Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Spenden Sie dem Förderverein Göttinger Predigten im Internet e.V.
für die Fortführung seiner Arbeit!

Neujahrstag, 1. Januar 2006
Predigt über Josua 1,1-9, verfasst von Ludwig Schmidt
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Predigttext (nach der Einheitsübersetzung)
1 Nachdem Mose, der Knecht des Herrn, gestorben war, sagte der Herr zu Josua, dem Sohn Nuns, dem Diener des Mose: 2 Mein Knecht Mose ist gestorben. Mach dich also auf den Weg, und zieh über den Jordan hier mit diesem ganzen Volk in das Land, das ich ihnen, den Israeliten, geben werde. 3 Jeden Ort, den euer Fuß betreten wird, gebe ich euch, wie ich es Mose versprochen habe. 4 Euer Gebiet soll von der Steppe und vom Libanon an bis zum großen Strom, zum Eufrat, reichen – das ist das ganze Land der Hetiter – und bis hin zum großen Meer, wo die Sonne untergeht. 5 Niemand wird dir Widerstand leisten können, solange du lebst. Wie ich mit Mose war, will ich auch mit dir sein. Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht. 6 Sei mutig und stark! Denn du sollst diesem Volk das Land zum Besitz geben, von dem du weißt: Ich habe ihren Vätern geschworen, es ihnen zu geben. 7 Sei nur mutig und stark, und achte genau darauf, daß du ganz nach der Weisung handelst, die mein Knecht Mose dir gegeben hat. Weich nicht nach rechts und nicht nach links davon ab, damit du Erfolg hast in allem, was du unternimmst. 8 Über dieses Gesetzbuch sollst du immer reden und Tag und Nacht darüber nachsinnen, damit du darauf achtest, genau so zu handeln, wie darin geschrieben steht. Dann wirst du auf deinem Weg Glück und Erfolg haben. 9 Habe ich dir nicht befohlen: Sei mutig und stark? Fürchte dich also nicht, und hab keine Angst; denn der Herr, dein Gott, ist mit dir bei allem, was du unternimmst.

Liebe Gemeinde!

Wir wandern in unserem Leben durch die Zeiten. Das wird uns an einem Jahreswechsel besonders bewusst. Das Jahr 2005 liegt hinter uns, und wir haben unseren Weg in einem neuen Jahr begonnen. Mit ihm verbinden sich Hoffnungen und Ängste. Wir hoffen, dass wir in diesem Jahr verwirklichen können, war wir uns vorgenommen haben und dass es für uns ein gutes Jahr werden wird. Aber niemand weiß, was er in diesem Jahr erleben wird. Deshalb fürchten wir uns zugleich davor, dass wir vielleicht ein schweres Jahr vor uns haben, in dem wir große Schmerzen ertragen müssen oder uns vieles misslingt. So blicken wir an dem Übergang zwischen den Jahren mit einer Mischung aus Hoffnung und Angst in die Zukunft. Mit der Jahreslosung für 2006 sagt uns Gott zu, dass er uns auf unserem Weg durch dieses Jahr nicht im Stich lassen wird. Sie lautet: „Gott spricht: Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht.“

Nach unserem Bibelabschnitt gab Gott diese Zusage einst Josua, als er ihn beauftragte, das Volk Israel in das verheißene Land zu führen. Dieser Auftrag war ein Anlass zur Hoffnung. Nach dem langen Aufenthalt in der Wüste sollte das Volk Israel endlich in einem fruchtbaren Land leben dürfen. Aber dieser Auftrag war gefährlich. Josua wird das Volk nicht in ein menschenleeres Land bringen, wenn er den Jordan überschreitet. Dort lebten bereits Menschen, die das Land nicht kampflos räumen würden. Schon einmal hatten die Israeliten den Weg in das verheißene Land verweigert, weil seine Bevölkerung stärker und seine Städte befestigt waren. Auch jetzt hatten die Israeliten gegen die Bewohner des Landes eigentlich keine Chance. Aber Gott hatte einst den Vorfahren der Israeliten versprochen, dass er ihren Nachkommen das Land geben wird. Dieses Versprechen will er nun einlösen. Gott hält, was er verspricht. Er bleibt seiner Zusage treu, obwohl sich die frühere Generation der Israeliten aus Angst geweigert hatte, in das verheißene Land zu ziehen. Gott hat die Macht, den Widerstand der Bewohner des Landes zu brechen. Deshalb soll Josua nun mit dem Volk den Jordan in das Land überschreiten, das Gott den Israeliten geben wird. Dafür hat Gott Josua zum Führer des Volkes bestimmt. Diesen Auftrag kann Josua freilich nicht aus eigener Kraft erfüllen. Aber Gott sagt ihm zu, dass er mit ihm sein und ihn nicht fallen lassen und verlassen wird. Weil Josua gewiss sein kann, dass ihn Gott nicht im Stich lässt, soll er mutig und stark sein. Er muss sich nicht fragen, ob er seinem Auftrag gewachsen ist, sondern er kann den Jordan zuversichtlich überschreiten. Er wird dem Volk das verheißene Land zum Erbbesitz geben, wie es im hebräischen Text heißt.

Nun sind wir nicht Josua, und das Jahr 2006 ist nicht das Land, das uns verheißen ist. Wir wandern in unserem Leben durch die Zeiten, bis wir einmal sterben werden. Aber dann soll unser Weg nicht einfach abbrechen und in dem Abgrund des Todes enden, sondern wir sind unterwegs zu einem Ziel. Es besteht darin, dass wir einst in der Herrlichkeit Gottes leben dürfen. Das ist das Land, das uns Gott verspricht. Im Neues Testament heißt es mehrfach, dass Christen Erben sind, die das ewige Leben als Erbe empfangen werden. Den Israeliten hatte Gott einst ein irdisches Land als Erbbesitz zugesagt. Uns hat er das ewige Leben bei sich als Erbbesitz versprochen. Das ist mehr, als er den Israeliten zusagte. Es überbietet auch bei weitem alles, was wir uns für unser irdisches Leben erhoffen können. Jesus ist Mensch geworden und gestorben, wie alle Menschen sterben müssen, damit auch wir jenes ewige Leben erhalten, zu dem er auferstanden ist. Das ist das Ziel, auf das wir zugehen. Nach einer Umfrage meinen freilich 47 % aller Deutschen, dass mit dem Tod alles endet und gar 66 % sind der Auffassung, sie seien in erster Linie auf der Welt, um das Leben zu genießen. Das ist schade, denn damit schlagen diese Menschen das Erbe aus, das Gott für sie bereit hält. Niemand von ihnen würde darauf verzichten, einen reichen Verwandten zu beerben, aber die Angst, dass mit dem Tod alles aus sein könnte, treibt eben Menschen dazu, dass sie den Sinn ihres Lebens vor allem darin sehen, das Leben zu genießen. Diese Angst müssen wir nicht teilen, wenn wir auf Jesus sehen. Er steht dafür ein, dass wir auf das ewige Leben zugehen.

Aber Gott verspricht uns nicht nur, dass wir einst bei ihm leben werden, sondern er sagt uns zu, dass er uns auf unserem Lebensweg begleiten wird. Vielleicht müssen wir in diesem Jahr einen steinigen Weg gehen, der uns große Schwierigkeiten bereitet. Es kann ja sein, dass wir in Auseinandersetzungen mit anderen Menschen verwickelt werden, aus denen wir nicht als Sieger hervorgehen. Nach unserem Bibelabschnitt hat Gott zwar Josua versprochen: „Niemand wird dir Widerstand leisten können, solange du lebst“, aber diese Zusage erhielt Josua, weil er das verheißene Land erobern sollte. Uns hat Gott nicht beauftragt, Menschen zu besiegen. Deshalb ist es möglich, dass wir auf Widerstände stoßen, die uns schwer zu schaffen machen. Vielleicht zerbrechen in diesem Jahr Beziehungen zu Menschen, die uns sehr wichtig sind. Wer kann schon garantieren, dass am Ende dieses Jahres seine Familie noch intakt sein wird, oder dass er weiterhin auf den Rat und die Unterstützung von Freunden zählen kann? Das können wir nur hoffen. Es sind ja schon Beziehungen zerbrochen, von denen man meinte, dass sie durch nichts zerstört werden können. Aber auch wenn wir von Menschen zurückgestoßen werden oder selbst eine Beziehung nicht mehr aufrecht erhalten können, dürfen wir auf die Zusage Gottes vertrauen: „Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht.“ Damit sind die Probleme, vor denen wir dann stehen, nicht einfach weg. Aber wer darauf vertraut, dass Gott bei ihm ist, wird die Schwierigkeiten durchstehen können und nicht verzweifeln, weil er die Zuversicht hat, dass ihm Gott die Kraft gibt, die Lasten seines Lebens zu tragen. Das gilt sogar, wenn uns das Leben selbst zu einer Last werden sollte. Alte oder sehr kranke Menschen empfinden manchmal ihr Leben nur noch als eine Last und beklagen, dass sie für andere zu einer Belastung geworden sind. Niemand kann sich wünschen, dass ihm das Leben so schwer fällt. Aber selbst wenn es uns zu einer schweren Last werden sollte und wir nur noch eine Belastung für andere sind, bleiben wir für Gott wichtig. Er wird uns auch dann nicht verlassen, wenn wir zu einem Pflegefall werden sollten und verwirrt und völlig hilflos sind. Gott sagt uns am Anfang dieses Jahres zu: „Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht.“ Weil Gott hält, was er verspricht, können wir auf unserem Lebensweg mutig weitergehen.

Aber verknüpft Gott seine Zusage nicht mit Bedingungen? So ist es in der Tat in unserem Bibelabschnitt. Nachdem Gott Josua ermutigt hatte, den Weg in das verheißene Land in Angriff zu nehmen, forderte er ihn auf, alle Gebote genau zu erfüllen, die er durch Mose mitgeteilt hatte. Wir würden heute wohl sagen: Josua muss sie eins zu eins oder punktgenau umsetzen. Nur dann wird er Erfolg haben und seinen Auftrag erfüllen können. Diese Einschränkung der Zusage Gottes ist in unserem Bibelabschnitt eine spätere Ergänzung, weil man meinte, dass die große Zusage Gottes nur Menschen gilt, die perfekte Fromme sind. Aber wenn es solche Menschen geben würde, hätte Jesus nicht in die Welt kommen und am Kreuz sterben müssen. Gerade jene jüdischen Frommen, die die Gebote Gottes genau erfüllen wollten, haben dazu beigetragen, dass Jesus am Kreuz sterben musste, weil sie nicht erkannten, dass niemand so lebt, dass er Gott gefällt. Es gibt keine perfekten Frommen, weder damals noch heute. Aber weil Jesus am Kreuz gestorben und auferstanden ist, hält Gott zu uns, obwohl wir oft nicht so denken und handeln, wie es seinem Willen entspricht. Er vergibt uns um Jesu willen unsere Schuld. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir tun und lassen können, was wir wollen. Aber wer bewusst Christ ist, der möchte gar nicht so leben. Es wäre grotesk, wenn ein Ehemann sagen würde: Weil meine Frau mich liebt, kann ich ruhig fremdgehen. Damit würde er die Liebe seiner Frau verraten und seine Ehe zerstören. Wir wissen, dass unsere Beziehung zu Gott zerbricht, wenn wir nicht mehr nach seinem Willen fragen und uns nicht bemühen, als Christen zu leben. Deshalb sind die Gebote Gottes für uns als Wegweiser wichtig. Durch sie sollen wir vor Irrwegen bewahrt werden. Aber wenn wir ehrlich sind, wird uns bewusst werden, dass wir sie immer wieder übertreten. Trotzdem müssen wir nicht befürchten, dass sich Gott von uns zurückzieht. Er will uns um Jesu willen auf unserem Lebensweg durch die Zeiten begleiten, bis wir das Ziel des ewigen Lebens erreicht haben, das er uns als unseren Erbbesitz versprochen hat. Wir dürfen auf die Zusage der Jahreslosung vertrauen: „Gott spricht: Ich lasse dich nicht fallen und ich verlasse dich nicht.“ Amen.

Liedvorschläge

EG 65: Von guten Mächten treu und still umgeben
EG 64: Der du die Zeit in Händen hast
EG 58: Nun lasst uns gehen und treten
EG 63,6:Hilf du uns durch die Zeiten

Prof. i.R. Dr. Ludwig Schmidt
Karmelitenstraße 15
91056 Erlangen
E-mail: lgschmid@theologie.uni-erlangen.de

 

 


(zurück zum Seitenanfang)