Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

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Altjahresabend, 31. Dezember 2005
Predigt über 2. Mose 13, 20-22, verfasst von Karl Rennstich
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


20 So zogen sie aus von Sukkot und lagerten sich in Etam am Rande der Wüste.
21 Und der HERR zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten.
22 Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage noch die Feuersäule bei Nacht.

Liebe Gemeinde!

Unser Text beschreibt die Urerfahrung der Rettung der versklavten Nachkommen eingewanderter Steppenbewohner, die durch Jahwe zu einem Volk geworden sind. Wir haben hier einen kurzen Ausschnitt einer Befreiungsgeschichte. Es ist eine Erzählung des Aufbruchs und des Wagnisses.
Das ist der Hintergrund der Sylvesterpredigt 2005. Der Text ist die Vergewisserung, dass Gott selbst voran geht, Tag und Nacht. Unübersehbar. Niemals weichend.
Gott zeigte durch Wolken und Feuer die Richtung. Er demonstriert seine beruhigende Gegenwart gegen die um sich greifende Ratlosigkeit und zeigt das Schlupfloch. Er zeigt seine Macht, wo Menschen nicht mehr weiter wissen.
Mitten im Aufbruch am Rande der Wüste gilt die Zusage Gottes: Ich gehe mit euch. Ich bin bei euch alle Tage.

Das Thema am Ende dieses Jahres 2005 ist also Gottvertrauen,Lebensmut und wie wir die Gotteszeichen erkennen lernen.

Die Jahre fließen dahin
Silvester. Jahresende. Die Zeit verrinnt wie der Sand in der Sanduhr. »Panta rei« sagten die Griechen dazu. Im Alter fließt alles noch schneller.
Was ist verlässlich auf dieser Wanderschaft? Die griechisch- römische Göttervorstellung kannte das »Drei-Männer-Triumpharat: Pluto, der (Gott des Reichtums), Apollo (Gott der Wissenschaft) und Merkur (Gott der Diebe und Händler) offene Zwietracht und Eifersucht. Merkur und Pluto gaben einander Rückendeckung und Apollo handhabte den Blitz und Donnerkeil gegen seine Widersacher. Nicht von ungefähr nannten die Amerikaner ihre große Weltraumrakete Apollo und entwickelten ein ganzes Weltraumkonzept unter diesem Namen.
Die Bibel betont dagegen: Die Weisen erhalten die Welt. Das sagen fast alle Religionen.
Nach vielen Überlieferungen ist die Weisheit eine edle Dame, eine Königin. Das Kriterium der Weisheit ist die Freude. In Indien nennt man es ananda. Die Griechen nennen es charis. Diese tiefe, unerschütterliche Freude, ist eine unmittelbare Frucht der Weisheit. Sie ist ein Geschenk. Aber diese Weisheit war immer der Reichtum des einfachen Volkes. Deshalb finden wir sie in Sprüchen, in Parabeln, Erzählungen der Völker, sei es nun in Afrika, in Asien oder sonst wo. Die Weisheit hat ihre Wohnung mehr im Wort als im Schrifttum. Weisheitsbücher sind deshalb in der Regel immer mündliche Tradition, die sich durch das Sieb der Zeiten vertiefen und verfeinern. Eines ist deutlich, die Sprache wie die Weisheit, hat viele Wohnungen. Es ist deshalb wichtig, daß man der Weisheit eine Wohnung bereitet.
Leider hat man das in der Moderne weithin vergessen.

Sie lagerten sich am Rande der Wüste
Viele Menschen wurden betroffen durch die großen Überschwemmungen im hinter uns liegenden Jahr in Asien und Amerika. Riesige Wassermassen hinterließen ein Wüste. Wasser ist Symbol für Leben und Chaos.
An einer strömungsreichen Stelle irgendwo am Meer steht ein Schild, das Schwimmer warnt und ihnen empfiehlt, für den Fall, dass eine Strömung sie erfasst, sich nicht gegen den Sog zu wehren. Die Strömung führe wieder zurück. Man sollte seine Kräfte nicht sinnlos verbrauchen, sondern sich vom Wasser selber zurücktragen lassen. Das hilft nicht immer. Dennoch gilt: Die Bewegungen des Meeres sind nicht chaotisch. Sie haben feste Gesetze und Ordnungen.
Der Zusammenhang, in dem unser Predigttext steht trägt die Überschrift: Das Wunder am Meer (2.Mose 13:17- 14:31). Wolken und Feuer spielen in diesem Text eine wichtige Rolle. Wolken gelten als Gefährt Jahwes und werden oft mit Cheruben gleichgesetzt. Wolken uns göttliche Offenbarung gehören zusammen im Sinaikomplex. Die Wolke symbolisiert das Hinabsteigen Gottes auf die Erde. Der Menschensohn kommt mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn (Daniel 7:13).
In Markus 14:62 spricht Jesus: »Ich bin´s; und ihr werdet sehen den Menschensohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen mit den Wolken des Himmels«. Im Hebräischen hängt »Wort« mit »sagen« zusammen. Der hebräische Begriff »dabar« (Wort) bedeutet auch Wüste und ist auch Inbegriff für Angst, Not , Hunger und Verzweiflung.

In der Wüste gibt es Ermattung. Menschen straucheln und fallen vor Durst nieder. Sie werden müde und wollen nicht mehr weitergehen. Wüste gibt es in unserem täglichen Leben in vielfältiger Weise. Der Blick nach vorne ist plötzlich verdunkelt. Sei es durch Krankheit oder durch Arbeitslosigkeit. Menschen straucheln plötzlich und werden müde. Die Hoffnung hat keine Kraft mehr. Alles bleibt im Dunkeln. Wir nennen das Depression. Die Freude schwindet. Die Springfeder des Lebens hat ihre Kraft verloren. Man kann nur noch nach hinten sehen. Nach vorne ist der Blick verschlossen. Die Vergangenheit, die Fehler, die Versäumnisse werden übermächtig. Angst bedeutet eigentlich: »die Gurgel zuschnüren«.

Niemals wich die Wolkensäule
Dieses Wort erinnert an die Zusage Jesu: »Siehe ich bin bei euch alle Tage« in Verbindung mit dem Auftrag: »Gehet hin und verkündigt das Evangelium«. Kreuzigung und Auferstehung Jesu stehen in enger Verbindung mit dem Wort: »Darum geht hin...«. Die Elf beginnen ihre Mission so wie Jesus, der vor ihnen her nach Galiläa zog (28, 7; Markus 16.7). Die Mission der Elf geschieht also so, dass sie an der Mission Jesu partizipieren sollen. Es steht unter der Verheißung, »alle Tage« und meint, heute und morgen bis zum Ende der Tage. Die tröstende Gewissheit, dass die Jünger auf ihrem Weg nicht allein sein werden, ist zusammengefasst in den Worten: »Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende«. Diese Worte erinnern an Matthäus 1, 23 »sein Name ist Immanuel- Gott mit uns«.
Die Gemeinde führt diese Sendung weiter unter den gleichen Bedingungen wie der Meister.

Jesaja (12, 1-6) formuliert schön den engen Zusammenhang von Dank und Errettung:
Zu der Zeit wirst du sagen:
Ich danke dir, HERR, dass du bist zornig gewesen über mich
und dein Zorn sich gewendet hat und du mich tröstest.
Siehe, Gott ist mein Heil,
ich bin sicher und fürchte mich nicht;
denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm
und ist mein Heil.
Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen
aus den Heilsbrunnen
Und ihr werdet sagen zu der Zeit: Danket dem HERRN,
rufet an seinen Namen!
Machet kund unter den Völkern sein Tun,
verkündiget, wie sein Name so hoch ist!
Lobsinget dem HERRN, denn er hat sich herrlich bewiesen.
Solches sei kund in allen Landen!
Jauchze und rühme, du Tochter Zion;
denn der Heilige Israels ist groß bei dir!

Dank für die Rettung finden wir in der Bibel auch an vielen anderen Stellen.
Durch den Glauben hat Noah Gott geehrt und die Arche gebaut zur Rettung seines Hauses, als er ein göttliches Wort empfing über das, was man noch nicht sah; durch den Glauben sprach er der Welt das Urteil und hat ererbt die Gerechtigkeit, die durch den Glauben kommt.
Jonathan, Sauls Sohn, stärkte das Vertrauen Davids auf Gott. David hatte gelernt auf den HERRN zu vertrauen und nicht sich verlassen auf Menschen, auch nicht auf Fürsten. Zu Hiob sagte Gott: Wenn ich ihnen zulachte, so fassten sie Vertrauen, und das Licht meines Angesichts tröstete die Trauernden.

Die Mission beginnt immer mit der Bekehrung des Missionars. Das musste Petrus lernen und Paulus und nach ihnen alle anderen Missionare bis zum heutigen Tag.
Die Kirche der ersten 300 Jahre war eine Kirche von Zeugen. Christen praktizierten ihren Glau­ben im Sinne Jesu. Die Kirche hatte keinen staatlichen Schutz. Sie war sich bewusst, dass sie eine Minder­heit war. Doch diese Minderheit forderte den Staat heraus, indem sie sich gegen Korruption und Ungerechtigkeit wehrte.
Hoffnungslos ist heute oft der Staat religiösen Fanatikern oder nationalen Bewegungen ausgeliefert. Der Staat scheint immer mehr zum Selbstbe­dienungs­laden für die Mächtigen zu werden.
Was kann, was soll die Kirche tun? Die »Bekehrung der Kirche« hin zu Christus ist ihre wichtigste Arbeit. Nur so kann die Kirche der Gesellschaft helfen.

Der Missionsauftrag ist keine christliche Sonderart. Auch Muslime haben den Auftrag, ihren Glauben weiterzugeben in Wort und Tat. Das koranische Wort für »Mission« heißt »dawah« und bedeutet: »Einladung, Ruf und Aufforderung«. Dieser Auftrag gründet im Willen Allahs.

Auch die Buddhisten haben einen solchen Auftrag. Nach buddhistischer Auffassung ist der Mensch im Werden. Er ist in erster Linie ein „Ereignis"; er stehe in einem Prozess. Der buddhistische »Missionsbefehl« gründet in der Aussendungsrede Buddhas, in der Buddha die Mönche auffordert:
»Geht auf die Wanderschaft, Mönche, zum Heile der Vielen, zum Segen der Vielen, aus Mitleid für die Welt, zum Nutzen, zum Heile, zum Segen für Götter und Menschen. Geht nicht zu zweit zusammen! Zeigt, Mönche, die Lehre, die im Anfang gut ist, in der Mitte gut ist, am Ende gut ist, im Geiste (wie) im Wort. Legt zutage einen voll erfüllten, reinen Tugendwandel! Es gibt Wesen, die mit nur wenig Staub auf den Augen geboren sind; wenn sie nicht von der Lehre hören, werden sie ver­derben. Sie werden die Lehre verstehen«.


Geht nicht stiften!
Wenn alle die Zukunft als hoffnungslos dunkel
und nicht mehr lohnend empfinden:
geht nicht stiften ihr Friedensstifter.

Wenn alle starr vor Angst und hilflos vor Zorn
sich selbst zerstören, dann
geht nicht stiften ihr Friedensstifter

Wenn alle es wissen, daß alles weniger wird
und jeder uneingeschränkt sich bescheiden
und Wert, die bleiben, suchen muss,
dann geht nicht stiften ihr Friedensstifter.

Wäre damals der Friedensstifter stiften gegangen
hätten wir heute keinen Frieden zu stiften ihr Friedensstifter.
Aber weil endgültig am Kreuz Frieden gestiftet
und Liebe geschaffen, Versöhnung gemacht worden ist
können wir Friedensstifter nicht mehr stiften gehen.

Amen


Prof. Dr. Karl W. Rennstich
Lerchenstrasse 17
D-72762 Reutlingen
Email: kwrennstich@gmx.de


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