden? Mir kamen immer wieder Zweifel. Ich spürte, dass ich nicht bei Gott bleiben konnte. Ich merkte, dass ich nicht so redete und handelte, wie es nach den Ordnungen Gottes richtig gewessen wäre. Ich bemühte mich, aber das reichte nicht.

Erst später begriff ich, dass es nicht auf mich ankam. Es ging nicht um mein Bemühen. Es ging nicht darum, dass ich richtig redete und handelte. Es ging darum, sich fallen zu lassen, sich Gott zu überlassen, ihn handeln zu lassen.

Und wie sieht es bei Ihnen aus? Sie gehen in den Gottesdienst, um den Feiertag zu heiligen. Wenige tun es, aber Sie bleiben dabei. Sie wollen hören und erfahren, was recht und richtig ist. Sie wollen sich auch danach richten. Sie gehören zu den Frommen. Spüren Sie da nicht auch immer wieder die Gefahr, sich über die Mitmenschen zu erheben und zu denken, dass Sie besser und gläubiger sind? Die Versuchung ist gross, in die Fusstapfen der Pharisäer zu treten. Sondern Sie sich ab, wie es manche Leute in Freikirchen oder anderen Gruppierungen tun? Sind Sie stolz auf Ihre guten Taten und ihr angenehmes Verhalten? Wissen Sie nicht immer wieder ein Bibelwort zu zitieren? Andere können mit Abstand nicht soviele Gesangbuchlieder und Bibelsprüche auswendig! Das muss Gott doch anerkennen!

Mir fällt es immer wieder schwer, mein grosses theologisches Wissen nicht auf den Leuchter zu stellen. Mir fällt es immer wieder schwer, auf die Erfahrungen und Erkenntnisse meiner Mitmenschen zu hören. Mir fällt es immer wieder schwer, demütig zu begreifen, dass es nicht auf mein Tun und Reden ankommt, sondern auf Gottes Erbarmen.

Mögen Sie am Buss- und Bettag darüber nachdenken, wo sie stehen. Mögen Sie erkennen, wer Sie sind und was Sie geredet haben. Mögen Sie in Ihr Herz schauen und Ihres innersten Schatzes gewahr werden! Es liegt soviel in der Tiefe unseres Seins, von dem her wir bestimmt werden. Wenn wir es nicht kennen, dann überrollt es uns im entscheidenden Moment.

Mit einer kleinen Geschichte möchte ich schliessen.
Ein Mann hatte in seiner Kindheit von seiner Mutter vieles zu erdulden. Sie wollte eigentlich das dritte Kind nicht mehr, darum bekam es alle Schläge, die besser die grösseren Geschwister bekommen hätten. Sie verbrannte ihm die Hände, damit er nicht mehr an den heissen Ofen ginge. Sie schlug ihm den Klavierdeckel auf die Finger, wenn er beim Üben einen Fehler machte. Sie nahm ihn kaum wahr.

Als er selber gross geworden war, konnte er nicht mit seiner Frau und seinen Kindern gerecht umgehen. Eigentlich wollte er seine Mutter strafen, obwohl sie schon lange tot war. Jetzt hatte er die Macht und strafte seine Frau und seine Kinder, obwohl sie ihm nichts Böses getan hatten. Sie mussten büssen, was seine Mutter ihm angetan hatte. Er konnte es nicht einmal merken. Er sah nicht in die Tiefe seines Inneren.

Glücklich ist der Mensch, der gerechte Eltern gehabt hat.
Es ist aber nicht nötig, seine unbewussten Verletzungen an seinen Mitmenschen auszulassen. Wenn ich erkenne, was in mir wirkt, dann kann ich mir von Gott eine Veränderung meines Inneren erbitten.

Buss- und Bettag.
Durch Busse und Beten können wir neu werden.
Ergreifen wir diese Chance Gottes!

Amen

Gerda Altpeter
gerda.altpeter@bluewin.ch


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