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Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

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Ostermontag, 17. April 2006
Predigt über 1. Korinther 15,50-58, verfasst von Christian-Erdmann Schott
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Gemeinde,

die Auferstehung Jesu Christi von den Toten wird im Neuen Testament hauptsächlich in zwei Zusammenhängen gesehen und gedeutet:
Einmal im Kontext der Passionsgeschichte. Diese zeigt ja doch einen Prozess, bei dem es letztlich um die Person Jesu selbst geht. Es stehen sich gegenüber: Die Ankläger (Hohepriester, Schriftgelehrte, aufgehetztes Volk), die Richter (Kaiphas, Pontius Pilatus), die Befehlsausführenden (Soldaten, Knechte) und Jesus Christus – er allein, denn seine Familie, seine Anhänger und seine Jünger verlassen ihn in diesen Stunden. Die Ankläger bestreiten, dass sein Anspruch, Gottes Sohn, Messias zu sein berechtigt ist. Mit seiner Tötung haben sie erreicht, dass er mundtot gemacht ist. Nach menschlichem Ermessen ist der Prozess damit abgeschlossen. Der Angeklagte ist hingerichtet und tot.

Das Wunder von Ostern ist, dass Gott ihn wieder erweckt, so, dass er zum Beispiel mit seinen Jüngern sprechen kann. Durch diese Auferweckung wird deutlich, dass Gott zu Gunsten seines Sohnes und dessen Anspruch eingreift. Gott stellt sich auf die Seite des Verlierers und bezeugt durch die Auferstehung, dass er auf seiner Seite, hinter ihm steht – und damit dessen Aussagen beglaubigt und rechtfertigt. Die Jünger haben diese Beglaubigung verstanden und sind für den Gekreuzigten, für den Verlierer, der aber eben kein Verlierer ist, in die Welt gezogen und haben sein Evangelium missionierend verbreitet.

Der andere Kontext, in dem die Auferstehung gesehen wird, ist das über der Menschheit liegende Todesgeschick. Wir haben uns heute angewöhnt, das Sterben-Müssen als einen Naturvorgang anzusehen. Das ist er auch, aber nicht nur. Das Sterben hat auch eine theologische Dimension. Sie hängt damit zusammen, dass sich die Menschheit von Gott, dem Schöpfer, abgelöst hat und nun versucht, auf eigene Faust ihr Leben zu leben. Dieses Eigenleben ohne Gott und an Gott vorbei nennt die Bibel Sünde. In diese Weg-von-Gott-Bewegung sind wir bereits hineingeboren, übernehmen sie und leben sie mit, können von uns aus da auch gar nicht heraus. Unser Sterben vollzieht sich in dieser Bewegung. Das heißt, wir sterben in das Nichts hinein, hoffnungslos, ohne Gott. Das ist das Gesetz und die Konsequenz der Sünde.

Die Auferstehung Jesu Christi bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Gott sich damit nicht abfindet. Indem er den Sohn auferweckt, demonstriert er a) dass er die Macht hat, den Tod zu überwinden und b) dass er sich insgesamt mit der Herrschaft des Nichts und des Todes nicht abfindet, sondern die Menschen für sich reklamiert. Jesu Auferweckung hat insofern Signalcharakter oder Demonstrationscharakter, indem Gott allen, „die da wohnen in Finsternis und Schatten = Angst des Todes“ (Lk. 1,79) zeigt, dass es für uns eine Hoffnung gibt, weil er den Ring, den das Todesgeschick um uns geworfen hat, durchbricht.

Ich möchte heute in meiner Predigt diesen zweiten Zusammenhang ins Auge fassen, weil er vom Apostel Paulus in unserem heutigen Text behandelt wird. Ich lese:

Das sage ich aber, liebe Brüder, dass Fleisch und Blut nicht können das Reich Gottes ererben; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit.
Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden;
Und dasselbe plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune schallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden.
Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit.
Wenn aber dies Verwesliche wird anziehen die Unverweslichkeit und dies Sterbliche wird anziehen die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht:
Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?“
Aber der Stachel des Todes ist die Sünde; die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz.
Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt, durch unsern Herrn Jesus Christus!
Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unbeweglich und nehmet immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisset, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn“.

Der Abschnitt sagt dreierlei aus:

1. Nicht wir haben den Sieg über den Tod errungen, sondern Gott. Wir könnten ihn gar nicht erringen. Damit hat Gott seine Stärke, seine Allmacht gezeigt. Das bedeutet für uns eine ganz neue Möglichkeit und Herausforderung. Denn nun stehen wir vor der Frage, ob wir die Kraft aufbringen, daran zu glauben und auf Gott gegen den Augenschein, gegen unseren Zweifel, gegen den Tod zu setzen und zu vertrauen. Oder: Ob wir die Kraft aufbringen, nicht mehr an die Macht des Todes, sondern an die Macht der Liebe Gottes zu glauben.

Für die aber, die bereits auf Gott vertrauen, ist diese Botschaft eine Ermutigung und ein Trost. Sie werden darin bestärkt, an den Herrn aller Herren zu glauben. Sie können sich „in dem Werk des Herrn“ (V.58) engagieren, seinen Ruhm verkündigen und so in dieser Welt des Todes Hoffnung ausstrahlen. Anschaubar aber ist diese Hoffnung in Jesus Christus, dem Auferstandenen.

2. Dieser Sieg Gottes über den Tod ist in der Vergangenheit erfochten, wird sich aber in der Zukunft erst richtig auswirken. Paulus spricht hier in der Sprache des Futurs. „Wir werden verwandelt werden“, „wir werden überkleidet werden“. Dahinter steckt eine theologische Logik. Unser Körper ist nicht für die Ewigkeit geschaffen. Er reicht mit seinen Kräften nicht einmal für dieses irdische Leben ganz aus. Es ist ein vergänglicher, ein verweslicher Körper. Um für die Ewigkeit, für die Gemeinschaft mit Gott geeignet zu sein, müssen wir mit einem anderen Körper ausgestattet, das heißt, verwandelt werden.

Das wird geschehen im letzten Augenblick, beim Schall der letzten Posaune. Paulus meint sogar, dass das sehr bald sein wird, noch zu seinen Lebzeiten. „Wir werden nicht alle entschlafen“. Es ist klar, dass er sich in dieser Prognose getäuscht hat. Nach ihr ist das Ende seit 2000 Jahren überfällig. Allerdings steckt hinter dieser „Täuschung“ ein sehr ernstes Problem. Die Frage nämlich: Wenn es so ist, dass Gott diesen demonstrativen Durchbruch gegen den Tod für uns aus Liebe getan hat, dann läge es in der Logik dieses Gedankens, dass er den jüngsten Tag sehr bald heraufkommen lässt, um uns aus der jetzt noch vom Tod beherrschten Welt heraus- und in sein Reich hinein zu nehmen. Warum tut er das nicht? Warum zögert er?

Paulus hat eigentlich Recht, wenn er meint, dass es auf der Seite Gottes jetzt, nach der Auferstehung, kein Zögern mehr geben dürfte. Darum ist seine Prognose – vom Liebesgedanken her – überhaupt nicht abwegig. Warum Gott dennoch zögert, wissen wir nicht. Letztlich können wir hier nur hinweisen auf die Unerforschlichkeit des uns nicht bekannten Ratschlusses Gottes.

Trotzdem hat sich durch die Auferstehung die Lage der Menschheit grundsätzlich verändert. Denken wir uns eine eingeschlossene Armee. Es sieht hoffnungslos aus. An einer Stelle gelingt es, eine Bresche zu schlagen. Sie ist noch klein. Aber es ist doch deutlich, dass der Ausbruch kommen wird. Die Armee schöpft Mut. Sie weiß, die Lage ist grundsätzlich zum Guten verändert. Das ist die Situation der Menschheit heute nach Ostern angesichts des Todesschicksals.

3. Dieser Sieg Gottes in Vergangenheit und Gegenwart wird geschmälert, wenn wir bei uns nach einer geheimen Kontinuität zwischen unserem gegenwärtigen Leben und unserem Leben nach der Verwandlung und Überkleidung suchen. Das ist immer wieder versucht worden. Ich weiß, dass diese Gedanken auch heute wieder sehr beliebt sind.

Die ältesten Versuche dieser Art haben die vorchristlichen Griechen unternommen, indem sie den Gedanken von der Unsterblichkeit der Seele aufgebracht haben. Sie sagten, alles stirbt, aber die Seele nicht. Sie ist unsterblich. Sterbeforscherinnen wie Elisabeth Kübler-Ross haben diesen Gedanken wieder aufgegriffen und verbreitet. Auch die katholische Kirche denkt in diese Richtung, mit der Folge, dass auch viele Evangelische sie für biblisch halten.
Sie sind aber nicht biblisch. Paulus sagt hier ausdrücklich, dass „Fleisch und Blut nicht können das Reich Gottes ererben“ und dass dieses „Verwesliche nicht erben wird die Unverweslichkeit“ V.50). Zu dieser Verweslichkeit gehört aber auch unsere Seele. Darum wird sie mit dem Leib sterben und vergehen.

Das ist aber nur die eine Seite. Die Anschauung von der Unsterblichkeit der Seele ist zugleich auch eine Antastung Gottes. Denn dann ist der Mensch unsterblich wie Gott, nicht mehr von seinem Schöpfer abhängig. Er lebt und erhält sich nach dem Tod an Gott vorbei. Das verträgt sich nicht mit unserem apostolischen Gottesglauben. Wir haben es ja gehört: Gott hat den Sieg gesetzt in Christus. Er wird auch uns auferwecken und zu sich nehmen. Darauf allein gründet sich unsere Hoffnung. Sie hängt nicht an mir und meiner Seele, sondern an der Kontinuität seiner Treue. Darum ist wahrer Osterglaube ein Glaube, der sich voller Vertrauen ganz auf Gott einlässt und verlässt; der sich in die Hände Gottes legt und weiß: Er wird´s wohl machen.

Damit ist deutlich, Auferstehungsglaube ist seinem Wesen nach Gottesglaube, der gegründet ist auf die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Diese Hoffnung ist gewisser als alles, was die Welt zu bieten hat. Denn die Welt vergeht, aber der Herr der Welt ist und bleibt. Darum können wir einstimmen in den Lobpreis: „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herr Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten“ (I. Petrus 1,3). Amen.


Dr. Christian-Erdmann Schott
Pfarrer em.
55124 Mainz-Gonsenheim
e-mail: ce.schott@surfeu.de


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