Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: C. Dinkel und I. Karle

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Jubilate, 7. Mai 2006
Predigt zu 2. Korinther 4,16-18, verfasst von Andreas Brummer
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


2 Korinther 4,16-18
Wir werden nicht müde;
sondern wenn auch unser äußerer Mensch zerfällt,
so wird doch der innere Tag für Tag erneuert.
Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist,
schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit,
uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare.
Denn was sichtbar ist, ist zeitlich; Was aber unsichtbar ist, das ist ewig.

1
Wir werden nicht müde...
Ein trotziger Satz ist das. Für sich genommen klingt er ein wenig nach einer Mischung aus Durchhalteparole und Kampfansage. „Wir werden nicht müde werden darauf hinzuweisen, dass ...“ - so ähnlich fangen manche Protestnoten an. Sie zielen auf Selbstvergewisserung und wollen doch ein – oft nur ohnmächtiges - Signal geben: Mit uns ist weiter zu rechnen, mag die Sache auch aussichtslos scheinen.
Wir werden nicht müde...

2
Wir feiern heute den Sonntag Jubilate. Drei Wochen nach Ostern heißt es: „Jauchzet Gott, alle Lande“. Und wir werden eingeladen in den österlichen Jubel einzustimmen: vorbehaltlos, endlich einmal ohne angezogene Handbremse, mit Leib und Seele.
Der Jubel, den Paulus uns an diesem Sonntag Jubilate anzubieten hat, ist verhaltenerer Art - wenn's denn überhaupt ein Jubel ist. Denn da springt keiner mit beiden Beinen in die Höhe und reisst die Arme in die Luft wie im Fussballstadion, wenn der Ball im Tornetz zappelt. Eher ist's, als ob ihm versteckte Gewichte an den Füßen kleben und der Apostel nur eben den Kopf recken kann, um trotzig seinen Widersachern entgegenzuhalten: Wir geben nicht auf.
Doch immerhin: Das kann er und das tut er. Den Kopf reckt er nach oben. Zum Himmel streckt er sich, obwohl vieles ihn zu Boden drücken will.
Das ist eine Kraftanstrengung. Da braucht es andere Gewissheiten und Kräfte, als die, die uns vor Augen liegen. Für Paulus ist das der Blick in die Weite der Zeit, in das Morgen Gottes, das am Ostermorgen seinen Anfang genommen hat. Von Ostern her hat alle Trübsal, alle Beschwernis, seine Grenze, sein Maß. "Es hat seine Zeit", sagt Paulus sich und uns über das, was seine Lebenswaage nach unten drückt: "Es bleibt nicht auf ewig". Deshalb: "Kopf hoch. Denn da ist ein Gegenwicht, das liegt zwar noch nicht auf der Waagschale deines Lebens, aber es wird schon gefertigt und es ist für deine Lebenswaage bestimmt".
... denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist,
schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit,
uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare.
Denn was sichtbar ist, ist zeitlich; Was aber unsichtbar ist, das ist ewig.


3
Wir werden nicht müde ...
Nicht müde werden
Sondern dem Wunder
Leise
Wie einem Vogel
Die Hand hinhalten

Hilde Domin trifft Paulus. Leise Lyrik begegnet apostolischer Kampfansage. Ein seltsames Aufeinandertreffen. Und dennoch greifen sie ineinander, verweben sie Sichtbares mit Unsichtbarem. Denn beides liegt nah beieinander: Das Wunder im Vogel, der Vogel im Wunder. Der innere im äußeren Menschen, der äußere im inneren. Nicht jetzt ist das Sichtbare und später kommt dann das Unsichtbare. Für Paulus gibt es da keine Abfolge, kein Nacheinander. Er ist kein Jenseitsvertröster. Im Hier und jetzt ist für ihn beides wirklich und greifbar. Tag für Tag. Am eigenen Leib, so sagt er, kann man’s doch spüren. In allem Verfall ist etwas, das wird neu. Nimm es doch nur wahr! Lass dich doch darauf ein!
Ein apostolischer Optimismus ist das, den Paulus mit scheinbar letzter Kraft hier hochhält. Ein Optimismus des Glaubens und nicht des Schauens, der daran festhält: Am Ende, ganz am Ende wird die Rechnung nicht ohne Gott gemacht.
... unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist,
schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit.


4
Das ist ein schöner Trost und ein schönes Bild dazu: Die gewichtige Herrlichkeit. Das Schwergewicht "Leben". In ausgezehrter und dürftiger Zeit mit den entsprechenden Schönheitsidealen atmet dieses Bild zugleich etwas wohltuend Subversives.
Stellen sie sich es nur vor: Da sitzen Tod und Leben auf einer Wippe. Noch macht der Tod sich breit mit all seiner düsteren Last und lässt grinsend das Leben in der Luft zappeln. Doch plötzlich wird das Leben schwerer und schwerer und lässt sich mit seinem ganzen, nun nahezu barocken Schwergewicht auf die Wippe fallen: Und der dürre Tod wird durch die Luft geschleudert - und da sitzt er dann am Boden und reibt sich ungläubig den Staub aus den Augen. Denn was sichtbar ist, ist zeitlich, was aber unsichtbar ist, das ist ewig.

5
Ich weiss natürlich: Das ist eine verwegene Hoffnung, die Paulus hier in Worte kleidet. Eine Hoffnung gegen den Augenschein. Ob sie sich gegen die Ermüdungen und Beschwernisse unserer Tage durchzusetzen vermag? Der Apostel hat ja nur wenig in der Hand. Er klammert sich fest an der Geschichte des einen, der in den Tod ging und den der Tod nicht festhalten konnte. ... denn wir wissen, dass der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, auch uns auferwecken wir mit ihm und wird uns vor sich aufstellen samt ihm. So schreibt er nur wenige Verse vorher. Und diese österliche Hoffnung dekliniert er jetzt durch den Alltag seines Lebens. Oder besser: Er lässt sie nun auch ganz für sich gelten. Er lässt sie schon jetzt hineinreichen in sein Leben und stellt sich mit all seinen müden Knochen mitten hinein in das österliche Sonnenlicht.
Das Bild vom inneren Menschen, der sich Tag für Tag erneuert, ist dabei bereits eine Art Vorgriff oder Vorausschau auf das, was Auferstehung meint. Fortsetzung folgt, gewiss - und das Schwergewicht „Leben“ hat den Platz auf der Wippe noch nicht eingenommen:
Und doch steht da schon heute einer auf, und dann Tag für Tag neu.
Da lacht das Leben dem Tod nun jeden Morgen fröhlich oder auch trotzig ins Angesicht,
obwohl es weiss: noch gibt sich der Tod nicht geschlagen.
Da wirken Menschen mit an all den kleinen Aufständen gegen den Tod,
auch wenn noch düstere Schlagzeilen die Welt regieren.
Und da werden Menschen nicht müde,
sondern halten dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hin.

Wir werden nicht müde;
sondern wenn auch unser äußerer Mensch zerfällt,
so wird doch der innere Tag für Tag erneuert.

Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist,
schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit,
uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare.

Denn was sichtbar ist, ist zeitlich; Was aber unsichtbar ist, das ist ewig.

Pastor Andreas Brummer
Lüneburger Damm 4B
30625 Hannover
 

 


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