Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

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Tag der Geburt des Herrn, 25. Dezember 2005
Predigt über Johannes 1, 1-14, verfasst von Arne Ørtved (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott! Mehr braucht nicht gesagt zu werden. Hier ist die Grenzlinie zwischen uns und den Anderen gezogen. Und sie kann keinen Millimeter verschoben werden. Aber ich weiß nur nicht ganz, wer die Anderen sind. Das sind jedenfalls gewisse moderne Wissenschaftler, die jede Rede von Gott und einer schöpfenden Macht hinter dem lebendigen Leben von sich weisen. Damit behaupten sie auch, dass alles durch Zufall entstanden sei. Das Leben könnte genauso gut gar nicht existieren. Oder es hätte zu etwas völlig Anderem werden können.

Die Anderen sind dann auch diejenigen, die glauben, dass sie selbst und alle übrigen Menschen das Ergebnis eines sexuellen Aktes und einiger biologischer Prozesse seien. Und dass ihr Leben danach völlig zufällig sei; Glück und Unglück miteinender vermischt in einer schönen oder weniger schönen Mischung. Das einzige Gesetz für das Leben, das sie möglicherweise kennen und anerkennen, ist das Gesetz von Ursache und Wirkung. Alles, was geschieht, hat eine Ursache; und diese Ursache heißt nie Gott.

Gott kann übrigens niemals eine Ursache sein, denn eine Ursache ist immer blind. Wenn etwas von Gott stammt, dann ist es ein Anfang, eine Schöpfung, ein Wunder. Es gibt keine Blindheit, keinen Zufall, keine Mechanik in dem Leben, das von ihm kommt. Aber Gott ist nicht der Einzige, der mit Leben zu tun hat; das haben seine Empfänger, die Menschen, auch.

Mit dem Satz Im Anfang war das Wort… wird ein für allemal festgestellt, dass das Leben zuerst als ein Gedanke da war, als eine Vision, ein Traum oder ein Gesang im Kopf des Schöpfers. Es beruht mit anderen Worten auf einem Wunsch, einem Willen, dass es das Leben gibt und dass wir existieren. Das schließt alle Zufälligkeiten aus. Und wenn es einen Gedanken gibt, dann ist da auch jemand, der denkt… Ihn nennt der Evangelist Gott. Das ist ein recht guter Name, denn darüber sind wir uns in unserem Kulturkreis einig, dass wir diesen Schöpfer Gott nennen: Das Wort war bei Gott!

Aber Gott ist ja nur ein Wort. Erfunden und benannt von Menschen. Als Mose Gott vor dem brennenden Dornenbusch fragte, wie sein Name sei, antwortete er: Ich bin der, der ich bin. Das war ein guter Name, denn das bedeutet, dass er der ist, der vor allen Dingen da ist, – auch lange vor der Sprache der Menschen. Das passt auch zu dem Evangelisten, der sagt: das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott!

Damit ist faktisch nichts über die Qualität von irgend etwas gesagt. Die Wissenschaft kann genauso gut Recht haben wie wir anderen – und umgekehrt. Das ist wichtig. Das Eine ist nicht genauso gut wie das Andere, denn es ist so verschieden, dass das Eine das Andere ausschließt. Es gibt keinen Mittelweg, keinen Kompromiss. Aber es gibt auch keine Beweise... Und es wird sie nie geben.

Selbst wenn die Wissenschaft eines Tages tatsächlich endgültig erklären und beweisen könnte, wie alles begonnen und sich entwickelt hat, so kann sie doch nicht hinter das kommen, was vor dem Anfang war. War da ein Wille? Gibt es einen Gott?

Und selbst wenn einige beharrlich bibeltreue Spezialisten eines Tages Beweise dafür auf den Tisch legen könnten, dass es wirklich so geschehen ist, wie die Bibel berichtet, dann wären sie auch nicht hinter den Anfang gekommen – zurück zum Wort.

Ach, es ist immer so umständlich und kompliziert, zu dem vorzustoßen, was doch so einfach ist: Im Anfang war das Wort... Wir Menschen sind so wahnsinnig klug, dass wir eine Aussage nicht einfach für bare Münze nehmen und dann davon ausgehen. Wir müssen erst zweifeln, – sehen, ob wir festen Grund unter die Füße bekommen können. Jetzt haben wir den Zweifel erprobt und sind kein Stück weiter gekommen; wir hätten also genauso gut einfach mit der Aussage anfangen können: Im Anfang war das Wort...

Das Leben ist entstanden im Gedanken eines Schöpfers. Und Gedanken und Worte sind unlöslich miteinander verbunden. Sobald der Gedanke geboren war, musste er natürlich in Schöpfung verwirklicht werden: Es werde Licht... und es wurde Licht... Und Gott sah, dass alles gut war... Und es war gut, denn es stimmte mit dem Gedanken überein. So ist es also mit dem Leben. Mit allem Leben. Vom Kleinsten bis zum größten. Von der Erde unter unseren Füßen bis zum Himmelsgewölbe und den Sternen und dem ganzen Universum. Auch das Meer mit den Fischen, die Wälder mit den wilden Tieren, die Felder mit den Haustieren und den Vögeln des Himmels. Das alles existiert unter denselben Bedingungen.

Und die Menschen natürlich, – nicht nur in aller Allgemeinheit, sondern du und ich. Zuerst existierten wir im Gedanken Gottes, und dann entstanden wir in der fleischlichen Welt, wenn man das so sagen kann. Ob die Welt innerhalb von sechs Tagen geschaffen wurde oder in Millionen von Jahren, ist in diesem Zusammenhang völlig gleichgültig. Ob wir durch ein Unglück zwischen zwei allzu jungen Menschen entstanden sind oder als heißer Wunsch eines Paares, das fast schon zu alt war, um Kinder zu bekommen wie Abraham und Sarah, ist in diesem Zusammenhang total einerlei. – Hat man gesagt: Im Anfang war das Wort..., dann ist das Wort allezeit der Anfang zu allem Leben. Das heißt, dass alles nach dem Willen und der Schöpfung Gottes existiert.

Wenn aber der Schöpfer so einen bestimmten Willen mit allen Dingen hat, hat er natürlich auch einen Plan. Teils für einen Anfang und ein Ende, teils dafür, wie das vonstatten gehen soll. Wie gelangt das Leben ans Ziel? Und wie soll es sich unterwegs gestalten? Aber die Menschen sind Mitspieler in Gottes Schöpferwerk, und deshalb kann es unterwegs auch schief gehen. Er glaubte, sein Plan war deutlich in jeden von uns gelegt, aber er musste erfahren, dass wir dennoch auf den Gedanken kommen können, unsere eigenen Wege zu gehen.

Es war eine furchtbare Situation; denn teils war das ein Aufruhr gegen und ein Misstrauen zu Gott; und teils war es ein fast nicht wieder gut zu machender Schaden für das Leben und für die Menschen. Alles wurde anders, als Gott es sich erträumt hatte; und wir konnten nicht mehr Halt machen.

Deshalb musste Gott das Wort Fleisch werden und Wohnung unter uns nehmen lassen. Also das Wort, das in Gottes Gedanke war, als er alles schuf, und das nicht einfach das Gewirr hasserfüllten Lebens und verirrter Schicksale und Ereignisse war, die wir seitdem kennen gelernt haben, sondern das die Idee selbst, der Traum, die Vision war. Gottes eigene tiefe und schöne und liebevolle Idee, – sie war vor allem.

Es ist diese innerste Idee aller Dinge, die Fleisch wird und Wohnung unter uns nimmt. Das heißt, dass das Wort Mensch wird und bei uns wohnt und unser Leben lebt und unseren Tod stirbt und damit den Gedanken des Schöpfers vom Leben und von uns in uns legt. Dieser Mensch hieß Jesus; und jedes Jahr feiern wir, dass Gottes Wort bei uns ist und auf gewisse Weise bei uns wieder und wieder geboren wird und uns damit einen Blick erlaubt in das große Geheimnis, das weder die Wissenschaft noch die Philosophie noch die Kunst zu enthüllen vermag.

Und dann zeigt sich wahrhaftig, dass der innerste, schönste, edelste Gedanke des Schöpfers ein kleines, armes, zum Teil unechtes Kind in einer Krippe in einem unbedeutenden Dorf weit entfernt von den Machtzentren der Welt ist. Ein Kind, das wie alle anderen Kinder unter den Augen der Eltern und ihrer freudevollen Aufmerksamkeit aufwuchs und am Ende, nachdem es Gottes Gedanken mit seinen Worten und Handlungen deutlich gemacht hatte, wie ein Verbrecher hingerichtet wurde.

Das ist doch zugleich völlig unbegreiflich und völlig unannehmbar. Und doch kann man vielleicht eine Idee oder eine Botschaft darin erkennen: Das Kind in der Krippe und der Mann am Kreuz waren ganz und gar wehrlos; und es war eben diese Wehrlosigkeit, die sich als so stark erwies, weil man da ganz und gar auf Gott verwiesen ist. Das war der innerste Gedanke Gottes, als er die Welt und die Menschen schuf. Es sollte eng mit ihm verbunden sein, fast wie ein Teil seiner selbst. Eine tiefe und andauernde Zusammengehörigkeit.

Diese Zusammengehörigkeit ist überall und alle Zeit zur Stelle, so dass sie zugleich Ausgangspunkt und Ziel und Gang der ganzen Geschichte ist. Deshalb ist der einzelne Mensch nicht nur ein Mittel in einer Entwicklung; sondern er ist zugleich eine einzigartiges Geschöpf von unendlicher Bedeutung. Das wird mit dem Kind in der Krippe und dem Mann am Kreuz und in all dem enthüllt, was er im Übrigen sagte und tat im Laufe seines kurzen Lebens.

Diese tiefe Zusammengehörigkeit zwischen Gott und seinen Geschöpfen heißt Liebe. Sie ist von Anfang an gegenwärtig gewesen in Gottes Wort; aber mit Jesus Christus wurde diese Liebe Fleisch und nahm Wohnung unter uns; und sie ist immer noch hier. Das ist die eigentliche Botschaft von Weihnachten; eine bessere Botschaft gibt es nicht. Amen

Pastor Arne Ørtved
Birkebæk 8
DK-7330 Brande
Tlf.: ++ 45 – 97 18 10 98
E-mail: ortved@mail.dk

Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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